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Wie ich einmal Spitzensport mit frühkindlicher Bildung echt versöhnen konnte: Theo Geißlers Kurz-Schluss

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Als Notnagel, als Klebekitt für die tiefen Risse zwischen den Interessen unterschiedlicher Bundesministerien habe ich im letzten Jahrzehnt viel Segensreiches vollbracht. Wie viele Steuermilliarden ersparte ich unseren hartgemolkenen Mitbürgern immer unter dem Schutzmantel meines streng geheimen Auftraggebers Wolfgang Schäuble dank meiner blendenden, oft unkonventionellen Ideen. [Vorabveröff. aus politik & kultur 4-2012]

Mein aktueller Undercover-Auftrag erweist sich freilich als gordischer Knoten, leider nicht aus Hanf oder Baumwolle, sondern aus eng gesponnenem Titandraht. Cherchez la Femme – sag ich nur. Da lobt eine vom Koalitionspartner CSU gepeitschte junge CDU-Ministerin als Wahlzuckerl ein Betreuungsgeld für häuslich hütebereite Mütter aus – und muss gleichzeitig von der Legislative getrieben massig Krippen- und Kitaplätze schaffen. Irgendwie schizo, jedenfalls unglaublich teuer. Woher die Kohle allein für die notwendigen Baumaßnahmen nehmen?

Meine erste Idee, die Gesamtproblematik durch den Zusatz gewisser Hormonpräparate ins Trinkwasser mal grundsätzlich anzugehen, fand leider wenig Zustimmung selbst im ansonsten recht pharmafreundlichen Finanzministerium. Unter solchem Leistungs-Druck stöhnend gönne ich mir dann doch gelegentlich eine Denkpause. Aktuell bot sich zur Entspannung ein Blick auf die milliardenteure Fußball-Europameisterschaft an – (insgesamt ein hinlänglicher Beleg für die ungeheuere Leichtigkeit planvoller Massenverblödung).

Es lief gerade die dreißigste Minute des Spiels zwischen Griechenland und der Bundesrepublik (dessen Ausgang ich dank eines kleinen Deals mit dem Schiedsrichtergespann aus Mitteln der Sportförderung natürlich längst kannte). Da geschah etwas emotional total Aufwühlendes: Philipp Lahm hatte gerade planmäßig das erste Tor geschossen, da schwenkte die Kamera auf unsere Bundeskanzlerin.

Getrieben von nicht inszenierbarer, spontaner Freude hüpfte unsere Second- oder Third-Lady samt ihrem erbswurstgrünen Kostümzelt wie ein Springfrosch im brasilianischen Dschungel auf der Ehrentribüne herum. Was für ein Spielplatz der ehrlichen Emotionen!

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Wozu Kita- oder Kindergarten-Neubauten, wo doch in Deutschland unter der Woche hunderte feinst ausgerüstete Fußballstadien weitgehend leer stehen. Viele überdacht, mit Duschen, Toiletten und Ruhezonen gesegnet. So viele Kinder können deutsche Paare jährlich gar nicht zeugen, wie sie in diesen für Spiel, Spaß und Bildung prädestinierten Arenen Raum hatten. Und gab es nicht in vergangenen Jahrzehnten – zum Beispiel in Chile – beste Erfahrungen mit Gruppen-Erziehungsprozessen gerade in Fußballstadien?

Bleibt nur noch die Frage nach ebenso kostengünstigem wie kompetentem Betreuungspersonal zu lösen. Sofort entsinne ich mich einiger leider untergegangener aber nichtsdestotrotz hoch pragmatischer Vorschlage unserer Bundesministerin für Arbeit und besonders Soziales, Ursula von der Leyen.

Plan eins: Die gefeuerten Schlecker-Verkäuferinnen sind durch steten Kontakt mit Lippenstiften und sonstigen färbenden Kosmetika bestens vorbereitet für den frühkindlichen Unterricht im Malen und Werken. Piercing- und Tattoo-Utensilien können aus Restbeständen der Schlecker-Warenlager günstigst angeschafft werden. In diesen Lagern befinden sich (eine unerhebliche unternehmerische Fehlplanung) auch noch große Bestände mittlerweile schwer verkäuflicher Vuvuzelas. Laut Pränatalpädagoge Prof. Tini von Thuss „auch schon für Zweijährige die ideale Einstiegsdroge in die wunderbare Welt der Musik – nach dem Motto: Jedem Kind ein Instrument.“

Plan zwei: Die an Entbehrungen gewöhnten und deshalb in Beschaffungsfragen oft recht phantasievollen Hartz-IV-Empfängerinnen werden in Catering-Teams zusammengefasst. Sie besorgen die Rohstoffe für unsere Stadion-Großküchen auf den Müllkippen der Aldi- und Lidl-Filialen unter sorgfaltiger Prüfung der (wie wir inzwischen wissen: überflüssigen) Verfallsdaten. Vorkosten ist dann natürlich Pflicht – sättigt aber auch.

Endgültig durchschlagen haben den gordischen Titanknoten aber die Spitzen-Fußball-Funktionäre selbst. Eingeweiht in mein Konzept trugen mich Franz Beckenbauer und Sepp Blatter auf ihren Schultern dreimal um die Aschenbahn des Münchner Olympiastadions (leider nicht vor Publikum). Eine derart schlüssig-menschliche Kampagne zur Rettung des angeschlagenen Images unseres Profi-Fußballes (Doping, Korruption, Menschenhandel) hatte ihnen noch nicht mal Lintas Deutschland angeboten. Fifa-Präsident Sepp Blatter selbst will das Modell nach dem Euro-Endspiel Spanien – Deutschland (2:1, aber die Ratingagenturen werten iberische Banken wieder hoch) auf der ZDF-Seebühne in Heringsdorf verkünden. Und er will sich in den KiTa-Arenen persönlich um die sportliche Entwicklung junger Mädchen mit Migrationshintergrund kümmern.

Uns aber freut besonders, dass der Springer-Konzern als Hauptsponsor auf diesen Sozial- und Bildungs-Express aufgesprungen ist. Sechsmal jährlich will er unsere Zeitschrift „Politik & Kultur“ in einer Auflage von 42 Millionen kostenlos an alle deutschen Haushalte verteilen. Wir denken gerade über unsere Anzeigenpreis-Gestaltung nach.

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