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Eine Legende als Juryvorsitzender: Menahem Pressler. Foto: ICMC
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Vom inneren Gehalt: der erste Internationale Kammermusikwettbewerb Hamburg

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Nicht kleckern, sondern richtig ranklotzen, lautete das Motto für den Internationalen Kammermusikwettbewerb, der vom 19.-27. September in Hamburg stattfand: Initiator Niklas Schmidt – ehemaliger Cellist des Trio Fontenay und heute Konzertveranstalter und Professor – wollte gleich beim ersten Mal den Sprung in die Champions League schaffen. Als Preise winkten Beträge von insgesamt 80.000 Euro (gespendet von der Oscar- und Vera-Ritter-Stiftung) sowie garantierte Anschlusskonzerte;

In der 13-köpfigen Jury saßen erfahrene Fachleute ersten Ranges – darunter lebende Legenden wie Valentin Erben vom früheren Alban Berg Quartett und der mittlerweile 93-jährige Bernhard Greenhouse aus der Gründungsbesetzung des Beaux Arts Trios. Den Vorsitz hatte sein Pianistenkollege Menahem Pressler – und der stellte gleich bei der Eröffnung klar, worum es geht: „Wir suchen nicht jemanden, der lauter oder schneller spielt, sondern jemanden, der schöner spielt. Der sich tiefer in die Musik hineinversetzen kann und das herausnimmt, was einen zu besseren Menschen macht.“

In der Kammermusik steht nicht der Glanz des Einzelnen, sondern das musikalische Miteinander im Zentrum. Und tatsächlich wirkte die Atmosphäre insgesamt deutlich kollegialer als bei anderen Wettbewerben. Gleichwohl war der Konkurrenzdruck enorm: 15 Trios und 14 Quartette aus Europa, den USA und Neuseeland im Durchschnittsalter von höchstens 33 Jahren gingen an den Start - nachdem die Vorauswahl per CD schon eine ganze Reihe von Bewerbern ausgeschlossen und das vorgeschriebene Repertoire einige weitere Ensembles abgeschreckt hatte. Denn schon die erste Runde legte eine hohe Eingangshürde: Bei den Quartetten, die im leicht überakustischen Mozart-Saal des Logenhauses spielten (während die Trios zeitgleich im Forum der Musikhochschule antraten), stand etwa ein komplettes Werk von Debussy, Ravel, Janáček oder Bartók auf der Agenda, und dazu ein Schubert-Satz.

Dass sich die meisten Quartette für den Anfang aus „Der Tod und das Mädchen“ entschieden, bescherte den Juroren eine spannende Vergleichsmöglichkeit, die die Gruppen auf einer Skala von 1-25 einordnen sollten. Für ihre Bewertung spielten natürlich verschiedene handwerkliche Aspekte (Intonation, Zusammenspiel, etc.) eine wichtige Rolle, entscheidend waren jedoch die Fragen:, „Haben die Ensembles etwas zu sagen? Und: gelingt es Ihnen, den inneren Gehalt eines Werks zu erfassen?“, wie Valentin Erben, Vorsitzender der Quartettjury, seine Kriterien formulierte.

In der zweiten Runde wurde die Messlatte noch einmal höher gelegt: Da mussten die Trios ein komplettes Konzertprogramm von eineinhalb Stunden darbieten; mit einem romantischen und einem zeitgenössischen Werk, sowie als Pflichtstück zwei Sätze aus Beethovens Trio op. 70,2 - ein harter Prüfstein, wie Valentin Radutiu, Cellist des Aramis Trios, befand: „Es ist eins der heikelsten Trios, technisch und musikalisch nicht so leicht handzuhaben, und durchaus ein Stück, wo man sehr eindeutig Qualitäten feststellen kann.“

Nur drei von acht Trios sowie fünf von acht Quartetten schafften es in die Finalrunde, in der nun alle Ensembles vor der gesamten Jury auftraten und noch einmal ein komplett neues Repertoire bewältigten; unter anderem mit Werken der Jubilare Haydn und Mendelssohn. So ergab sich im Rolf-Liebermann-Studio des NDR (der die Finalrunde und das Abschlusskonzert aufzeichnete, bzw. live sendete) ein äußerst spannendes Duell auf hohem Niveau.

Die Entscheidung – mit der naturgemäß nicht alle Juroren und erst recht nicht alle Teilnehmer gleich glücklich zu sein schienen – zeigte dann, dass Presslers Eingangsworte keine leere Versprechung gewesen waren. Denn mit dem jungen Saguaro Trio aus Los Angeles (1. Preis Klaviertrio, 15.000 Euro) und dem rumänischen Arcadia String Quartet (1. Preis Streichquartett und Mendelssohn-Sonderpreis, zusammen 30.000 Euro), aber auch mit den weiteren Preisträgern, wie dem Orbis Trio oder dem Asasello Quartett, wurden in der Tat nicht die fehlerlosesten Einzelkönner, sondern exzellente Ensembles mit großer Ausdruckskraft, Sensibilität und Fantasie gekürt. Das Saguaro Trio betörte etwa mit seinem beseelten Farbreichtum, das Arcadia String Quartett durch sein inniges Spiel und einen wunderbar warmen Klang.

Dass die vier Rumänen am Ende des Finalkonzerts bei Brahms’ op. 51,2 sitzend k.o. wirkten und plötzlich ungewohnte Intonationsprobleme offenbarten, war natürlich schade und wird für die zweit- und drittplatzierten Gruppen besonders hart gewesen sein. Doch Valentin Erben betonte zum Abschluss noch einmal, dass so ein Wettbewerb ohnehin immer nur eine Momentaufnahme sei: „Die Verlierer müssen nicht traurig sein, denn das Ergebnis resultiert aus einer Durchschnittspunktzahl und bedeutet nicht, dass alle Juroren derselben Meinung sind. Und auch die Gewinner sollten jetzt nicht nachlässig werden – denn der Erfolg ist nur dann etwas wert, wenn sie ihn in Zukunft bei jedem Konzert neu bestätigen.“

 

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