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Titelseite der nmz 2018/05.
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Ver-Formungen

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Theo Geißler über der die das!
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Was zerrüttet eine gestandene Musikzeitschriften-Redaktion aufs Heftigste? Der Streit um Christian Thielemanns Dirigierkünste? Heißt es „der“ oder „das“ Echo? Macht Musizieren auch Kollegahs intelligenter? Weit gefehlt! Gelegentlich lodernd, gelegentlich schwelend, aber immer allgegenwärtig erschüttert ein ganz anderes grundlegendes Thema unser journalistisches Gefüge. Und oft genug kommt flammende Kritik von außen, von unseren Leser*innen und Lesern (ist das jetzt korrekt?). Wie erreicht man Gleichberechtigung, wie emanzipierte Formulierungen aller erdenklichen geschlechtlichen Orientierungen im von uns reichlich produzierten Schrifttum?

Seit ich als ehrenamtlicher Musikhochschulrat schon mal in den Genuss geraten war, eine Hochschulsatzung (zirka 30 Seiten, Zeitaufwand 21 Stunden) „durchzugendern“, bin ich offen gestanden etwas unsicher geworden. Gleichermaßen was die finale Lesbarkeit, wie auch die Geschliffenheit der Sprache betrifft, scheint mir die Präzision der Aussage aufgrund allumfassender sexueller Anpassung in Artikeln, Substantiven, Pronomina et cetera beeinträchtigt. Nun mag man mir vorwerfen, ich sei unter anderem ein verschorfter, lernunfähiger Altsprachler, seit Jahrzehnten machomäßig deformiert – und da kann was dran sein…

Freilich könnten wir es uns leicht zu machen versuchen, wie die Kolleg*innen und Kollegen manch anderen durchaus auch kulturell angehauchten Print-Produktes. Da findet sich dann verschämt in einer Mikro-Perlschrift zum Beispiel im Impressum von „Politik & Kultur“ der Satz: „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird manchmal auf die zusätzliche Benennung der weiblichen Form verzichtet. Wir möchten deshalb darauf hinweisen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form explizit als geschlechtsunabhängig verstanden werden soll“.

Also bitte: Welche weibliche Form ist denn da gemeint? Ich ahne Modisch-Sexistisches unter Körbchen und Slips. Das genau ist jener möchtegern-verschleierte schmutzige männliche Voyeursblick. Dagegen aber die „männliche Form“ hervorzuheben und als „geschlechtsunabhängig“ zu deklarieren, erscheint mir doch als entweder sehr oberflächlich oder gar bösartig tiefschürfend. Unserer(em) Verleger*innen-Verleger-Gender-Beauftragt*innen-Beauftragten drängte sich – wie er, sie, es beim Jour Fixe fein formulierte, sofort das Bild einer „Missionarsstellung“ auf. Mission im Sinne eines männlichen Dominanzfeldzuges. Sollten Sie diesen Eindruck teilen, bitten wir – durchaus in Form eines umfassenderen Votings – um Stellungnahme.

Was die Gleichberechtigung der Geschlechter betrifft, betrachten wir die aktuelle Entwicklung mit viel Genugtuung. So erhöhte sich beispielsweise die Zahl der Verantwortungs-Träger*innen beim Musikrats-Präsidium um zirka 60 Prozent von eins auf drei (bei neun eher als männlich zu bezeichnenden Mitgliedern). Und wir sind im Rahmen zunehmenden Gender-Fluids und vielseitiger sonstiger sexueller Ausprägungen der ausgesprochen guten Hoffnung, dass sich unsere Formulierungsprobleme mit der Egalisierung alles Geschlechtlichen in der Musik zu einem höchst harmonischen C-Dur-Sütterlin befrieden wird.

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