Beim siebenten Festival „The Look of the Sound“ in Bremen waren wieder Filmemacher, Redakteure, Musiker und viele weitere Berufe zu Gast, die mit dem Produzieren, Machen und Vertreiben von Musikfilmen zu tun haben. Dabei geht es der künstlerischen Leiterin und Organisatorin Katrin Rabus nach wie vor nicht um Filme, die irgendwelche Sinfoniekonzerte oder Opernaufführungen mit ein paar Kameras live übertragen. Es geht in Zusammenarbeit mit den Sendern ARD, ZDF, DW und ARTE um die Frage, was für die Information und Vermittlung von Musik über das Bild und den Film im Fernsehen getan werden kann.
Anhaltendes Problem bleibt dabei, dass die öffentlichen, aber auch die privaten Sender mit der Argumention fehlender Einschaltquoten kaum musikspezifische Filme und/oder Dokumentationen übertragen . Katrin Rabus' Festival lebt davon, dass Orchestermanager Filmemacher treffen, Musikwissenschaftler populäre Autoren, Dokumentarfilmer Musiker, Redakteure ganz einfach ihre Hörer, Dirirgenten Komponisten. Es macht die Besonderheit des Festivals aus, dass es immer offenbleiben kann (und bleibt), ob solches bei Kaffee und Wein stattfindet oder in korrekt anberaumten Podiumsdikussionen, Konzerten, Filmvorführungen und Vorträgen. Außerdem ist immer die Möglichkeit, sich einen Film aus dem Archiv auszusuchen und anzusehen: über tausend Filme hat Rabus inzwischen gesammelt und damit ein einzigartiges Archiv in Europa.
Der Musikwissenschaftler Ulrich Mosch aus Basel behandelte in seinem Vortrag „Musik hören – Musik sehen“ vielschichtig, dass jegliche Visualisierung natürlich die akustische Wahrnhemung manipuliert und verändert. Doch was will der Hörer hören und sehen? Dorothee Enderle vom SWR 2 berichtete von den (seit 2005) erfolgreichen Versuchen, das berühmteste Uraufführungsfestival in Europa, Donaueschingen, an einem Wochenende komplett live zu übertragen. „Es lässt sich“, sagte sie, „durchaus das Gefühl herstellen, die Hörer seien bei etwas Einmaligem dabei“. Aufschlussreich auch die Diskussion über neue Formate wie Annettes Dasch-Salon, in dem die wunderbare Sängerin ihren Gästen Schumann mit allen Mitteln nahebringen will oder mit ihnen zusammen Verdi singt. Das entfachte eine erhitzte Diskussion über die die Frage, was als „Didaktik“ alles zulässig ist. Insgesamt hat man ja nicht selten das Gefühl, das Menschen zu etwas überredet werden sollen, was sie eigentlich gar nicht hören wollen.
Von den sehr unterschiedlichen Filmen, von denen man in Rabus' Festival eigentlich nie genug kriegen kann, fiel Ellen Fellmanns Film „Musik ohne Heimat“ auf, den sie 2010 für den WDR drehte: „Hanns Eisler: Deutsche Sinfonie“ brachte mit dem Dirigenten Michael Luig neue Aspekte in das Denken und die Philosophie Eislers. Dann gab's den Mitschnitt von Wagners „Rienzi“ aus der Deutschen Oper Berlin (Arte und ZDF), Uli Aumüllers schön-intellektuellen „Heimat Bach“, Robert Cibis und Lilian Francks hinreißenden Film über den Klavierstimmer Stefan Knüpfer „Pianomania“, Eric Schulz' „Spuren ins Nichts“, mit dem der junge Mann sich auf die Suche nach den Spuren Carlos Kleibers begibt. Hier allerdings klaffte fast erschreckend auseinander, was der Regisseur aus familiären Rechtsfragen alles nicht durfte (bestimmte Aufnahmen, Länge der Beispiele, keine Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern), was es aber in kaufbaren DVDs durchaus gibt. Eine traumhaft schöne Dokumentation der großen, 2008 verstorben Anti-Apartheit-Kämpferin Miriam Makeba von Mika Kaurismäki: „Mama africa – Miriam Makeba“ ergänzte das Programm.
Ein Porträt über den 1948 geborenen Filmemacher Janos Darvas litt enorm unter dessen nuscheligen und unverständlichen Art zu sprechen – da konnte auch der Moderator Ulrich Mosch nichts ausrichten – , zeigte aber eine Menge wunderbaren Filme: unvergesslich der Schluss der neunten Sinfonie von Gustav Mahler, der sich nur auf dem Gesicht von Claudio Abbado abspielt oder eine Probe mit György Kurtág, dessen Forderungen oft das Menschenmögliche zu übersteigen schienen.
Rabus Herzensveranstaltung, ein Doku-Konzert mit Filmdokumenten von und über John Cage von Frank Scheffer, nach dem Zufallsprinzip („wir wissen nicht, wie das hier ausgeht“, so Scheffer) gemischt mit Cage'scher Live-Klaviermusik, gespielt von Steffen Schleiermacher, funktionierte leider nicht, war einfach langweilig. Daran änderten auch guter Einzelmomente nichts: das einfühlsame Spiel von Schleiermachen, die filmischen, verbalen Ausführungen von Cage und die witzigen Filme von Scheffer, darunter sein „Drei-Minuten-Ring“, den Cage einst anregte.