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Ein Schmid, der klar artikuliert: Oliver Zwarg (Smee) und Herren des Opernchores. Foto: Theater Chemnitz
Ein Schmid, der klar artikuliert: Oliver Zwarg (Smee) und Herren des Opernchores. Foto: Theater Chemnitz
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Voller Schlagkraft, aber unerlöst: Schrekers „Der Schmied von Gent“ in Chemnitz

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In Chemnitz stand erstmals seit 1921 eine Oper Franz Schrekers auf dem Spielplan. Nach der Berliner Staatsoper und den Bühnen in Bielefeld erfuhr Schrekers letztes vollendetes Werk „Der Schmied von Gent“ damit erst die dritte Produktion seit dem erzwungenen Verklingen dieses Komponisten im NS-Staat. Kurz vor Machtantritt Hitlers hatte diese Große Zauberoper in Berlin noch ihre umstrittene Premiere erlebt.

Dabei hatte der Komponist gerade mit diesem Werk, das erstmals seit seiner Jugendoper „Flammen“ keiner eigenen dramatischen Vorlage folgt, die Absicht, „einmal ein ganz primitives, naives Theaterwerk zu schreiben, eine Oper für Jedermann“ und wählte als Vorlage Charles De Costers „Smetse Smee“, das Märchen vom flämischen Schmied und Freiheitskämpfer, der sich dem Teufel verbündet, aber die Hölle das Fürchten macht. Unerlöst wandert der trickreiche, schlaue Smee zwischen Hölle und Himmel, bis er doch ins Paradies aufgenommen wird.

Den in seinen Partituren anzutreffenden Mischstil forcierte Schreker in dieser heiteren Oper zu einem Stilpluralismus mit volkstümlichen Tänzen und Gesangsszenen, Linearität, Orchesterzwischenspielen à la Hindemith, einer Reihe à la Schönberg, melismatischen Themenentwicklungen und drastischer Klangentfaltung, Fugen und klassischen Formen. Aber auch die für Schrekers frühe Partituren typische Sinnlichkeit der Musik findet ihren Platz, mit der – gegenüber der Vorlage hinzuerfundenen – Höllenfürstin Astarte als femme fatale, mit sinnlichen Fernchören, wie im „Schatzgräber“, und mit himmlischen Freuden, die musikalisch den irdischen Freuden der „Gezeichneten“ entspringen. Kammermusikalische Klangmalerei und prägnante Erinnerungsthemen in wirkungsvoll rascher Abfolge, so dass der Komponist damit spielte, sein Opus eine „Revueoper“ zu nennen, sich dann aber für die Klassifizierung „Große Zauberoper“ entschied.

In Chemnitz, dessen Opernhaus sich seit einigen Jahren für Wiederentdeckungen einsetzt (wie zuletzt Nicolais „Il Templario“ und Pfitzners „Die Rose vom Liebesgarten“), hielt sich der junge Regisseur Ansgar Weigner an die vom Komponisten verworfene Genrebezeichnung und siedelte die Handlung auf der Tastatur eines bühnenfüllenden Flügels an (Ausstattung: Siegfried E. Mayer, Claudia Möbius). Zugleich wollte er den Zeitbezug und die Parallelen zwischen dem Schmied und seinen Gesellen einerseits und dem Komponisten und seinen Schülern (analog Schrekers Oper „Christophorus“) auf der anderen Seite, herausarbeiten, indem Smee immer wieder aus der Handlung heraustritt, auf der Vorbühne komponiert, was er dann dirigiert oder von seinen Gesellen aufführen lässt.

Diese ernste Grundhaltung des besorgten Schöpfers und zugleich Lehrers treibt der Handlung leider den Spaß aus. Denn Schrekers Libretto sprüht vor Wortwitz: wenn Luzifer am Ende des zweiten Aktes die reiche Schmiede zerstört hat, so kommentiert Smee: „Frau, jetzt ist alles beim Teufel!“ – in der Regel ein echter Lacher, hier aber kaum hörbar, besorgt beiseite gesprochen. Als Pointenkiller erweist sich der Regisseur auch in szenischen Konstellationen: Zu Schrekers glücklichsten Einfällen gehört die Begegnung des Smee mit der Heiligen Familie, die ihm – als Dank für seine Wohltätigkeit – drei Wünsche genehmigt; Witz entsteht hier musikalisch durch die Konfrontation klezmerartiger Melismatik, pastoser Formen und einer Alltagssprache, in der Smee Maria gute Ratschläge zur Kindeserziehung gibt, und szenisch aus der Collage der unvereinbar scheinenden Bilder.

Dies funktioniert jedoch nicht, wenn sich Maria (Anna Erxleben) als flippige Jungmutter gibt und Josef (Matthias Winter) gestikuliert wie der Rabbi in „Anatevka“. Und Luzifer, dessen Nacktheit laut Schreker nur vom Banner „Schöner als Gott!“ bekleidet sein soll, gerät in Chemnitz, trotz Revue ,zum Beau in schwarzen Beinkleidern. In Weiners Inszenierung verlässt Smee am Ende den Himmel und kehrt zurück in seine Komponistenstube, – unerlöst.

Glücklicherweise bewegt sich die Ausführung der Partitur musikalisch auf hohem Niveau, allerdings leider mit Kürzungen, – bedauerlich auch hinsichtlich der angekündigten Veröffentlichung auf CD beim Klassiklabel cpo. Oliver Zwarg in der Titelpartie verfügt über einen Sachs-Heldenbariton mit klarer Diktion. Undine Dreißig als seine Frau, sympathisch in Belcanto und Spiel, Judith Kuhn als betörende Astarte mit Engelszungen und Edward Randall als Smees tenoraler Gegenspieler Slimbroek (von Schreker mit einer 11-Ton-Reihe charakterisiert und hier mit Klumpfuß ausgestattet). ragen aus einem großenteils rollendeckenden Ensemble.

Mit der Robert-Schumann-Philharmonie ziseliert Frank Beermann die kammermusikalischen Kontraste der Instrumentengruppen, wuchtet die metallische Schlagkraft des Smee-Themas und entwickelt gespenstisch die Passacaglia der Untoten, die Smees Haus mit Schätzen alter Zeiten anfüllen.

Obgleich man in seiner Lesart auf die für Schreker so wichtigen Rubati verzichten muss, wird die Klangentfaltung der symphonischen Zwischenspiele unter Beermanns Leitung ebenso zum Erlebnis, wie der Opern- und Kinderchor die in den himmlischen Freuden gipfelnden Chorszenen.
Eine international angereiste Schreker-Gemeinde und das Chemnitzer Publikum feierte das von Deutschlandradio und MDR live übertragene Erlebnis ohne hörbaren Widerspruch.
Peter P. Pachl

Weitere Aufführungen: 14. und 27. Februar, 13. März, 04. und 24. April und 15. Mai 2010 

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