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Wie ich einmal in Afghanistan für Frieden und Seriosität sorgen wollte – Theo Geißlers Kurz-Schluss zum Jahreswechsel

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Mein sozialer Abstieg nimmt immer dramatischere Formen an: Einst „Embedded-Chefreporter“ des Innenministers, jetzt dritter Hilfs-Kulturattaché im Verteidigungs-Ministerium, nachdem mich auch die Berater-Firma des Bundespräsidialamtes „Integritas“ freigestellt hat – dabei waren meine Vorschläge für den Einwanderer-Check (siehe puk 6/2010) wirklich vom Feinsten. Vor allem die zur Integration arbeitsloser griechischer Investment-Banker. [aus: Politik & Kultur 1/2011]

Gewissermaßen als Koffer-Packer hatte ich jetzt die Reise der Von-Guttenbergs samt Talk-Bubi Johannes B. Kerner nach Kundus vorzubereiten. Da macht man sich als verantwortungsbewusster Quasi-Staatsdiener schon Gedanken, wie man dieser offensichtlichen Personality-Show-Tour wenigstens einen Hauch von kulturellem Flair, von völkerverbindender Ernsthaftigkeit verleihen kann. Hatten wir nicht seinerzeit die Indianer oder Azteken mit bunten Glasperlen und hübschen Spiegelchen leichsam befriedet, auf die Segnungen unserer westlichen Zivilisation eingeschworen? Solcher Tand kommt heutzutage freilich nicht mehr in Frage. Also kaufte ich als Gastgeschenk für Stammesfürsten und freundlich gesonnene Taliban der traditionsreichen guttenbergschen Heimat eingedenk – erst mal je tausend Lederhosen und Gamsbart-Hüte bei Loden-Frey. Diese Tracht dient einem doppelten Zweck: Zum einen stiftet sie Identität – und hohes Integrations-Potenzial. So kann sich jedweder Islamist zumindest in Bayern unauffällig bewegen, weil er allenfalls für einen Ami oder einen Preußen gehalten wird, keinesfalls aber für eine terroristische Bedrohung. Außerdem ist dieser Dress bekanntlich haltbarer und praktischer als Kandura oder Abaja, von Fez, Burnus und Burka ganz zu schweigen.

Was für ein Erfolg! Die Bayern-Klamotten wurden uns von den Eingeborenen förmlich aus der Hand gerissen. Nur unter leichtem Gerangel konnte sich Kerner für seine authentische Feldlager-Moderation (aufmunternde Gesangs-Einlagen dank Heino) noch eine Trachten-Kluft sichern. Und ich erntete freundliche Blicke meines Chefs Gutti und seiner Frau. Letztere nutzte die Gunst des Augenblickes und posierte – sehr zur Freude unserer Soldaten – gewagt im Dirndl auf einer Feldhaubitze. Ganz im Stil – wer erinnert sich nicht – der amerikanischen Pop-Röhre Cher, die im Vietnamkrieg auf dem Geschützrohr des Schlachtschiffes Arizona viel zur moralischen Aufrüstung der GIs beitrug.

Weil ich meine Pflicht jetzt offensichtlich zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllt hatte, schritt ich zur Kür. Und das ist in meinem Fall nicht zuletzt die Beschaffung schwer zugänglicher Informationen. Mein afghanischer Dolmetscher Abdul – zutraulich wie Robinsons Freitag, seit ich ihm den üppigsten Gamsbart zugeschustert hatte – erwies sich als schier unerschöpflicher Quell regionalen Wissens. Und diese Infos sind ebenso exklusiv wie brandheiß: Raten Sie mal, was die Afghanen an den Deutschen am meisten schätzen? Sie kommen nicht drauf: Es sind die unbemannten Aufklärungs-Drohnen aus unseren bundesrepublikanischen Rüstungs-Schmieden. Teils aufgrund von Bedienungsfehlern, teils wegen technischer Mängel fallen die Dinger vom Himmel wie besoffene Maikäfer im Morgentau. Und mit wenigen Handgriffen bauen die findigen Afghanen diese ehemaligen High-Tech-Brummer in hocheffektive Mohn-Erntemaschinen um. Die Opium-Produktion hätte sich dank dieser Entwicklungshilfe schon verachtfacht. Unangenehmer seien die israelischen Drohnen im Dienst der Bundeswehr (Leasing-Preis 98 Millionen Euro pro Stück). Sie fliegen höher und sind nur mit einer kräftigen Schrot-Salve vom Himmel zu holen. Dann aber liefern sie – von der Feuer-Leitzentrale bis zum digitalen Fernseh-Sender – alles, was einem rechten Stammesfürsten das Herz höher schlagen lässt. Außerdem seien die Deutschen viel tapferer als die Amerikaner, hat mir Abdul, der alte Karl-May-Konsument (eine Literatur-Sammel-Spende des Goethe-Institutes) zum Abschied zugeflüstert. Weil sie immer noch mit echten menschlichen Truppen im Lande wären. Die Amis seien längst komplett abgezogen und kämpften – vom warmen Pentagon aus nur noch, das aber umso erfolgreicher – mit satellitengesteuerten Killer-Drohnen und fernbedienten Roboter-Bodentruppen.

Sie können sich vorstellen, wie mich dieses Wissen, an dessen Wahrhaftigkeit ich auch wegen des mir zur Verfügung gestellten Video-Materials keinen Zweifel habe, durchschüttelt. Soll ich es veröffentlichen? Wiki-Leaks zur Verfügung stellen? Oder soll ich einfach den Mund halten – und ein friedliches, fröhliches, gesundes 2011 wünschen? Wie unsere Kanzlerin?

Rätselt Ihr: Theo Geißler

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