Einen Tag nach der Entscheidung des Münchner Stadtrates, den Vertrag mit Christian Thielemann als Generalmusikdirektor der Stadt nicht zu verlängern, dauert das Warten auf eine Stellungnahme des Noch-Philharmoniker-Chefs an. Der weilt auf dem Grünen Hügel Bayreuths und probt. Unterdessen betonte Kulturreferent Hans-Georg Küppers der Süddeutschen Zeitung gegenüber, die Entscheidung sei endgültig. Wolf Loeckle kommentiert:
Wer ihn erlebt hat, den unvergleichlichen „MPhilThielemannKlang“ im durchaus unauthentischen und absolut unauratischen Großraum der sogenannten „Philharmonie im Münchner GasteigKulturzentrum“, der wird zum einen Trauer tragen. Darüber nämlich, dass solch Unvergleichliches in solchem Klanggewand wenn überhaupt nur noch ein paar Mal statt finden wird.
Denn in dieser mit aufgeklebten Klinkerversatzstücken wirklich zum Volksbildungstempel hochgemotzten Betonkiste samt äußerst erfolgreicher Stadtbibliothekszentrale, musikalischen Hochschuleinrichtungen (Dependance zur Zentrale an der Arcisstrasse) und neben dem „Carl Orff Saal“ weiteren publikumsnahen Räumen wird Thielemann jenseits des laufenden Vertrags nicht mehr „seinen“ Beethoven-Bruckner-Brahms-Wagner-Strauss dirigieren. Und gerade sein Beethoven war ja Ereignis, repräsentierte völlig Neues in der älteren Musik. Stand nahezu stellvertretend für das Neueste – auch wenn die Partituren schon deutlich mehr als zwei Jahrhunderte auf dem Weg durch die Instanzen hinter sich gebracht hatten. Thielemann hat da über München hinaus mehr als Akzente gesetzt. Und trägt selbige der Weltöffentlichkeit nun als Gast am Pult eines Konkurrenzklangkörpers via Tonträger vor...
Die reale neue Musik von heute tat sich in solchem Umfeld zuweilen schwer. Und wenn Thielemann preußische Alleen samt ihrer Landschaftsassoziationen als visuelle Hörhilfen ins Gespräch brachte, um seinen wahrlich einzigartigen Bruckner zu verbalisieren, dann war das eher „gag“ denn Verständnishilfe. Zum anderen weicht dieser möglichen Traurigkeit womöglich gar eine Erwartung an größeres Repertoire, an eine weniger überschaubare Schar interessanter Gastdirigenten, an wahrlich interessante Programme. Dass die Münchner Philharmoniker das Alles auch können, haben sie bewiesen. Dass ihre Geschichte in der Tat reich an Höhepunkten der Musikgeschichte ist, lässt sich in ihren Annalen nachlesen, wobei die Celibidache-Ära (hier lässt sich berechtigt von einer Ära sprechen) nur eines von vielen Beispielen ist.
Dass Thielemann seinen Vertrag als „Generalmusikdirektor (kein Begriff aus München und Günter Wand hat ihn in Köln abgelehnt wegen seiner militaristischen Anklänge, um weiterhin als „Gürzenich-Kapellmeister“ zu handeln) der Landeshauptstadt München“ nicht als weisungsgebundener Untergebener eines ihn dominierenden Intendanten abzeichnen wollte (und sei dieser Intendant auch noch so toll, wie aktuell in München), lässt sich verstehen. Dass kompromissfähige Brücken des Kulturreferats wohl nicht angenommen wurden, lässt Raum für reichlich Spekulation. Der soll hier nicht sein.
Doch Platz für reichlich Hoffnung, dass dem Orchester eine fulminante Zukunft gesichert wird. Vielleicht mit einem neuen Chef, der noch nicht die Marke Weltstar als stripcode auf der Stirn trägt. Der aber mit dem Orchester auf neue Weise dazu beiträgt, dass die MusikMetropoleMünchen weiterhin mit drei Weltklasseorchestern punktet. Vielleicht sogar in einer neu gebauten oder wenigstens in einer sanierten „Neuen Philharmonie“.