Eine Posse ist es, die vor allem die Politik des Landes Sachsen-Anhalt nicht gut dastehen lässt. Der Generalintendant des von seinem Land arg gebeutelten Anhaltischen Theaters Dessau verbreitet über Twitter einen Aufkleber auf dem das Landeswappen zu sehen ist und darunter der Spruch: „Wir sparen uns früher dumm“ und bekommt dafür juristische Haue.
Er solle das unterlassen, denn es handle sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden könne. „The Imperium Strikes Back“ (das Imperium schlägt zurück) möchte man meinen. Aber in Wirklichkeit probiert man wieder Gängelungsmethoden aus und schaut, ob die Bürger sich anpassen.
Diesen Aufkleber mit dem neuen Landesmotto kann man jetzt auch bei @anhaltisches bestellen! #5vor12 pic.twitter.com/sLWUFuGMmD
— André Bücker (@andrebuecker) September 5, 2013
Das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt hatte offenbar die Sommerferien nicht zur Besinnung genutzt sondern sieht in der Unterzeile „Wir sparen uns früher dumm“ offenbar eine „gewollte politische Meinungsbekundung“, die man nicht dulden dürfe (im Zusammenhang mit der Verwendung des Landeswappens).
Intendant Bücker schwankt noch dazwischen, es als offensichtliche Satire oder als Tatsachenbehauptung auszulegen.
Das wir uns hierzulande dumm sparen, ist also eine "gewollte politische Meinungsäußerung". Keine Tatsachenbehauptung?http://t.co/zo7EQPiXQl
— André Bücker (@andrebuecker) September 10, 2013
Einmischung beim Polizeiruf, rechtliche Schritte für Satire, Bußgelddrohung für Flugblätter: Demokratie à la Sachsen-Anhalt.
— André Bücker (@andrebuecker) September 10, 2013
Ich denke: Beides ist richtig. Es ist Tatsache und das Verhalten des Innenministeriums (Strafwut) wie des Kultusministeriums (Sparwut) ist Satire.
Innenministerium droht mir rechtliche Schritte wegen "Sachsen-Anhalt-Wir sparen uns früher dumm" an. So weit geht es schon, passt ins Bild.
— André Bücker (@andrebuecker) September 10, 2013
Keine Probleme hat man an oberster Stelle hingegen mit dem selbstgewählten Landesmotto „Land der Frühaufsteher“ mit dem man sich über seine eigenen Bürger lustig macht, sie nämlich auf eine der unwichtigsten Eigenschaften politisch-kulturellen Handelns reduziert, nämlich auf Nichts.
Ach, würden die politisch Verantwortlichen vielleicht einfach mal ausschlafen, würden sie sich nicht so sehr vor der ganzen Kulturwelt und den anderen politisch denkenden Menschen blamieren. Auf der Website des MDR wird Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert zitiert, der Vorgang sei „lächerlich, und wenn man nochmal drüber nachdenkt peinlich“. Auch die anderen Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt distanzieren sich zum Teil deutlich von diesem Vorgehen des Innenministeriums.
Man kann nur hoffen, dass der Generalintendant nicht einknickt sondern im Zweifel bis vors höchste Gericht zieht. Denn, wenn man die Dinge nicht mehr beim Namen nennen darf, wenn man nicht mehr sagen darf, wer Ross ist und wer Reiter, dann haben wir den Extremfall einer politischen Gängelung erreicht, dann ist es nicht mehr weit zur Zensurbehörde. Wir wissen, einige im Lande hätten dagegen nichts einzuwenden.
Aber jetzt gibt es erst einmal ein hochachtungsvolles Küsschen aufs Wappen und dann: „Gute Nacht.“
[Update 15:33, 12.9.2013] Der Generalintendant antwortet dem Innenministerium:
Auf vielfachen Wunsch hier die Anwort unseres Generalintendanten André Bücker auf die Bußgeldandrohung des Innenministeriums im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Heinrich,
liebes Referat Verwaltungsverfahren, Datenschutz, Wiedergutmachung und Archivwesen,
vielen Dank für Ihre freundliche E-Mail vom 10.09.2013 zu meinem bei Twitter veröffentlichten Foto des Aufklebers mit der Aufschrift „Sachsen-Anhalt – Wir sparen uns früher dumm“.
Ich danke Ihnen, dass Sie sich damit direkt in die Debatte über die Zukunft Sachsen-Anhalts eingebracht haben. Ich möchte Ihnen jedoch widersprechen, dass es sich bei dem Aufkleber, der weder von mir erdacht, noch im Auftrag des Anhaltischen Theaters Dessau produziert worden ist, um eine Nutzung des Landeswappens in Verbindung mit einer „gewollten politischen Meinungsbekundung“ handelt. Vielmehr halte ich die Aussage „Sachsen-Anhalt – Wir sparen uns früher dumm“ angesichts der momentanen Kultur- und Bildungspolitik für eine Tatsachenbehauptung.Darüber hinaus kann ich nicht verhehlen, dass ich, gelinde gesagt, irritiert bin, wenn mir schriftlich aus dem Innenministerium mitgeteilt wird, dass für meine Meinungsäußerung das Grundgesetz Artikel 5 Abs. 1 nicht gelte. Meiner Meinung nach sollte man staatlicherseits gelassener mit Kritik und Satire umgehen können. Missliebige Äußerungen von Kritikern mit Strafandrohungen zu belegen ist kein gutes Signal, zumal es angesichts der tiefgreifenden Entscheidungen, die in der Landespolitik zurzeit diskutiert werden, selbstverständlich ist, zu protestieren, zu demonstrieren und sich auch mittels Satire am demokratischen Diskurs zu beteiligen. Insofern wäre das Land in Politik und Verwaltung m. E. gut beraten, nicht die Kritiker zu verfolgen oder Demonstranten zu diffamieren.
Nun zu Ihrer Aufforderung, die Abgabe der Aufkleber zu unterlassen. Dank der durch Ihr Schreiben in Gang gesetzten Werbekampagne für diese Aufkleber sind sie bei uns restlos vergriffen. Deshalb ist es mir nicht möglich, weitere in Umlauf zu bringen. Wir werden uns aber, inspiriert durch viele, viele Reaktionen und das große Interesse, dass inzwischen sogar internationale Medien erreicht hat, sicher weitere kreative Aktionen einfallen lassen, mit denen wir das momentan gültige Landesmotto „Sachsen-Anhalt – Wir sparen uns früher dumm“ weiter verbreiten werden.
André Bücker
Generalintendant