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According to Juliet: Beate von Hahn (Sopran), Stefanie Schumacher (Akkordeon) und Alessandra Warnke (Flöte). Foto: Bettina Diel
According to Juliet: Beate von Hahn (Sopran), Stefanie Schumacher (Akkordeon) und Alessandra Warnke (Flöte). Foto: Bettina Diel
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Unbequemes Drama mit Potenzial: Laurence Traigers „According to Juliet“ in Bernried

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Ein rein zeitgenössisches Programm in ländlicher Region weitab einer Großstadt: Das hat Seltenheitswert. Die Geschichte von Romeo und Julia, die Laurence Traiger als „According to Juliet“ 2006 vertont hatte, fand im Barocksaal des Klosters Bernried zwar wenig Publikum, dafür aber eine reizvolle Atmosphäre im galanten Spätbarock. Die ursprünglich an die Aufführung gekoppelte Videoprojektion und Kostümierung der Protagonistinnen fand hier nicht statt, Beate von Hahn (Sopran), Alessandra Warnke (Flöte) und Stefanie Schumacher (Akkordeon) tasten sich nach längerer Pause wieder neu an das Werk und seine musikdramatischen Möglichkeiten heran.

Der aus den USA stammende Komponist Laurence Traiger (*1956 New York) hatte „According to Juliet“ für dieses Ensemble komponiert. Nachdem Warnke dann nach Barcelona gezogen war und die Musikerinnen keinen in der Chemie gänzlich harmonierenden Ersatz fanden, musste das Werk erst einmal ruhen. Jetzt ist das Ensemble wieder zusammen und überzeugte auch mit müheloser Homogenität im Zugriff. Und das ist bei diesem Werk entscheidend, da Traiger hier eine ungewöhnliche Rollenkonstellation konzipiert hat: Die Gesangsstimme verläuft in einer geradezu konzertanten Gewichtigkeit fast nahtlos durchs ganze Werk. Es gibt hier so gut wie keine rein instrumentalen Passagen, keine Zwischenspiele oder Ausklänge. Der Gesang dominiert, ist dramatische Linie und Ausdrucksträger zugleich.

Beate von Hahn bewies auch reichlich Kraft, den Erzählerpart mit fesselnder, geradezu deklamatorisch nachdrücklicher Intensität klar von der immer wieder auch melodiösen Rolle der verliebten bis unglücksseligen Julia abgesetzt ohne Ermüdung bis zum letzten Ton auszusingen. Allerdings auch ohne in die Rollen zu schlüpfen, in Gestik und Mimik distanziert. Die liedhafte Auffassung, die der altenglischen Tradition nachempfunden ist, steigerte Traiger mit einer Verdichtung emotionaler Nachdrücklichkeit, die den Gesangspart zu einem Kraftakt machen.

Der altenglische Text ist der 1562 von Arthur Brooke geschriebenen „The Tragicall Historie of Romeus and Juliet“ entnommen, auf die sich Shakespeare später gestützt hatte. Diese Urfassung ist aus der Sicht von Julia erzählt, was Traiger in der Komposition mit der Fokussierung auf diese Rolle verdeutlichte. Dem entspricht auch die Szenenwahl: „Introductions“, „Garden Scene – Secret Wedding – Love Scene“, „Fight, Resentment, Reconciliation“ und „The Mixture (Potient) – Death of Juliet“.
Demgegenüber ist der instrumentale Part in seiner Reduktion auf wenige Elemente geradezu karg, zudem extrem unselbständig. Würde man die Singstimme weglassen, blieben rudimentäre, unzusammenhängende Ton- und Klangfetzen übrig. Für Warnke und Schumacher eine besonders schwierige Aufgabe, die Stimme so ins Ensembleklangbild einzubinden, als wäre es ein führendes Instrument im Trio. Das Akkordeon bildet die harmonische und rhythmische Grundlage, die zugleich mit nur wenigen, elementaren Mitteln Atmosphäre zu schaffen und der Expression vor allem in den Tiefen Grundlage und Volumen zu bieten hat.

Stefanie Schumacher stand bisweilen nur ein Ton, ein Intervall oder ein rhythmisierter Akkord zur Verfügung, um mit sensibel differenzierter Dynamik und plastischer Formung der Klangintensität die Aufgabe zu meistern. Die Flöte hat in diesem Werk indes eine doppelte Funktion. Einerseits mäandert sie eng an der Gesangsstimme mit virtuosen Figuren. Andererseits ergänzt sie die Klangfärbungen und Stimmungen, um die funktionale Distanz zwischen Gesang und Akkordeon zu überbrücken.

Derart mit dem unbequemen Werk vertraut, war es den Musikerinnen möglich, ihm Geschlossenheit und Eindringlichkeit zu verleihen, aber auch Potenziale aufzudecken, die es insbesondere in der dramatischen Differenzierung noch zu erschließen gilt.

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