New York - Kurt Weills erstes Bühnenwerk, die Kinderpantomime „Zaubernacht“, ist nach 80 Jahren wieder verfügbar. Vor zwei Jahren tauchte an der Yale Universität im US-Bundesstaat Connecticut ein kompletter Satz originaler Orchesterstimmen auf, auf dessen Grundlage die Kurt Weill Edition jetzt eine kritische Ausgabe der Partitur vorlegt.
Weill (1900–1950) komponierte die Kinderpantomime im Sommer 1922 als Meisterschüler in Ferruccio Busonis Kompositionsklasse an der Preußischen Akademie der Künste. Das Stück basiert auf einem Szenarium des russischen Theaterimpresarios und Dichters Wladimir Boritsch (1891–1954). Am 18. November 1922 fand im Berliner Theater am Kurfürstendamm die Uraufführung statt, wo das Werk mehrere Vorstellungen erlebte. Die einzige weitere Inszenierung von „Zaubernacht“ erfolgte im Dezember 1925 am New Yorker Garrick Theatre.
Bei seiner Flucht aus Nazi-Deutschland im März 1933 ließ Weill all seine unveröffentlichten Partituren zurück, darunter auch „Zaubernacht“. Boritsch hatte die Orchesterstimmen mit in die USA genommen, als er 1925 die Aufführung in New York vorbereitete. Nach Boritschs Tod gab seine Witwe die Materialien an die Yale Universität, doch dort unterblieb die Katalogisierung aufgrund der Erkrankung eines Kurators, und ein Bibliotheksangestellter legte die Unterlagen in einen falschen Safe. In den 1960er Jahren wurde der vermeintlich leere Safe in einen Keller geschafft und geriet dort bald in Vergessenheit. Bei einer Entrümpelungsaktion vor zwei Jahren endeckten Angestellte den Safe, doch die Zahlenkombination war nicht mehr auffindbar. Erst nachdem ein Spezialdienst zur Hilfe gezogen wurde, gab der Safe seinen sensationellen Inhalt preis.
„Zaubernacht“ ist ein knapp einstündiges Werk, phantasievoll instrumentiert für ein neunköpfiges Ensemble bestehend aus Flöte, Fagott, Schlagwerk, Klavier und fünf Streichern. Die Pantomime handelt von einem Geschwisterpaar, das in seinem Kinderzimmer einschläft. Um Mitternacht erscheint eine Fee, die mit ihrem Lied alle Spielzeuge zum Leben erweckt. Damit beginnt eine Reihe von nächtlichen Abenteuern und Tänzen der träumenden Kinder mit ihrem Spielzeug.
Herausgegeben von Elmar Juchem, Leiter der Weill-Gesamtausgabe, und Andrew Kuster, einem Mitarbeiter der Kurt Weill Foundation, schließt die Veröffentlichung von „Zaubernacht“ eine wesentliche Lücke in Weills Katalog, der mehr als dreißig Bühnenwerke umfasst, darunter Opern, Operetten und Musicals. Juchems einleitender Essay liefert eine Reihe neuer Erkenntnisse und erhellt damit eine schlecht dokumentierte Phase in Weills frühem Schaffen. Neben „Zaubernacht“ komponierte Weill lediglich ein weiteres Tanzstück, das Ballett mit Gesang „Die sieben Todsünden“ (1933). Als nächste Bände der Weill-Gesamtausgabe erscheinen „Popular Adaptations, 1927–1950“, herausgegeben von Charles Hamm, und „Music with Solo Violin“ (enthält Konzert für Violine und Blasorchester, op. 12 und „Der neue Orpheus“, op. 16), herausgegeben von Andreas Eichhorn.
Kurt Weill. “Zaubernacht” (Kurt Weill Edition, Series I, Volume 0). Herausgegeben von Elmar Juchem und Andrew Kuster. New York: Kurt Weill Foundation for Music; European American Music Corporation, 2008. Partitur (224 S.) und kritischer Bericht (72 S.). In englischer Sprache. ISBN 978-0-913574-65-2 Vertrieb in Europa: Schott Music, Mainz.