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Bachwochen-Impressionen: Kay Johannsen an der Wiegleb-Orgel in St. Gumbertus. Foto: Juan Martin Koch
Bachwochen-Impressionen: Kay Johannsen an der Wiegleb-Orgel in St. Gumbertus. Foto: Juan Martin Koch
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Werkbezogen und unaufgeregt: ein Bachwochentag in Ansbach – Britten und Bostridge sind auch dabei

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Wenn Bach Schafe gezüchtet hätte… Für die jüngsten Besucher beginnt dieser Bachwochentag mit einem Büschel unversponnener Naturwolle. Streichhölzer reingesteckt und Augen draufgeklebt („die halten aber nicht!“) – fertig ist das Lämmchen. Was der Komponist bei einem Spaziergang in der Natur vorgefunden haben könnte, ist ein Thema dieses Vormittags bei „Bach entdecken“, dem Workshop-Programm für Kinder und Jugendliche der Bachwoche Ansbach.

„Mich hat schon immer interessiert, wie man weniger zugängliche Musik mit Kindern erarbeiten kann.“ Die Pädagogin Petra Mengeringhausen konzipiert und leitet das seit 2009 bestehende Vermittlungsprogramm des Festivals. Acht Tage lang bieten sie und ihr Team an den Vormittagen Workshops für vier Altersgruppen von 4 bis 18 Jahren an.

Die Ältesten – heuer sind erstmals 14- bis 18-Jährige dabei – erarbeiten gerade mit ihren mitgebrachten Instrumenten den Choral „Jesus bleibet meine Freude“. Später soll er, angeleitet von Tom Wagner, dem Motto „Crossover Bach“ gemäß in eine neue Form gebracht werden. Eine Alterstufe tiefer geht es um Naturinspirationen im ersten Brandenburgischen Konzert und die Grundschulkinder arbeiten mit Stabspielen an der Bassfigur von Pachelbels Kanon. „Spielen wir das nachher den Eltern vor?“ – diese Frage scheint zunächst wichtiger zu sein als die korrekte Abfolge des in Zweiergruppen gegliederten Ostinatos…

Auf ganz klassische Vermittlung setzt derweil in St. Gumbertus Festival-Intendant Andreas Bomba. Höchstselbst moderiert er das Orgelkonzert Kay Johannsens und trifft mit seinen sachlichen Einführungen und einem kurzen Gespräch mit dem Organisten offenbar das Informationsbedürfnis des Publikums. Das setzt sich – an einem Donnerstag Vormittag nicht weiter verwunderlich – mehrheitlich aus musikbegeisterten Unruheständlern zusammen und weiß nicht nur Johannsens gediegenes, im Fall der c-Moll-Passacaglia mitreißendes Bach-Spiel zu würdigen, sondern auch dessen improvisatorische Fähigkeiten. Harmonisch eher unspektakulär, färbt er seine Reflexionen über „Befiehl du deine Wege“ mit köstlichen Registermischungen. Besonders das zwischenzeitlich an Stummfilmbegleitungen gemahnende Gegrummel hätte man der Wiegleb-Orgel von 1738 nicht unbedingt zugetraut. Mit schwebenden Flötentönen weist der Stuttgarter Stiftskantor andererseits auf seine die Konzertstruktur transparent machende Registrierung der Vivaldi-Bearbeitung BWV 593 zurück.

Vivaldi bildet auch den programmatischen Brückenschlag zum Cembalo-Recital Andreas Staiers am Nachmittag im Prunksaal des Schlosses, unter anderem mit dem Concerto BWV 972. Das Jahr 1713, das als Motto über der ganzen Woche steht, ist hierfür der Ausgangspunkt. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Weimarer Hoforganist die italienische Konzertform kennen gelernt haben, ein entscheidender Impuls für sein instrumentales Komponieren.

Staier spielt das, wie das ganze Programm mit eher frühen Werken, mit einer staunenswerten technischen Souveränität. Explosionsartige Einwürfe oder aberwitzig beschleunigte Skalenpassagen in der Toccata D-Dur streut er ganz selbstverständlich ein. Bei aller Abgeklärtheit vermisst man bisweilen das Moment des Erstaunens über Bachs frühe Meisterschaft, instrumental Gedachtes, kontrapunktisch Durchgearbeitetes und melodisch Erfülltes in Balance zu halten. Das singende Legato im zugegebenen E-Dur Präludium aus dem zweiten Band des Wohltemperierten Klaviers ist dann aber pures Cembalo-Glück.

Statt Blumen gibt es in Ansbach einen Bocksbeutel als Dank – Staier nimmt ihn erfreut entgegen. Diese gewisse Bodenständigkeit strahlt das ganze 1947 gegründete Festival aus. Im sympathisch altmodischen, mit soliden Fachaufsätzen bestückten Almanach wirbt das „führende Pianohaus Westmittelfrankens“, die Stadtwerke kalauern mit „lückenloser Energie“ über den „Meister der Fugen“ und im fränkischen Wirtsgarten sitzt eine Kultururlauberfamilie nebst vorbildlichen Kindern. Für die Matthäuspassion ist der Babysitter schon organisiert…

Schon an diesem Abend ist St. Johannis mit einem altersmäßig stärker durchmischten Publikum bestens gefüllt (die Auslastung der ganzen Woche liegt bei 85 Prozent, der Etat wird zu fast drei Vierteln von den Kartenerlösen gedeckt). Bach – Britten – Bostridge: Dieser Dreiklang erweist sich als faszinierende Leitharmonik, zumal wenn er vom Ensemble Resonanz instrumentiert wird. George Benjamins „Kunst der Fuge“-Bearbeitung halten die Hamburger in einer wunderbaren Schwebe zwischen postmodernem und historisierendem Zugriff – eine Haltung, die dann auch der Kantatenbegleitung und Brittens Prelude and Fugue op. 29 bestens bekommt.

Ian Bostridge hat seit seiner fast körperlos wirkenden ersten Einspielung der Serenade für Tenor, Horn und Streicher von 1999 an Stimmsubstanz und Reichtum der Timbres enorm zugelegt, ohne dass das Faszinosum seines im piano und in der Kopfstimme knabenhaften Tenors verloren gegangen wäre. In Bachs Kantate „Ich habe genug“ ergibt sich daraus das überaus stimmige Paradox einer innigen Distanziertheit, für die Serenade bedeutet es zusammen mit Stefan Dohrs mirakulöser Bewältigung des Horn-Parts und dem vor Intensität vibrierenden Spiel des Ensemble Resonanz eine Britten-Sternstunde. In den luftig-präzisen Schlussgirlanden des als Zugabe wiederholten Hymnus an die Jagdgöttin Diana verflüchtigt sie sich – „excellently bright“ – mit einem einzigen Wimpernschlag.
 

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