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Berstende Gemäuer auf der Drehbühne: Respighis „Marie Victoire“ an der Deutschen Oper Berlin. Foto: Barbara Aumüller
Berstende Gemäuer auf der Drehbühne: Respighis „Marie Victoire“ an der Deutschen Oper Berlin. Foto: Barbara Aumüller
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Vergnügliche Revolution: Respighis „Marie Victoire“ an der Deutschen Oper Berlin

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Die Aufführungsgeschichte von Ottorino Respighis vierter Oper „Marie Victoire“ ist extrem kurz: 1915 in Rom angekündigt, dann aber – wohl aufgrund der Außenpolitik des Ersten Weltkrieges – abgesagt, verlor auch der Komponist sein Interesse daran, und erst im Jahre 2004 erfolgte durch Gianluigi Gelmetti in Rom die Uraufführung, der nun, als zweite Inszenierung, die Deutsche Oper Berlin folgte.

Edmond Guirauds Schauspiel und Libretto erzählt vom adligen Ehepaar Marie Victoire und Maurice, die im Zuge der Revolutionswirren getrennt werden und sich gegenseitig für tot halten. Am Abend vor ihrer anberaumten Hinrichtung gibt Marie sich Clorivière, einem Freund ihres Gatten hin. Am nächsten Morgen, nach Robespierres Tod, werden die Adligen gerettet.

Sechs Jahre später erscheinen bei der als Inhaberin einer Putzmacherei in Paris lebenden Marie zunächst Clorivière, der Vater ihres sechsjährigen Knaben und kurz darauf ihr tot geglaubter Gatte. Clorivière macht einen Attentatsversuch auf Bonaparte, aber Maurice stellt sich der aufgebrachten Menge, als er erfährt, dass er nicht der Vater von Maries Kind ist. Vor dem Tribunal bekennt Clorivière seine Tat und erschießt sich; das Ehepaar hat sich wieder.

Respighi hat daraus eine Verismo-Oper geschaffen, mit Gewehrsalven und Explosionsdonner und zugleich eine Partitur des Überganges zum Decadentismo, farbenreich instrumentiert, und mit seltenen, aber um so wirkungsvolleren, ariosen Szenen der Titelheldin. In Dramaturgie und artifizieller Dichte kann sich Respighis Oper neben den bekannten Revolutionsopern, wie Giordanos „Andrea Chenier“, Poulencs „Dialogues des Carmelites “, von Einems „Dantons Tod“ und Aubers „La Muette de Portici“ behaupten, und hinsichtlich ihrer Besonderheiten auch neben den seltener gespielten Opern dieser Gattung, wie Mascagnis „Il Piccolo Marat“, Massenets „Therése“, Kienzls „Kuhreigen“, d’Alberts „Revolutionshochzeit“ und Johann Friedrich Kittls „Bianca und Giuseppe“ (auf ein Libretto von Richard Wagner).

Besonders gelungen erscheinen in „Marie Victoire“ die musikalischen Bezüge zum Rokoko; das beginnt mit dem repräsentativen Menuett auf dem Spinett und dem wiederholt gesungenen Kinderlied „Il pleut, il pleut bergère“ und gipfelt in einer partiellen Aufführung von Rousseaus „Le Devin du Village“, einem Spiel im Spiel, mit dem die lebens- und liebeslustige Adelsgesellschaft sich ihre Tage im Gefängnis, bis zur Hinrichtung durch die Guillotine, vertreibt. Und natürlich fehlt auch das „Ça ira“, die Marseilleise nicht.

Ursprünglich war Katharina Wagner als Regisseurin dieser Oper angekündigt (ihre Absage erfolgte nach Übernahme der Bayreuther Festspielleitung), und ihre Inszenierung hätte der vieraktigen Oper des vom Duce vorrangig geschätzten Komponisten Respighi – als Pendant zu Hitlers Vorliebe für Richard Wagner – durchaus ein Profil geben können.

Leider verschenkte Film-Altmeister Johannes Schaaf mit gleichermaßen gefälligen, wie beliebigen, historisierenden Arrangements die dieser Opernhandlung durchaus innewohnende Brisanz. Dass eine bald darauf abtrünnige Bedienstete zum Aufhängen der Betttücher (Hauptaktion in Akt 1) auch auf ein Polstermöbel steigt, ist beiläufig wohl eher ein Versehen, so wie der Wiedereinsatz eines der Polsterstühle dieses Schlosses im fidelen Gefängnis.

Der Einheitsgrundraum eines berstenden Gemäuers auf der Drehbühne (Bühne: Susanne Thomasberger) ist schon für den ersten Akt, die noch heile Welt des Adels, unglücklich gewählt, und wirkt durch die angestückelten Stellwände für einen Hutsalon à la „Hello Dolly“ im dritten Akt ebenso peinlich, wie das Verdunkeln für die Explosion der Attentäter-Bombe und das Lacher auslösende, verspätete Fallen der Gardinen.Nun, trotz vieler Toter endet die Oper ja mit der Wiedervereinigung des Ehepaars, und für ein Stück mit Happy-End schien dem Regieteam offenbar Komik nicht fehl am Platz.

Musikalisch hingegen ist diese Aufführung erstklassig: Mihail Jurowski arbeitet mit großem Atem die dramatische Stringenz der dreieinhalbstündigen, in französischer Sprache gesungenen Aufführung heraus. Aus dem 25-köpfgigen Solistenensemble seien hier nur drei erwähnt: der amerikanische Bassbariton Stephen Bronk schafft das anrührende Psychogramm des begeistert revoltierenden Gärtners Cloteau, der gleichwohl seine Herrschaften liebt und ihnen durch Dick und Dünn die Treue hält. Bariton Markus Brück als zu spät heimkehrender Gatte Maurice schafft eindrücklich den Bogenschlag zu Hermann Wolfgang von Waltershausens Oper „Oberst Chabert“, die in der nächsten Saison auf dem Programm der Deutschen Oper Berlin stehen wird.

Und – obgleich eine farbige Besetzung der Titelpartie in einer ungebrochen historisierenden Inszenierung dem Zuschauer wiederholt falsche Assoziationen aufdrängt, siegt – nomen est omen – als Marie Victoire auf ganzer Linie die reizvoll timbrierte amerikanische Sopranistin Takesha Meshé Kizart, mit großem Volumen und intensiver Darstellung. So löste auch der in Italien weniger geschätzte zweite Akt – noch vor Verklingen – Ovationen des Publikums aus.

Hinweis: Die Premiere von „Marie Victoire“ strahlt Deutschlandradio Kultur am Samstag, dem 11. April um 19.05 aus.

 

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