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Titelseite der nmz 2014/10.
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Von der Deutungshoheit im Klassenzimmer

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In Leipzig wurde der Bundesverband Musikunterricht gegründet · Von Barbara Haack
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Das erste, was ins Auge stach bei diesem zweiten „Bundeskongress Musikunterricht“, war die große Zahl junger Besucher: vom Schulmusikstudenten über den Referendar bis zum jungen Kollegen verfolgten diese mit großem Interesse, was hier geboten wurde, nahmen engagiert an Workshops teil und schafften sich im „Jungen Forum Musik“ eine eigene Kommunikationsplattform.

Vielleicht waren dies ja schon die Vertreter der jungen Generation, die – so erklärten es VDS-Vorsitzender Ortwin Nimczik und AfS-Chef Michael Pabst-Krueger im nmz-Interview (Ausg. 9/14) – sehnlich auf die Fusion der beiden bisher parallel agierenden Schulmusikverbände warteten, um nun endlich dem neuen „Bundesverband Musikunterricht“ beizutreten? Jedenfalls konnte die Neugründung im Rahmen des Leipziger Bundeskongresses Musikunterricht nun endlich vollzogen werden (s. auch S. 2) – nach jahrelangem Ringen um Inhalte, vor allem aber um Strukturen zweier ungleich organisierter Verbände. Glückwunsch dazu! Es ist sicher an der Zeit, gleiche Interessen zu bündeln, um sie dort, wo es nötig ist, mit verstärkter Stimme zu vertreten. Kein Politiker versteht, warum eine vergleichsweise kleine Berufsgruppe in zwei unterschiedlichen Verbänden organisiert werden muss. Schade also, dass die Fusion nicht komplett geglückt ist. Niedersachsen und Bayern haben sich gegen den Schulterschluss entschieden – mit jeweils eigenen Argumenten, die sie (ebenfalls in der nmz-Ausgabe 9/14) ausführlich dargelegt haben. Man kann nur hoffen, dass alle Beteiligten eine Ebene finden, auf der sie sich auch in Zukunft inhaltlich austauschen und vor allem mit offenem Ohr einander zuhören. Vielleicht gelingt es ja, diesen Diskurs irgendwann einmal innerhalb von Verbandsgrenzen zu führen – und nicht darüber hinweg. Diejenigen, die den Schritt zum neuen Verband gewagt haben, zeigten sich nach der Gründungsversammlung mehr als zufrieden und wollen sich zukünftig noch stärker „für ein gemeinsames, umfassendes Konzept für musikalische Bildung in jeder Schule in Deutschland und auf der Grundlage von kontinuierlichem Musikunterricht einsetzen“ (Zitat Pressemeldung).

„Bundesverband Musikunterricht (BMU)“ heißt also der neue Verband. Die „Schulmusik“ kommt hier nicht mehr vor, was der Verband Bayerischer Schulmusiker in seiner Stellungnahme für einen Fehler hält. Zitiert wird dort Michael Pabst-Krueger, einer der beiden frisch gewählten Vorsitzenden des neuen Verbands: „Mit diesem Namen reklamiert der Verband für sich die Deutungshoheit über den Begriff ‚Musikunterricht‘.“ Aber: „Musikunterricht findet bekanntlich auch außerhalb von allgemeinbildenden Schulen statt“, erklären die Bayern in ihrem Beitrag. Dass diese Diskussion keine reine Wortklauberei ist, zeigte unter anderem die Leipziger Podiumsdiskussion zum Thema „Kooperationen“, in welcher die genannte „Deutungshoheit“ durchaus eingefordert wurde. Nur die Schulmusiker vor Ort könnten erfassen, welcher Art solche Kooperationen sein sollten, erklärt Dorothee Barth, neue BMU-Vizepräsidentin. Deshalb sollten auch diese immer „den Hut aufhaben“. So ganz klingt das nicht nach Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Die mehr als berechtigte Sorge, zeitlich begrenzte Kooperationsprojekte könnten den kontinuierlichen Musikunterricht ersetzen, trifft bei den Vertretern der BKJ (Gerhard Taube) und des VdM (Matthias Pannes) insofern auf die falschen Adressaten, als diese genau wie die Musiklehrer an allgemeinbildenden Schulen die Kontinuität der Musikpädagogik ganz oben auf ihre Fahnen geschrieben haben. Vielmehr sollte diese Forderung im Schulterschluss dort angebracht werden, wo sie eben nicht für selbstverständlich gehalten wird, an der bildungs- und kulturpolitischen „Front“ in den Kommunen, Ländern und gerade auch in der Bundespolitik. 

Das Thema „Kooperationen“ lieferte in diesem Podiumsgespräch weitere Statements, die hinterfragt werden dürfen. „Die allgemeinbildende Schule ist der einzige Ort, an dem alle Kinder erreicht werden“, ist ein bisher wenig bestrittenes, gern und häufig ins Feld geworfenes Diktum. Und zum Thema Ganztagsgestaltung: „Ein Kind ist doch am Nachmittag kein anderer Mensch als am Vormittag“ (Taube). Ist das so? Abgesehen davon, dass an den Schulen eben doch nicht überall (adäquater) Musikunterricht stattfindet, darf bezweifelt werden, dass jedes Kind, das im Musikunterricht physisch anwesend ist, auch wirklich „erreicht“ wird. Möglicherweise gelingt dies – individuell betrachtet – bei dem einen oder anderen erst durch ergänzende Nachmittagsangebote? Denn: Das Kind ist eben nicht in allen Lebenssituationen „gleich“. Beim Wechsel von einem System (z.B. Schule) in ein anderes (z.B. Musikschule, Orchester, Theatergruppe, Tanzunterricht) können Verhalten, Rollen- und Selbstverständnis durchaus stark variieren. Dieses Wissen um systemische Einflüsse auf den Menschen sollte auch in der musikpädagogischen Diskussion über Kooperationen immer im Hinterkopf sein. Die derzeit viel zitierte Hattie-Studie belegt außerdem, dass ein Wechsel von Raum und Umgebung durchaus wertvoll für das Lernverhalten eines Kindes sein kann. Ein herzhaftes „Ja“ zu Kooperationen zwischen gleichberechtigten Partnern tut daher not. Dass die Forderung nach flächendeckendem und kontinuierlichem Musikunterricht in allen Schulformen Basis für alles Weitere ist, bleibt dabei unbestritten.

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