Der Bandname lädt zum Spekulieren ein. Will der Schlagzeuger Dejan Terzic mit seiner Wortschöpfung „Melanoia“ auf einen Zustand hinaus, in dem Melancholie mit Paranoia gemeinsame Sache macht? Im proppevollen zweiten Konzert des diesjährigen BMW Welt Jazz Awards erfahren wir von der Moderatorin Beate Sampson, dass nur der zweite Begriff richtig hergeleitet ist.
Das Mela bezieht sich nämlich auf Melatonin, ein Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers regelt. Ein zu niedriger Spiegel löst Schlafstörungen aus. Und die führen dann eventuell zu … richtig! Wie dem auch sei: Der Bandleader gestaltete im Doppelkegel eine Reihe von Träumen mit musikalischen Mitteln aus.
Von Alfred Hitchcock ist folgende Anekdote überliefert: Der Meisterregisseur ärgert sich darüber, dass er die besten Film-Plots immer geträumt haben will und dann leider kurz nach dem Aufwachen wieder vollständig vergessen hat. Er wappnet sich also mit Block und Bleistift und platziert die Utensilien auf dem Nachttisch. Dann braut sich sein nachtaktives Gehirn wieder so eine irre Story zusammen. Der reine Wahnsinn. In einer kurzen Wachphase greift sich Hitch geistesgegenwärtig den Schreiber und kritzelt kurz etwas auf Papier. Am nächsten morgen liest er seine Notiz: Mann tötet Frau.
Dieses Beispiel lehrt uns: man sollte vielleicht doch aufgeweckt genug sein, um sich kreativ mit seinen Träumen, oder dem, was davon nach dem Aufwachen übrig ist, auseinander zu setzen. Der in der Schweiz lehrende, in Banja Luka geborene und im Frankenland aufgewachsene Schlagzeuger Dejan Terzic war jedenfalls hellwach, als er sich an das zu erinnern versuchte, was sich so in seinem Schädel abspielt, während er sein Haupt auf das Kopfkissen bettet. Er hat eine ganz ausgeschlafene Musik komponiert, die im wahrsten Sinne des Wortes traumhaft ist.
Ein feuchter Traum („Hot Dream“) war im Repertoire übrigens auch dabei. Doch der Gentleman schweigt und genießt. Etwas mitteilsamer war der Schlagzeuger, als er die anderen Stücke erklärte. Er nahm die sechshundert Zuhörer durch eine verwunschene spanische Stadt mit, wollte Gerechtigkeit für Eleanor Rigby, lebte seine Tagträume aus und führte uns vor, was passiert, wenn sich im Schlaf die schlechten Gedanken so auftürmen, dass ein Trauma daraus wird. Die Musik dazu sponn feine Stimmführungs-Netze, war auf liebenswerte Weise unwirklich, entwickelte einen ganz eigentümlichen Reiz, war höchst verspielt und doch auf ganz erwachsene Art von einer inneren Logik bestimmt.
Eine Traum-Besetzung hat sich Dejan Terzic für sein Projekt zusammen gestellt. Am Altsaxofon: der Neuseeländer Hayden Chisholm – der Lee Konitz der Neuzeit. An der Gitarre: Ronny Graupe – der wichtigste Stilist, den die deutsche Jazz-Szene in den letzten Jahren an dem Instrument hervor gebracht hat. Am Piano: Achim Kaufmann – einer der wandelbarsten Klavierspieler unserer Tage.
Diese vier Musiker schafften es, dass selbst ein Alp-Traum nicht zum Fürchten war. Im Gegenteil: trotz kurzer freitonaler Entladung blieb er eine Freud.
Der BMW Welt Jazz Award wird am 17. Februar (11 Uhr) mit dem Samuel Rohrer/ Daniel Erdmann Quartett fortgesetzt.