(Aus „politik und Kultur 4-09 – unser Autor schreibt hier unter der treffenden Überschrift „Kurz-Schluss“ eine Kolumne): „Schluss mit dem Miesepetertum, alter Quengel-Schmierenschreiber! In der Krise suchen die Menschen nach der guten Nachricht. Also her mit Positiv-Meldungen aus der verschnarchten Kulturwinsel-Ecke – und zwar flott“. Die Aufträge aus dem Bundesministerium des Inneren – in dessen Auftrag ich vermutlich (wer weiß das heutzutage schon noch so genau) nach einer gründlichen Verhaltens-Modifikation im alten Ahrtaler Regierungs-Atombunker gegen geringes Entgelt „embedded“ tätig sein darf, werden immer komplexer. Doch schon sagt mir eine innere Stimme sehr drängend: Schreib! Sofort! Und ich tus:
Berlin: Die Rettungsansätze bei Etat-Engpässen im Bundeskultur-Haushalt geraten immer kreativer. Auf Vorschlag der Bundeskanzlerin höchst persönlich wird Kulturstaatsminister Bernd Neumann zum Vorsitzenden des Hypo-Real-Estate-Gesamtvorstandes ernannt. Die Hälfte der zu erwartenden dreistelligen Millionen-Prämien – das war Voraussetzung – fließen direkt in die Förderung unserer deutschen Filmwirtschaft. Über zehn Prozent kann Neumann frei verfügen. Mit dem Rest wird die neue zwischenstopp-freie U-Bahnlinie zwischen Kanzlerinnenamt und Flughafen Schönefeld finanziert.
München: Über angebliche Finanz-Löcher in der Bayerischen Staatskasse kann Ministerpräsident Horst Seehofer nur herzlich lachen. Nach Einführung der „Trachtenpflicht-Maut“ erwartet das Finanzministerium des Freistaates sogar üppige Überschüsse. An Bayerns Landes-Grenzen werden flächendeckend Ganzkörper-Scanner aufgestellt, die von den Konten durchreisender oder urlaubswilliger Besucher automatisch fünf Euro für jedes Kleidungsstück abbuchen, das nicht der soeben in der bayerischen Verfassung verankerten Trachtenordnung entspricht. Als „trachtenkonform“ gelten Janker, Lodenkotze, Seppelhut mit Gamsbart, buntes Kopftuch, Dirndl (ersatzweise Lederhose halblang) sowie ein Laptop. Die Scanner-Installation hat der Siemens-Gefälligkeits-Fond vorfinanziert.
Köln: Panikmeldungen über eine Reduzierung des kommunalen Kulturhaushaltes um ein Drittel haben sich als flügellahme Sommerloch-Enten erwiesen. Nach der wegen Einsturzgefahr notwendig gewordenen Säkularisierung des Kölner Doms konnte die Bausubstanz durch das Anbringen einer geschmackvollen Stahlbeton-Ummantelung überraschend flott gerettet werden. Ein Konsortium aus in Köln ansässigen Brauereien und Entertainment-Unternehmen hat daraufhin das gesamte Areal zu einer Summe angemietet, die den gesamten bisherigen Stadt-Etat aufdoppelt. Und einen neuen Namen gibt’s für dieses europaweit bedeutendste Vergnügungs-Zentrum auch schon: „The-Super-Dome-Platte“.
Hammelburg: Die Vereinigung freier deutscher Festival- und Open-Air-Veranstalter hat bei der Bundesregierung einen Subventionsantrag in zweistelliger Milliardenhöhe eingereicht. „Was anderen Branchen recht ist, sollte für uns wahrlich billig sein“ – so Ehrenpräsident Maurice Lausberg zum Musikmagazin taktlos. „Unsere Events schaffen mehr Arbeitsplätze als Opel und Arcandor zusammen, zum Beispiel auch in so hochwertigen Branchen wie Ganzkörper-Piercing, Champagner-Ausbau oder Chinchilla- und Zobel-Zucht.“
Berlin: Mit einem umfassenden Künstler-Export-Programm will Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die Haushalte von Bund und Ländern dramatisch entlasten und die sogenannte Künstler-Sozialversicherung überflüssig machen. Alle Kulturschaffenden, die bislang von dieser Einrichtung betreut werden, erhalten ein kleines Handgeld und die Zwangsausbürgerungs-Urkunde. Vor allem ostasiatische Staaten, allen voran China, haben sich bereit erklärt, die Exilierten freundlicherweise aufzunehmen. Eine Beschäftigungsgarantie im bisher ausgeübten Beruf konnte leider nicht ausverhandelt werden. Trotzdem sprach Steinbrück mit berechtigtem Stolz von einer „segensreichen Entsorgung im besten doppelten Sinn des Wortes“.
Minden: Der CDU-Wirtschaftsexperte Steffen Kampeter hat sich mit einem „Aktions-Programm Kultur-Vernunft“ direkt an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages gewandt, dem er auch vorsitzt. Er empfiehlt drastische Einsparungen und vor allem Rationalisierungen im Musikbetrieb. Es genüge – so Kampeter - ein jährlicher „Tag der Musik“ zur Grundversorgung völlig. Schließlich gäbe es auch nur einen Muttertag. Die sogenannte Hochkultur könne man kostengünstig mit der Ski-Saisoneröffnung auf dem Zugspitz-Blatt zusammenlegen. Und der teure Musikunterricht gestalte sich dramatisch kostengünstiger durch den Einsatz des japanischen Roboter-Hundes Soja-Sushi-Kreishi, der im Unterschied zu vielen Musikpädagogen klangrein zu singen in der Lage sei. Kostenpunkt pro Lehrkraft: 900 Euro auf fünf Jahre Garantiezeit bei Wegfall aller Sozial-Lasten. Auch die Entsorgung sei preiswerter.
Berlin: Alle im Bundestag vertretenen Parteien wollen zur Schonung der Haushalte künftig auf zwei Prozent ihrer Wahlkampfkosten-Rückerstattung verzichten. Kompensiert wird diese ehrenvolle Selbstbeschränkung durch eine konsequente Vermarktung der über dreihundert kompilierten Wahlprüfstein-Sammlungen. Die wurden gegen entsprechende Tantieme an das Volksmärchen-Verwertungscenter von Google verkauft.