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Walter Braunfels' „Verkündigung“ in Kaiserslautern. Foto: Stephan Walzl
Walter Braunfels' „Verkündigung“ in Kaiserslautern. Foto: Stephan Walzl
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Wenn Blinde sehen: Walter Braunfels’ Oper „Verkündigung“ in Kaiserlautern

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Seit seine Oper „Die Vögel“ in Berlin, Köln sowie in Wien dem Vergessen entrissen wurde, begegnet der Name von Walter Braunfels (1882–1954) immer häufiger – auf CD, im Konzertsaal, aber auch auf der Bühne. Nachdem nun schon 2011 in Gera der „Ulenspiegel“ op. 23 wieder aufgeführt wurde, hat sich 2012 das Pfalztheater in Kaiserslautern der 1934/36 während der inneren Emigration entstandenen „Verkündigung“ op. 50 angenommen. Eine im besten Sinne unbequeme Entdeckung.

Dass diese Partitur nach einer konzertanten Aufführung für den BR in München (unter Ulf Schirmer) den Weg gerade nach Kaiserslautern gefunden hat, sollte freilich nicht irritieren. Denn auch außerhalb der Region ist das Pfalztheater in programmatischer Hinsicht durchaus zum Geheimtipp avanciert – fraglos ein Verdienst von Intendant Johannes Reitmaier, der mit der Spielzeit 2012/13 nach zehn Jahren nach Innsbruck wechselt. Mit Schulhoffs „Flammen“ und Korngolds „Wunder der Heliane“ standen und stehen immer wieder Werke auf dem Spielplan, die lange Zeit durch die allzu weiten Maschen des Repertoires fielen – Werke, die an der Grenze zwischen den sich allmählich abkühlenden 1920er Jahren und einer allgemein einsetzenden Konsolidierung des Musiklebens stehen, dem nach 1933 allerdings die Luft zum Atmen geraubt wurde.

In die eindrucksvolle Folge dieser Wiederentdeckungen und Wagnisse reiht sich auch Walter Braunfels’ Oper „Verkündigung“ nach Paul Claudel nahtlos ein. Sie zeigt in der Handschrift des zukünftigen Intendanten Urs Häberli eine bemerkenswerte Bühnenpräsenz (es handelt sich nach der wohlwollend aufgenommenen Uraufführung von 1948 überhaupt erst um die zweite Inszenierung!), erscheint im Kern aber doch eher als seltsam zeitlos-unzeitgemäßes Mysterienspiel (Braunfels stand religiösen Themen ohnehin nahe).

So verständlich dies angesichts des inneren Rückzugs in bedrohlichen Zeiten sein mag, so bildete das Werk nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht neue, nach vorne blickende Lebenswirklichkeit ab, beispielhaft nachvollziehbar etwa in den Worten: „Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit, die kein Ende hat!“ – „Gepriesen sei der Tod!“ Umso treffender wirkt der herbeigeführte Perspektivenwechsel, wenn die vermeintlich Sehenden erblinden, die vom Aussatz befallene „heilige“ Violaine aber der Welt und ihren falschen Zusammenhängen ins Auge blicken kann. Höhepunkt des Dramas bliebt die Wiedererweckung ihres Neffen, der dann auch ihre Augenfarbe trägt.

Musikalisch wusste Uwe Sandner mit dem gut disponierten Orchester des Pfalztheaters die an dunklen Farben erstaunlich reiche Partitur mit Leben zu füllen, die stilistisch eher an die 1910er Jahre denken lässt (Sprache und Grammatik erinnern an Rudi Stephan und den ganz jungen Hindemith, nicht aber an Schreker). Eher unausgewogen präsentierte sich an diesem Abend allerdings das Ensemble, in dem Adelheid Fink (Violaine) und Bernd Valentin (Jakobäus) stimmlich wie darstellerisch klar dominierten.

Letzte Aufführung: 4. Juli 2012

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