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Stephan Frucht, Wolfgang Rihm, Eleonore Büning, Götz Werner und Martin Emmerich im Gespräch. Foto: Julia Blank
Stephan Frucht, Wolfgang Rihm, Eleonore Büning, Götz Werner und Martin Emmerich im Gespräch. Foto: Julia Blank
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„Was die Kunst am Leben hält...“ – ein Karlsruher Campusgespräch mit offenen Enden

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Elenore Büning (FAZ) war, wie sie am Rande bemerkte, in der Erwartung angereist, von dieser Gesprächsrunde endlich Antworten zu bekommen. Antworten, vor allem auf die Frage: Was kann gegen die offensichtlich beschlossene Zerstörung der beiden SWR-Klangkörper noch getan werden?

„Was die Kunst am Leben hält“, lautete das Thema des von ihr moderierten „Campusgesprächs“ an der HfM Karlsruhe im Rahmen der Eröffnung des Neubaukomplexes „CampusOne“. Kernpunkt war die Wertschätzung, welche die Gesellschaft aktuell der Kunst entgegenbringt, denn das Flussbett öffentlicher Gelder in der Kulturlandschaft scheint immer mehr auszutrocknen. Es diskutierten Stephan Frucht (Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft), Wolfgang Rihm (Komponist), Götz Werner (Gründer des Unternehmens dm-drogerie markt) und Martin Emmerich (Musikstudent).

„Was brauchen die schönen Künste zum Überleben“, fragte Eleonore Büning eingangs in die Runde. Neben Kreativität, Individualität und Diskurs war man sich schnell einig, dass es doch vor allem Geld sei, dass der Kunst das Überleben sichert. Büning nahm das Stichwort auf, um die aktuell immense Kürzungswelle im Kultursektor anzusprechen. Einsparungen im Kulturbereich seien nicht neu, sagte Büning, dennoch habe sie das Gefühl, dass sich etwas dramatisch verändert habe: „Warum war es möglich, durch Bürgerinitiativen, Unterschriftenlisten und öffentliche Proteste das Vorhaben, die Donaueschinger Musiktage abzuschaffen, vor rund 15 Jahren zurückzuweisen? Warum war es heute nicht möglich?“

Götz Werner sieht das als eine Frage des gesellschaftlichen Bewusstseins: „Warum sind wir einverstanden, dass der Kontoführer bei der Bank mehr verdient, als die Kindergärtnerin, die die Kinder betreut?“ Rihm führt den Gedanken weiter: „Es findet auf der Folie der Demokratie eine Veränderung der Werte statt.“ Er sieht das Problem darin, dass die „Entscheider“, deren Sozialisierung durch die Pop- und Unterhaltungsmusik geprägt sei, heute nur noch an Mehrheiten interessiert seien. „Das Problem ist, dass sich die Kunst im Laufe der Jahre immer mehr legitimieren muss“, wirft Stephan Frucht ein. Er sieht die Verantwortung dabei vor allem bei den Medien: „Die Intendanten behaupten, sie machen Mehrheiten-Programme. Dabei hat das gar nichts mit ihrem Bildungsauftrag zu tun.“ Dieser sei es, zu zeigen, was eben nicht dem Mainstream entspreche.

„Was kann getan werden, wenn die öffentliche Förderung in den letzten 30 Jahren offensichtlich zunehmend versagt?“, fragte Büning und lenkte das Gespräch auf die Möglichkeit einer Finanzierung durch private Förderer. Als Beispiel nannte sie das „Klavier-Festival Ruhr“, das vor zehn Jahren in eine Stiftung umgewandelt worden war und heute – bis auf das Geld für sechs Kompositionsaufträge durch die NRW-Stiftung – keine öffentlichen Gelder mehr bezieht. Es funktioniere.

Stephan Frucht verwies in diesem Zusammenhang skeptisch auf das amerikanische Modell: „In Deutschland betragen die öffentlichen Kulturausgaben 90 Prozent, 10 Prozent die privaten. In den USA ist es genau andersrum. Wollen wir eine geringe Steuerlast, wobei aber erwartet wird, dass jeder viel spendet?“ Er plädierte eindeutig für das jetzige System öffentlicher Kulturförderung, denn: „Dieses Angebot, das wir haben, das gibt es so weltweit nirgendwo anders. Wenn Sie den SWR betrachten, ist das ein Exportschlager, und nicht weil er so tolle Nachrichtensendungen macht, sondern weil er ein Vokalensemble und so großartige Orchester hat. Und das ist in den USA so überhaupt nicht gegeben.“ Aber: Einzelne Personen müssen die öffentliche Hand anregen, aktiv zu werden, denn von ihr gehe eine Initiative selten aus: „bürgerschaftliches Engagement“ sei gefragt, so Frucht.

„Was zum Teufel können wir also tun?“, fragte Eleonore Büning weiter beharrlich und lenkte das Thema erneut auf die vom Rundfunkrat bekräftigten Fusionspläne. Ihr ist dies spürbar ein großes Anliegen, denn sie befürchtet einen Dominoeffekt. „Das Einzige, was hilft, ist, Druck auf die Intendanten auszuüben“, so Frucht. „Bürgerliches Engagement“ ohne Umwege. „Betreiben Sie Polit-Lobbying. Nur so geht es: indem Sie die Politiker direkt angehen und sie überzeugen, dass das falsch ist“. Ansonsten sieht es seiner Ansicht nach dunkel aus am Horizont: „Es wäre verfehlt, das alles auf die leichte Schulter zu nehmen. Im nächsten Schritt, wenn die Orchester eingeschmolzen sind, seien die Hochschulen dran, wenn keine Celloprofessuren mehr besetzt werden etc. Das sei eine riesige Kaskade, die dann in Gang käme.

Wirklich neue Impulse, ein Masterplan – all das war am Ende des anregenden Gesprächs nicht greifbar. Jedoch: Aufkommende Resignation wurde im Keim erstickt, die „Klagemauer“ (Büning) wurde immer wieder zu Gunsten der Suche nach Lösungsvorschlägen verlassen und Wege, die in der Vergangenheit bereits beschritten worden waren, weiter befestigt – eine Diskussion mit mehreren „offenen Enden“ (Rihm) , die auf Fortführung drängt.

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