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Die drei Pintos in Prag. Foto: Staatsoper Prag
Die drei Pintos in Prag. Foto: Staatsoper Prag
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Wer lügt hat Recht! Carl Maria von Webers „Die drei Pintos“ an der Prager Staatsoper

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Als Carl Maria von Webers scherzhafter Oper in drei Aufzügen „Die drei Pintos“, am 20. Januar 1888 in Leipzig uraufgeführt wurde, war der Komponist schon über 60 Jahre tot. Er hatte die Arbeit an dem Werk 1820 begonnen, vier Jahre später beendet, aber nicht vollendet. Webers Witwe soll das Manuskript an Giacomo Meyerbeer mit der Bitte um Vollendung gegeben haben, der ließ das Material liegen, später ging es zurück an Webers Nachfahren. Enkel Carl von Weber lernte in Leipzig Gustav Mahler kennen, der hier von 1886 bis 1888 Kapellmeister war. Mahler hat das Werk vollendet, behutsam, eigentlich ganz im Sinne Webers. Aber doch hier und da, insbesondere bei der Orchestrierung, kann man doch etwas von seinen Klangvorstellungen ahnen.

Schon im 1888 August erfreuten die „Drei Pintos“ das Prager Publikum im damaligen neuen Deutschen Theater, der heutigen Staatsoper. Weber und Mahler waren hier keine Unbekannten. Weber war von 1824 bis 1827 Kapellmeister am Prager Ständetheater, bevor er nach Dresden kam. Mahler war unter der Direktion von Angelo Neumann für zwei Jahre Kapellmeister am neuen Deutschen Theater, bevor er nach Leipzig kam.

Jetzt kam das wenig bekannte, Werk in einer Neuinszenierung an der Prager Staatsoper heraus, wo man sich den Werken Webers verpflichtet weiß. Es ist aber zugleich die erste Premiere an der Prager Staatsoper, die es als eigenständiges Musiktheater mit Beginn dieses Jahres nicht mehr gibt. Die Staatsoper, oberhalb des Wenzelsplatzes, ist künftig eine der drei Spielstätten für Oper und Ballett des Prager Nationaltheaters.

Mit der Beantwortung der Frage, wer denn die drei Pintos sind, ist auch schon der simple Inhalt des liebenswerten Stückes beschrieben. Don Pinto ist ein junger, reicher, unerfahrener Mann vom Lande. Er ist auf dem Weg nach Madrid zur Hochzeit mit Donna Clarissa. Beider Väter haben ihre Kinder zwecks Kapitalerhöhung verkuppelt, aber keiner kennt keinen. Don Pinto gerät in einer Herberge an den fidelen Langzeitstudenten Gaston, der macht den naiven Bräutigam blau, nimmt ihm ein Dokument ab, reist als Don Pinto nach Madrid und ist somit der erwartete Bräutigam, den ja keiner kennt. Die Braut aber liebt Don Gomez, der stellt sich dem vermeintlichen Don Pinto mit aller Kraft eines verliebten Tenors entgegen. Der falsche Pinto hat ein Einsehen, gibt das gestohlene Dokument weiter und es gibt sie, „Die drei Pintos“. Das junge Glück hat fast freie Bahn, da kommt der richtige Pinto an. Alles schönster Lug und Trug. Der naive echte Don Pinto, einzig ohne Arg und Fehl, wird verspottet und davon gejagt und ist vielleicht der einzig wahre Glückliche in diesem Spiel in einem Fantasiespanien des 19. Jahrhunderts, welches einem doch mitunter ganz schön spanisch vorkommen mag.

Das Ganze mit liebenswerter Musik, einer Mischung aus romantischen Anflügen, etwa in der Arie der Donna Clarissa, wo die Not der Freischütz-Agathe anklingt, in der verzweifelten Tenorarie des Don Gomez, die ähnlich schwierig ist wie die des Max. Es gibt Passagen in Stile der deutschen Spieloper, leider nicht so genial wie beim Spielopernweltmeister Albert Lortzing, etwa im „Wildschütz“.

Daniel Dvorak hat für die Prager Aufführung ein spanisches Wirtshaus entworfen in dem ein Chor aus Brünn zu Gast ist, also gibt es tschechisches Bier. Die Einheimischen versammeln sich fußballbegeistert vor den Flachbildschirm. Das nette Stück ist vom „falschen“ 19. Jahrhundert in die leicht schräge Gegenwart gerutscht.

Noch schräger präsentiert sich dann das neureiche Anwesen des Don Pantaleone in Madrid, wo dessen Tochter Clarissa verheiratet werden soll. Ein optischer Parforceritt durch die Geschichte, von der Antike bis zur Generation Barby, von der Ritterschaft des Mittelalters bis zur nicht mehr ganz modernen Küchenstrecke und einem mächtigen Stillleben, welches die absurde, bisweilen surrealistische Szene beherrscht und langsam  aus dem protzigen Goldrahmen rutscht. Entsprechend lässt Regisseur Jirí Nekvasil auch nicht die Logik walten sondern den Spaß einer aufgetakelten Gesellschaft in ironischen Kostümen von Simona Rybáková. Fazit: Wer lügt hat Recht und steht eindeutig höher in der Gunst des Publikums als ein betrogener Naivling.

Die Sängerinnen, Jana Siberova als Donna Clarissa, Jana Horáková Levicová als  Zofe und Hana Jonášová als Wirtstochter Inez, bestimmen den Abend. Die Herren, besonders die Tenöre, haben es nicht so leicht. Der Bariton Jakub Pustina als Ambrosio und der Bassist Zdenek Plech als Don Pinto vermitteln  vorteilhaftere Gesangseindrücke. Es wird in deutscher Sprache gesungen, was der Geläufigkeit mitunter etwas entgegenwirken mag.

Beschwingt ist der Chorklang, engagiert und zügig der des Orchesters unter der Leitung von Heiko Matthias Förster.

Das Publikum bedankt sich nicht überschwänglich, aber sehr herzlich beim gesamten Ensemble der Staatsoper deren Repertoire sich künftig einfügen wird in ein Gesamtkonzept des Musiktheaters unter einer gemeinsamen Administration und künstlerischer Direktion mit großen Ensemble von 50 Sängerinnen und Sängern. Beide Orchester und Chöre bleiben erhalten, bis zu 500 künstlerische Mitarbeiter wird es musikalischen Bereich geben, dazu eine Ballettkompanie mit bis zu 80 Tänzerinnen und Tänzern.

Die Staatsoper bleibt der Musik und dem Ballett vorbehalten, National- und Ständetheater wie bisher auch dem Schauspiel. Überschneidungen von Spielplanpositionen solle es nicht mehr geben, es sei denn, so Rocc, neuer künstlerischer Leiter des Musiktheaters am Nationaltheater, sie sind ästhetisch zu begründen. Für die kommende, erste „richtige“ gemeinsame, Spielzeit sind sechs Opernpremieren  geplant, und deren Platzierungen sollen an den jeweiligen Häusern vornehmlich dramaturgischen Gesichtspunkten folgen. Dabei spielen die Besonderheiten des jeweiligen Theaters, Architektur, Tradition, technische Bedingungen und Publikumsformate eine Rolle.                     

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