Kramt man im Web nach dem Begriff, werden einem zunächst zwei Definitionen angeboten: Die eine aus dem Bereich des Druckwesens ist sozusagen des Verlages täglich Brot: das Festlegen von Seiten-, Spalten- oder Zeilenenden in einem Text. Gleich die zweite kündigt eine Veränderung an, die grundlegend und folgenreich ist. Vor fünfzig Jahren widerfuhr unserem Intelligenzblatt beides gleichzeitig.
Es geschah, von längerer Hand vorbereitet, zum Jahreswechsel 1968/69: Die „Musikalische Jugend“, das Stammblatt des seinerzeit wohl agilsten und fortschrittlichsten gleichnamigen Jugend-Musikverbandes wurde umgetauft in „Neue Musikzeitung“ (nmz). Keineswegs wollte man sich von der Dynamik des Weikersheimer „Mutterhauses“ distanzieren. Vielmehr war vom politischen Aufbruch der mittleren 60er-Jahre, von Reformen und Visionen an vielen Stellen im staubig-braven Musik-Winkel kaum etwas zu spüren. Hier wollte die nmz mit jungen Autorinnen und Autoren, mit Mut zum Anpacken heißer Eisen frischen Wind in den Muff von teils immer noch tausend Jahren verschorft-elitärer Musikausbildung, teils reaktionärer Kulturpolitik pusten.
Mit Eckart Rohlfs als Verbands- und Pädagogik-Profi, den beiden „Kläusen“ Bernbacher und Hashagen, gleichermaßen Kenner der kulturpolitischen Szene und der zeitgenössischen Musik, sowie Gerhard Rohde als gestandenem Feuilleton-Journalisten scharte Verleger Bernd Bosse eine gut gemischte, kompetente Kernmannschaft um sich, deren Arbeit auflagebezogen rasch schöne Früchte trug. Zwar galt der von uns proklamierte und realisierte „Musik-Journalismus“ bei den älteren Professores und Verbands-Präsidenten eher als degoutant und unseriös. Der Begriff „Musikpolitik“ wurde als unterirdische Schändung der holden Muse empfunden. Aber die von der nmz aufgegriffenen Themen, die dadurch ausgelösten Diskussionen brachten teils wutgenerierte, teils vernünftige Bewegung in erstarrte Institutionen wie den damaligen Deutschen Musikrat, (seinerzeit auch als elitäre Schnarchsack-Zentrale diffamiert).
Unvergessen im Streit um die Ausrichtung der damaligen „Darmstädter Schule“ der Brief des Kursleiters Friedrich Hommel an Bernd Bosse, die Gesamtauflage der nmz (immerhin gut 20.000) dem Verleger „mit der Mistkarre vor die Tür zu kippen“. Gerade im Bereich der Musikerziehung formierten sich innovative Kräfte, die in der nmz gern über ihre Erfahrungen berichteten und stritten. Durchaus mit positiven Wirkungen auf die Ausbildung von der musikalischen Früherziehung bis in die Musikwissenschaft. Allerdings entwickelte sich das bewusst weitgespannte Themenspektrum unseres Blattes in jüngerer Zeit – die aus durchschaubaren Gründen weg von der „Bewusstseins-Erweiterungssehnsucht“, der kommerzfernen Wertschätzung eines „Studium Generale“ im Sinne vieler „68er“ strebt – fast schon als geschäftsschädigend. Im Unterschied zum Aufbruch, den vielen Umbruchs-Facetten, die wir den ewig gescholtenen, diffamierten „68ern“ bis heute verdanken, ist die bildungspolitische Kehrtwende zur raschen ökonomischen Verwertbarkeit des „Menschen-Materials“ ein kulturgeschichtlicher Abbruch. Zeit für einen baldigen Umbruch, gefolgt von radikalem Aufbruch. Hierzu Stoff in diesem Heft – und folgenden.