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Gustav Holst um 1920. Foto: Wikimedia Commons
Gustav Holst um 1920. Foto: Wikimedia Commons
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Wenn Kinder Revolution machen: Gustav Holsts komische Oper „The Idea“ im Konzerthaus Berlin

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Ein im Jahre 2007 vom LIONS-Club Berlin-Pariser Platz initiiertes Projekt ermöglicht insbesondere Kindern aus sozialen Randmilieus eine musikalische Grundausbildung im Löwenkinder-Chor, der seither mit zahlreichen Auftritten, auch im Fernsehen, für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Nun war diese Formation erstmals als Opernchor zu erleben, in Gustav Holsts „The Idea“.

Holst komponierte seine zehn Nummern umfassende, zweiaktige Oper mit gesprochenen Dialogen im Jahre 1896 als „Humorous Operetta for Children“. Doch hierzulande, wo Gilbert and Sullivans Werke nur höchst selten erklingen, erweist sich die Übersetzung als „lustige Operette für Kinder“ als eine irreführende Gattungsbezeichnung. Weit entfernt von der klassischen Wiener Operette, weist Holsts ironische Musiksprache gleichwohl auch Elemente auf, wie sie – im Nachvollzug französischer Entwicklungen – in den burlesken Operetten des frühen Oscar Straus anzutreffen sind. Holsts Partitur scheut sich nicht vor parodistischen Elementen, wie dem Fortspinnen des Wagnerschen Siegfried-Themas oder einer Verballhornung der englischen Nationalhymne.

Das englischsprachige Libretto von Fritz Bennicke Hart erzählt in „The Idea“ von einem Premierminister, der von der Idee besessen ist, der königlich regierten Bevölkerung seines Landes durch Vereinheitlichung Glück zu bringen. Mit einer Uniformierung in Grautönen verbunden, sorgt die Verordnung für Konfusion, die sich bald zur Revolution steigert. Doch bevor diese kulminiert, erfolgt das königliche Versprechen, zu den alten Zuständen zurückzukehren. Mit typisch britischem Humor gipfelt das Werk in dem Versprechen des Premierministers, nie wieder eine Idee zu haben.

Mit einer musikdramatischen Aufarbeitung sozialistischer Ideen stand Gustav Holst am Ende des 19. Jahrhunderts nicht allein; ähnliche Tendenzen verfolgt etwa auch Siegfried Wagners zweite, ebenfalls vorwiegend heitere Oper „Herzog Wildfang“ (1899/1900). Zu den Höhepunkten in Holsts Oper zählt ein Schlagabtausch zwischen der Frau des Premierministers (Nicole Neumann) und der Königin (Antonia Persch), welche, den Zeichen der Zeit folgend, nun der vordem Untergebenen zu gehorchen hat.

In die sechs solistischen Rollen der Handlung schlüpften heranwachsende Schüler der Musikschule Béla Bartók, während die Koordination der Ausstattung vom KinderMusikTheater „Vivocchio“ an Studenten der Hochschule Hanns Eisler (Francisca Villela und Claus Althaus) übertragen worden war. Regie-Studentin an dieser Hochschule ist Franziska Guggenbichler-Beck an, die bereits ein abgeschlossenes Klavierstudium hinter sich hat. Für ihre Inszenierung hat sie den Kindern bei der Erstellung der Dekorationen und Kostüme wie auch bei Findung der Spielvorgänge viel freie Hand gelassen. Bestreben der Regisseurin war es, primär den Kindern zu helfen, ihre eigenen Ideen umzusetzen.

So verkörpert der Kinderchor, in seinen Grundkostümen als Tiere, mit überbordender Fantasie auch Autos, Kronleuchter, Bilderrahmen oder Hirschgeweihe. Szenenwechsel erfolgen hinter geschlossenem Vorhang. Nur am Ende verschwindet ein über den Thronen von König und Königin sichtbar aufgehängter Papp-Adler und wird durch zwei übergroße Bananen ersetzt. Die Kinder, die sich im Zwang der Vereinheitlichung graue oder schwarze Kostümteile aus dem Schrank der Eltern übergezogen hatten, feiern, in deutscher Übersetzung singend und spielend, die Rückkehr in die Bananenrepublik mit viel Engagement.

Holsts im Jahre 1903 veröffentlichte Partitur verlangt ein Orchester mit Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Streichern. Der einfache, aber wirkungsvolle Orchestersatz wurde in der Berliner Aufführung solistisch ausgeführt. Unter der souveränen und sicheren Leitung von Ruben Fischer ließ die Instrumentalformation optisch zwar nicht gerade auf Schüler schließen, aber die Tatsache, dass es sich auch bei den Instrumentalisten um Musikschüler handelt, mag diverse Intonationsprobleme, insbesondere bei Unisono-Stellen, entschuldigen.

Die Hauptwirkung der Aufführung ging jedoch aus von einem bunten Chor von Kindern unterschiedlicher Nationalitäten. Die Kinder verschiedenster sozialer und ethnischer Herkunft sind durch die musikalische Einstudierungsarbeit von Norienne Januszewski und Jan Olberg, dem Künstlerischen Leiter des Berliner Konzert Chores, zu einer beachtlich leistungsfähigen Formation zusammengeschweißt worden.  Die Freude, mit denen die Löwenkinder ihrer Aufgabe nachgehen, springt direkt auf die Zuhörer über.

Als Zugabe für den dankbaren Applaus des altersmäßig stark gemischten Publikums im Kleinen Saal des Berliner Konzerthauses, sangen die Löwenkinder ein Lied über ihre Arbeit an der Produktion: von ihrer Regisseurin auf der Gitarre begleitet, nennen sie sich darin selbstbewusst „das stärkste Team in ganz Berlin“. Das eigentlich Dankenswerte an dieser Opernproduktion ist jedoch die Idee hinter der „Idee“, die Erfahrung sozialen und solidarischen Miteinanders im Team eines Chores.

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