Der Termin war vielleicht etwas ungeschickt gewählt: Kürzlich flog ich mit meiner Air-PuK-One – einer kleinen Leih-Cessna meines Insgeheim-Gönners Wolfgang Schäuble – nach einem bescheidenen Kurzurlaub von Peenemünde nach Berlin. Ein sonniger Mittwochabend. Schon fünfzig Kilometer vor Tegel wurde ich von zwei amerikanischen F-35-Jägern in Empfang genommen, die mich anfangs offensichtlich freundlich eskortierten. [Vorabveröff. aus politik und kultur 4-2013]
Weil das Funkgerät in der ollen Cessna nicht funktioniert und ich den Tower-Kontakt normalerweise auch dank Handy erledigen kann, reduzierte sich die Kommunikation mit den Piloten auf Gesten. Ich winkte nett lächelnd zurück, was die Jäger-Piloten veranlasste, mir noch näher auf die Pelle zu rücken. Ich wurde richtig fies abgedrängt, weit östlich um die Stadt gezwungen und schließlich auf die holprige Piste der BER-Bauruine gedrückt.
Dort empfing mich schon eine gut zwanzigköpfige Motorradstaffel der Berliner Polizei mit Blaulicht und Suchhunden. »So wichtig bin ich doch auch nicht« – dachte ich noch, bevor man mich verhaftete und 48 Stunden im Friedrich-Ministerium sehr scharf verhörte. Dort erfuhr ich dann, dass der Berliner Luftraum in Erwartung der Landung des amerikanischen Präsidenten schon längst gesperrt sei – und zwar so intensiv, dass auch unsere Bundeskanzlerin angeblich erst in Schönefeld wieder festen Boden unter die Füße bekam. Das tröstete mich nur kurz, weil mir unmittelbar danach eine Rechnung über hunderttausend Dollar für den Sprit der Ami-Jagdflugzeuge plus dreitausend Euro für Motorradstaffel samt Hunden präsentiert wurde.
Ich bitte Sie: Jeder Bürger kann sich doch mal irren, einen Fehler machen. Haben Sie noch nie falsch geparkt? Sind Sie noch nie mit einem unbeleuchteten Fahrrad gefahren? Hat man Sie deshalb ökonomisch ruiniert? Im Verhältnis zu den Zig-Steuergeld-Millionen, den der – offensichtlich realistisch betrachtet auch noch überflüssige – Schutz Barack Obamas in Berlin uns fiskalisch ehrbare Bürger gekostet hat, war meine kleine Funk-Fehlfunktion doch eine sehr lässliche Leichtfertigkeit. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit seien die Prinzipien unserer Demokratie – versuchte ich während des Water-Boardings den Agenten des Innenministeriums und der NSA luftschnappend zu vermitteln. Vergeblich. Im Internet hätte es klare Hinweise auf ein geplantes Flugzeug-Attentat gegeben. Und genügend Hinweise auf meine terroristische Grundhaltung, meine mangelnde Staatstreue seien dort auch haufenweise zu finden. Man müsse nur meine Texte lesen – von meinen E-Mails und SMSsen ganz zu schweigen.
Aus Gründen, die ich nicht wirklich kenne (half Wolfgang?), wurde ich dann unmittelbar vor meiner avisierten Abschiebung nach Guantanamo überraschend freigelassen. Flugs fuhr ich in mein Redaktionsstübchen, um einen Shitstorm wegen der mir widerfahrenen Willkür im Web zu starten. Da erfuhr ich erstmal – urlaubs-informationsgeschwächt – von den allumfassenden Internet-Ausspäh-Initiativen in England und den USA. In einer ersten Panikreaktion verklebte ich die Linse meiner Webcam mit einem Heftpflaster, riss das Computer-Mikro aus der Buchse, löschte meine Facebook-, Twitter- und Mail-Accounts. Dann warf ich mein iPhone in die Spree – und fühlte mich plötzlich schrecklich einsam. Die Kommunikation mit Freundinnen und Freunden, Familie und Kollegen reduziert auf heimliche persönliche Treffen an abgelegenen Orten? Wie überhaupt organisieren? Weite Wege ohne Navi? Ratsuche bei Fremden verbunden mit hoher Wahrscheinlichkeit, doch geortet und verraten zu werden? Das Ende meines Jobs als »Embedded Journalist«? Ein künftiges Leben als Wald- und Höhlenmensch unter einer alten Volksarmee-Zeltplane – um drei Jahre später von RTL2 entdeckt und schmutzig-zottelig als Kuriosum exponiert zu werden?
Schwupps holte mich meine Vernunft aus der Paranoia. Dank »Prism« und »Tempora« ist meine sogenannte Intimsphäre doch schon seit Jahren keine mehr. Ich bin ein gläsernes, öffentliches – wenn auch augenscheinlich recht uninteressantes Wesen. Sonst wäre ich ja reich und prominent. Diesen Zustand teile ich mit den allermeisten meiner Mitbürger, denen die simpelsten Bürgerrechte elektronisch unauffällig ebenso aberkannt wurden wie mir. Was also rege ich mich auf? Die DDR-Bürger haben einst unter vergleichbaren Umständen jedenfalls besser gelebt als Äquatorial-Afrikaner.
Also ab ins Büro, den Compi repariert, die Accounts wieder angelegt – und gucken, was da so geht: Hurra! – Innenminister Friedrich will ein eigenes deutsches »Super-Prism« einrichten. Das ist für einen Mann meiner Qualifikationen doch die reinste Wünsch-dir-Was-Job-Fundgrube. Rasch fülle ich die E-Mail-Bewerbung aus und hoffe so, die Spritgeld-Forderungen der Amis bald begleichen zu können. Mit der Berliner Polizei und den Hunde-Führern komme ich dann schon klar…