Die Klassik-Branche rappelt sich. In einer Zeit, da vom Verschwinden der CD und dem Aussterben des Klassikpublikums geredet wird, gründen unternehmungslustige Vertreter der Tonträgerindustrie die internationale Fachmesse classical:NEXT. Vom 30. Mai bis 2. Juni ging sie in den Räumen des Münchner Gasteig nun erstmals über die Bühne. Ein vielversprechender Start.
Initianten sind die in der Vereinigung „Class“ zusammengeschlossenen deutschen Independent-Labels und Vertriebe, die Organisation liegt in den Händen der Berliner Messeveranstalter piranha womex. Als Kooperationspartner erscheinen private Münchner Einrichtungen und das städtische Kulturreferat sowie das Internationale Musikzentrum Wien (IMZ). Die Messe ist konsequent auf den internationalen Markt ausgerichtet. Offizielle Veranstaltersprache ist Englisch, und dass sich gleich beim ersten Mal siebenhundert Teilnehmer aus zahlreichen europäischen Ländern, den USA und Fernost registrieren ließen – sechzig Prozent von außerhalb Deutschlands –, ist ein ungewöhnlicher Erfolg und lässt vermuten, dass die Initiatoren in eine Marktlücke gestoßen sind.
Viele Firmen, die nun nach München gekommen sind, haben der Midem, der international führenden Musik- und Medienmesse in Cannes, den Rücken gekehrt und erhoffen sich von classical:NEXT neue Impulse. Sie sind frustriert von den überhöhten Kosten und dem unbefriedigenden Geschäftsumfeld der Midem, die in den letzten Jahren offenkundig in die Krise geraten ist. Ohnehin wurde die Klassik dort immer mehr zum fünften Rad am Wagen der Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie. Eine Chance für München? Die Messeverantwortlichen der Stadt und des Freistaats Bayern sollten da eigentlich aufhorchen.
Die classical:NEXT, die sich an einem erweiterten Klassikbegriff orientiert, ruht auf drei Pfeilern: Ausstellungsteil, Panels/Referate und Veranstaltungen; letztere sind auch für das normale Publikum zugänglich. Zentral ist der Fachdialog zwischen Produzenten, Vertriebsleuten, Agenten und Veranstaltern, der sich an den Ausstellungsständen, in den Fluren und umliegenden Hotels abspielt. Die mit internationalen Fachleuten besetzten Panels diskutieren aktuelle Probleme der Musikwirtschaft. Die Entwicklung der Märkte, neue Methoden des Fundraising, Marketing mit Hilfe der Social Media, Perspektiven des Musikjournalismus, neue Veranstaltungsformen und Veränderungen im Urheberrecht waren einige der Themen, die abgehandelt wurden.
Die neuen Medien spielten in allen Diskussionen selbstverständlich eine gewichtige Rolle. James Jolly, Chefredakteur des britischen Gramophone Magazine, erläuterte zum Beispiel, wie sich die publizistischen Aktivitäten seiner Zeitschrift unter dem Einfluss des Internets grundlegend verändert haben. Der Modellfall einer erfolgreichen Anpassung an die neuen Marktbedingungen, der Beachtung finden sollte.
Zu einer beeindruckenden Lektion geriet sodann der Presseempfang von Klaus Heymann zum 25-jährigen Bestehen des von ihm gegründeten Labels Naxos. Während im Zusammenhang mit der Digitalisierung alle Welt von der Krise der Tonträgerindustrie sprach, baute Heymann in Hongkong ein Budget-Label auf, das sich inzwischen zu einem globalen Unternehmen mit dreihundert Angestellten auf fünf Kontinenten entwickelt hat und aus der Klassikbranche nicht mehr wegzudenken ist. Das Internet ist für Heymann kein Schreckgespenst, er hat sein Geschäftsmodell bereits entsprechend erweitert. Angesichts der einzigartigen Erfolgsstory stellt sich die Frage, wo denn nun eigentlich die vielzitierte Krise anzusiedeln ist: In den wirtschaftlichen Verhältnissen oder in den Köpfen der Firmenbosse?
Eine dritten Programmschiene bildeten schließlich die zahlreichen „Showcases“ mit Live-Auftritten von Musikern. Man weiß, was man den Kreativen schuldig ist. Dass auch die zeitgenössische Musik hinreichend berücksichtigt wurde, gehört zu den erfreulichen Aspekten dieser Fachmesse. Verbesserungsbedarf besteht hingegen noch bei der Gestaltung dieser Auftritte. Für Kammermusikformationen ist der große, akustisch stumpfe Carl-Orff-Saal schlecht geeignet, auch könnten die Veranstaltungen zeitlich besser platziert werden.
Das Fazit dieser ersten classical:Next kann sich sehen lassen. Auch wenn die Majors (noch?) nicht vertreten waren und manche anderen Labels erst einmal auf Abwarten geschaltet haben, stufen die Veranstalter diese erste Ausgabe – sie sprechen auch von einer Beta-Version – als rundum erfolgreich ein. Kommentar von Rainer Kahleyss, als Mitglied der Labelvereinigung „Class“ einer der Initiatoren der Messe: „Das nächste Jahr sind wir wieder da.“