Hauptbild
Titelseite der nmz 2014/05.
Titelseite der nmz 2014/05.
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Vor-Schuss

Untertitel
Theo Geißler über die Kulturkompetenz in unserem „Kulturland“
Publikationsdatum
Body

Witzig, witzig: Kleine Anfrage der „Grünen“ im Deutschen Bundestag am ersten April. Ungefähr die halbe Fraktion der Ex-Alternativen fordert mit 16 Fragen „mehr Transparenz in der Bewahrung und Auswertung von traditionellem und progressivem Liedgut“ ein. Darunter: „Wer hat die Kokosnuss geklaut“, „Weiß man, wo die Blumen sind?“ oder „Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, was Liebe ist (bitte nach Bundesministerien aufschlüsseln)“. Die Replik der zuständigen Ministerin im Kanzleramt, Monika Grütters, fiel kurz und bündig aus: „Die Antwort weiß ganz allein der Wind.“

Fein, dass die neuerdings zu miefiger Political Correctness neigenden Umweltretter mal ein bisserl Jux in unser hohes Haus zu tragen versuchen. Feiner noch wäre es freilich, träten sie gelegentlich mit kulturpolitischer Kompetenz auch als Entwickler und Bewahrer der Künste in Erscheinung. Seit sie sich mit Agnes Krumwiede (dank miesen Listenplatzes in Bayern aus dem Parlament geflogen) gewissermaßen ihrer rechten Hirnhälfte entledigt haben, machen sich Dilettantismus und Ratlosigkeit nicht nur auf Bundesebene breit.

Dass Kulturkompetenz in unserem „Kulturland“ mittlerweile vor allem im schmalbrüstigen Berufsbild schnellgebrüteter Kulturmanager erwartet wird, zeigt auch die Berufung des pseudophilosophischen Pop-Hansels Tim Renner zum Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin. Die schwül-aufgeheizte, mondän geschminkte „Szene“ unserer Hauptstadt wird’s freuen. Dass der Tim noch nie im Leben ein Opernhaus heimsuchte, könnte für eine längst überfällige Umverteilung des Kulturetats weg von verzopfter Klassik, Musikpädagogik  rein in die crystal-schimmernde Club-Szene sorgen. Wurde auch Zeit, denkt sich wohl Wowereit.

Aus ganz anderem Fleisch geformt ist der in der Epidermis rötlich gefärbte neue Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses Siegmund Ehrmann. Als aufrechter Sozialdemokrat will er für Gerechtigkeit, Struktur und Ordnung gerade bei der Musikförderung sorgen. Dafür hämmert er an einem monolithischen Vierjahresplan aus Etat-Granit herum – den gesettelten Institutionen zur Planungsfreude. Aber offensichtlich nicht bedenkend, dass künstlerische Entwicklung und Entfaltung stets flexibler Grundausstattung bedarf. Vielleicht gießt ihm ja der Bildhauer Markus Wolf demnächst eine Stele für den Stadtpark von Moers.

Liegen alle Hoffnungen in Sachen politischer Kulturkompetenz auf unserer (auch) zuständigen Ministerin Monika Grütters? Ihre „Hundertdreißig-Tage-Bilanz“ weist – nach der Filmlastigkeit ihres Vorgängers einen beträchtlichen Hang zur Bildenden Kunst aus. In Sachen Musik, speziell Urheberrecht oder Bildung – ganz zu schweigen von der Bedrohung unserer kulturellen Vielfalt durch „Freihandelsabkommen“ – sind ihre Stimmbänder noch nicht sonderlich in Schwingung geraten. Das kann sich ja alles noch ändern – Hauptsache sie wartet nicht darauf, dass ihr irgendwann der Wind irgendwelche Antworten auf die anstehenden satten Herausforderungen liefert. Wir sagen: den Blumenstrauß für eine erfolgreiche Kulturpolitik gibt es erst in vier Jahren.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!