„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Compliance-Kultur der HMTM weiter zu verbessern.“ Nein, dies ist kein Ausschnitt einer standardisierten Mitteilung nach Bekanntwerden einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Freikarte oder ähnlichem. Der Satz entstammt vielmehr der mit „Hochschule sorgt für umfassende Transparenz“ überschriebenen Stellungnahme, die die Hochschule für Musik und Theater München am 14. Mai veröffentlichte. Zwei Tage zuvor war jene Ausgabe des „Spiegel“ erschienen, in der über haarsträubende Vorkommnisse an der und rund um die Hochschule berichtet worden war (siehe Seite 2).
Umfassende Transparenz? Eher das Gegenteil fand seit Ende 2015 statt, als die Kriminalpolizei in Sachen Hans-Jürgen von Bose am Haus ermittelte und Anklage wegen sexueller Nötigung gegen den ehemaligen Präsidenten Siegfried Mauser erhoben wurde. Denn offenbar passten die Ergebnisse einer im Herbst 2016 durchgeführten Umfrage den Verantwortlichen nicht ins Beschwichtigungskonzept. Aus dieser – so die Spiegel-Recherche – waren nämlich zahlreiche weitere, zum Teil gravierende Fälle ablesbar. Die Hochschulangehörigen wurden Anfang 2017 lediglich mit Informationen darüber abgespeist, wie viele der Befragten zum Beispiel angegeben hatten, die „AnsprechpartnerInnen bei Vorfällen sexueller Belästigung“ zu kennen. Bis heute hat die Hochschule die Umfrageergebnisse nicht veröffentlicht und verwies zuletzt gegenüber der nmz darauf, die Fragen seien „so allgemein gestellt“ gewesen, „dass die Antworten keine eindeutigen Rückschlüsse darauf zulassen, ob die Erfahrungen im Hochschulkontext oder im privaten Bereich gemacht wurden“. Ob dies tatsächlich der Wahrheit entspricht, könnte die Hochschule nur durch „umfassende Transparenz“ beweisen.
Als sich dann – die Taktik des Aussitzens war endgültig gescheitert – die Spiegel-Reportage ankündigte, ließ die Hochschulleitung detaillierte Fragen der Spiegel-Autoren Martin Knobbe und Jan-Philipp Möller unbeantwortet und versuchte stattdessen indirekt mit einer von der Hochschule bezahlten, renommierten Anwaltskanzlei zu drohen.
Einiges spricht dafür, dass Teile der Seilschaften des Ex-Präsidenten weiterhin wirksam sind und es ist fraglich, inwieweit die parlamentarischen Anfragen und Anträge, die zu den Vorfällen mittlerweile im Bayerischen Landtag vorliegen, für Aufklärung sorgen werden. Schließlich müssten im Ministerium die Zustände, gerade was den Kompositionsunterricht bei von Bose betrifft, lange bekannt gewesen sein. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Disziplinarverfahren, die zu verschiedenen Tatbeständen gegen Mauser liefen, von den Gerichtsverfahren überlagert wurden. Um die Machtmechanismen zu verstehen, die solche Fälle häufig erst ermöglichen, wären deren Ergebnisse von großem Interesse.
Als wäre das alles nicht schon schlimm genug: Die HMTM war im Rahmen ihrer hinter Verwaltungsdenglisch sich versteckenden Stellungnahme nicht einmal in der Lage, ihr Bedauern über die Vorfälle und ihr Mitgefühl für die Opfer auszudrücken. Sollten in Zukunft weitere schwere Fälle von sexuellem Fehlverhalten an Musikhochschulen bekannt werden, weiß man nun, wie man nicht damit umgehen kann und darf.