Der Komponist Gottfried Huppertz, dessen Partitur zur vervollständigten „Metropolis-Fassung bei der Berlinale gefeiert wurde, soll sich ursprünglich geweigert haben, die Musik zu Fritz Langs Monumentalfilm-Epos „Die Nibelungen“ zu komponieren, als einer unerfüllbaren Aufgabe angesichts des Vergleichs mit Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“.
Dann aber hatte er – zwar nirgends belegt, aber doch deutlich hörbar – den rettenden Einfall, zur fragmentarisch hinterlassenen letzten Oper von Wagners Intimfreund Peter Cornelius zu greifen. Dessen „Gunlöd“, 1866 begonnen, stützt sich, wie Wagner, auf die Edda, dies aber bereits elf Jahre vor der Uraufführung von Wagners „Ring“ und 22 Jahre vor der Uraufführung des „Parsifal“, der in dieser Oper nicht nur mit der Schlussanweisung thematisch vorweggenommen wird, wenn Odin die Schale mit dem göttlichen Blut „weihend emporhebt, während der Vorhang fällt“.
Zu den besonderen Schönheiten von Cornelius’ letzter Oper gehört im ersten Akt das „Andante mosso e misterioso“, a cappella, beginnende und sich dann gewaltig steigernde Terzett von Gunlöd (Sopran), dem als Bölwerk verkleideten Odin (Tenor) und dem Riesen Suttung (Bass): „Heiliger Meth, Unsterblichkeitstrank, Wanenblut, berauschend süßes“. Dieses breit ausgesponnene Thema von Peter Cornelius (1824–1878) verwendet Huppertz (1887–1937) bei der Blutsbrüderschaft von Siegfried und Gunther – und gebraucht es dann in seiner Partitur als besonders häufig verwendetes Thema, etwa immer dann, wenn in der nonverbalen Handlung von Blut oder von Familie die Rede ist, aber beispielsweise auch, wenn Siegfried den Brunhild entwendeten Reif an Kriemhilds Arm entdeckt. Huppertz’ Anleihe an Wagner hingegen beschränkt sich auf Klangfarben-Allusionen.
Wagnersche Quasi-Zitate, die das Plagiat witzig, aber nur knapp umschiffen, hatte Giuseppe Becce in seiner Partitur zu Carl Froelichs Stummfilm „Richard Wagner“ (1913) ungleich treffender zu setzen vermocht. Erst im zweiten Teil der „Nibelungen“, in „Kriemhilds Rache“, vermochte Huppertz, nun von Wagners Vorbild frei, für die Welt der Hunnen eine ungleich inspiriertere, klangvoll schillernde Musik zu komponieren. Besondere Höhepunkte bildet aber auch im zweiten Teil der „Nibelungen“, neben einigen impressionistischen Einsprengseln, immer wieder die in ihrer Instrumentation zumeist veränderte, in Dur und in Moll ertönende Thematik des Wanenblutes aus „Gunlöd“. Peter Cornelius’ Oper war in den diversen postumen Bearbeitungen (von Karl Hoffbauer, Eduard Lassen und Max Hasse) kein langes Bühnenleben beschieden; die Uraufführung der Originalfassung erfolgte erst 1989; außer einer partiellen Rundfunkausstrahlung, 1991 im NDR, fand auch sie wenig Nachhall.
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hat die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung einen Spielfilm von Fritz Lang mit Musik von Gottfried Huppertz aufwändig restauriert. Anhand der Eintragungen in Huppertz’ Partitur wurden für die Komplettierung fünfzehn zeitgenössische Filmmaterialien und auch die Kameranegative herangezogen. Anschließend wurde der Film im historischen Verfahren viragiert, so dass er nun – mit Ausnahme einer Traumsequenz in Blau – im ursprünglichen orangefarbenen Ton zu erleben ist. Erstmals ist auch zu sehen, dass Kriemhild (Margarethe Schön) weder einen Liebestod stirbt – wie Brunhild (Hanna Ralph) an der Leiche von Siegfried (Paul Richter) – und auch nicht an Erschöpfung nach vollbrachter Rache an Hagen (Hans Adalbert Schlettow), sondern am Schwerthieb eines Gefolgsmanns von König Etzel (Rudolf Klein-Rogge).
Dramaturgisch fragwürdig erscheint in Thea von Harbous Drehbuch ab Mitte des ersten Teils die Gleichsetzung der Wormser mit den Nibelungen – ein Fehler, der allerdings bereits bei Hebbel und in der auf Hebbels Drama Bezug nehmenden Operette „Die lustigen Nibelungen“ von Rideamus und Oscar Straus anzutreffen ist.
In der Deutschen Oper Berlin, wo neben der „Ring“-Inszenierung von Götz Friedrich auch ein getanzter „Ring um den Ring“ von Maurice Bejart im Repertoire ist, stand bereits in der Spielzeit 1984/85 der „Nibelungen“-Film auf dem Spielplan, damals allerdings nur mit Klavierbegleitung, stärker gekürzt und mit einer rascheren Bildgeschwindigkeit (22 statt 20 Bilder pro Minute), was häufig für Heiterkeit gesorgt haben soll. In der Uraufführung der restaurierten Neufassung mit großem Orchester gab es nur handlungsbedingte Lacher (Intrige Hagens mit der leichtgläubigen Kriemhild), aber auch hörbares Befremden bei Zwischentiteln mit Berufung auf die Deutsche Treue. Die Uraufführung von „Siegfried“ war am 14. Februar 1924, die von „Kriemhilds Rache“ am 26. April 1924 im Berliner Ufa-Palast am Zoo, also wenige Monate vor Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele, nach kriegsbedingter, zehnjähriger Unterbrechung. Historisch nicht unbedenklich wirkt am Anfang beider Filmteile die fett geschriebene, plakative Widmung „Dem deutschen Volke zu Eigen“, als ein Pendant zur Nationalisierung der Festspiele in begleitenden Publikationen des selben Jahres.
Frank Strobel ist in seinem Dirigat stets derartig synchron, dass es beinahe schon wie ein Fehler wirkt, wenn Volker (Bernhard Goetzke) seinen letzten Gesang anstimmt, ohne dass man eine Stimme vernimmt. Mit dem im Orchestergraben der Deutschen Oper Berlin eng zusammengepferchten hr-Sinfonieorchester führt er die mehr als fünfstündige Film-Partitur ohne Ermüdungserscheinungen zu einem emphatisch gefeierten, triumphalen Erfolg.
Die Koproduktion von Arte, ZDF und Hessischem Rundfunk soll Ende dieses Jahres im Fernsehen ausgestrahlt werden.