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Achtung ECHO im falschen Fahrwasser. Foto: Hufner
19. April: Sponsor springt von Musikpreis Echo ab - Kauder: Abschaffen. Foto: Hufner
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17. April: Neues vom Echo - Rückgaben, Rücktritt und Stellungnahmen [update, 19:40]

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Kulturrats-Präsident Christian Höppner zieht sich aus Echo-Beirat zurück +++ Echo-Beirat-Sprecher Wolfgang Börnsen fordert neues Wertesystem +++ Enoch zu Guttenberg gibt Echo-Preis zurück - «schmutziges Menetekel» +++ Statement des Ensemble L’ART POUR L’ART +++ Pianist Igor Levit gibt Echo-Preis zurück +++ Stellungnahme vom BVMI zu Rückgaben des Musikpreises Echo +++ Meinungen von SPD-Bundespolitiker Martin Rabanus, Grünen-Bundespolitiker Erhard Grundl, Echo-Mitentwickler Thomas M. Stein

Kulturrats-Präsident Christian Höppner zieht sich aus Echo-Beirat zurück

Berlin (dpa) - Nach der Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang zieht sich der Präsident des Deutschen Kulturrats, Christian Höppner, aus dem Beirat des Musikpreises zurück. Das kündigte Höppner am Montagabend in Berlin an. «Auch wenn Gangsta-Rap, der als Genre seit über 30 Jahren existiert, mit seinen spezifischen Ausdrucksformen und Stilmitteln auf Provokation und Grenzüberschreitung angelegt ist, sage ich klar: ihre Musik ist nicht meine und die Texte finde ich widerlich», so der Präsident des Dachverbands der Bundeskulturverbände.

Dennoch habe sich der Beirat in Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Nichtzulassung zu Gunsten der Kunstfreiheit durchgerungen. «Diese Entscheidung war ein Fehler. Unzweifelhaft stehen die Mitglieder des Beirats und die in ihr vertretenen Organisationen ohne wenn und aber gegen Antisemitismus, Hass und Gewalt.»

Derzeit wird der Echo, der wichtigste deutsche Musikpreis, nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text «nicht so wesentlich übertreten», dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

Echo-Beirat-Sprecher Wolfgang Börnsen fordert neues Wertesystem

Berlin (dpa) - Der Sprecher des Beirats des Musikpreises Echo hat die Entscheidung, die Nominierung der Rapper Kollegah und Farid Bang nicht zu kippen, verteidigt. «Grenzüberschreitungen sind nicht akzeptabel, aber sie sind ein Teil der Musikkultur», sagte der CDU-Politiker Wolfgang Börnsen am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Ein mit Blick auf Antisemitismus scharf kritisiertes Album der Rapper hatte vergangene Woche einen Echo gewonnen.

Das Album enthält die Textzeile «Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen». Wegen der umstrittenen Nominierung war der Echo-Beirat vor der Gala eingeschaltet worden. Im Fall der Rapper hieß es, die künstlerische Freiheit sei in dem Text «nicht so wesentlich übertreten», dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

Der Beirat habe die Entscheidung gemeinsam getroffen, sagte Börnsen. Das Gremium habe die Texte der Rapper für unvertretbar und unwürdig gehalten. Zugleich unterstrich Börnsen: «Uns mangelt es an Eigenverantwortung der Künstler.» Er will die Diskussion nach vorne lenken. Man müsse daraus lernen. «Es braucht ein neues Wertesystem.» Es gehe auch um Themen wie Hass, Frauenfeindlichkeit und Sympathien für Terrorismus.

«Imponierend» habe er den Echo-Auftritt von Campino gefunden, so Börnsen. Der Frontmann der Toten Hosen hatte während der Show erklärt, wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen gehe, sei für ihn die Grenze überschritten.

Enoch zu Guttenberg gibt Echo-Preis zurück - «schmutziges Menetekel»

München (dpa) - Aus Protest gegen die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang gibt auch der Dirigent Enoch zu Guttenberg den Preis zurück. «Nachdem solch ein Preis nun im Jahr 2018 auch Verfassern von widerwärtigen antisemitischen Schmähtexten verliehen und noch dazu vom "Ethikrat« Ihres Verbandes bedenkenlos freigegeben wurde, würden wir es als Schande empfinden, weiterhin diesen Preis in unseren Händen zu halten», schrieben Guttenberg und Andreas Reiner vom Orchester Klangverwaltung am Dienstag.

Guttenberg und das Orchester hatten 2008 einen Echo Klassik für ihre Einspielung der vierten Symphonie von Anton Bruckner bekommen. «Das einstige Symbol für gute künstlerische Arbeit hat sich in ein schmutziges Menetekel für eine Entwicklung in unserem Land verwandelt, die uns mit tiefster Sorge erfüllt», schrieben sie nun in einem offenen Brief an den Bundesverband Musikindustrie.

[update, 19:40]:

Marius Müller-Westernhagen will alle Echos zurückgeben

Berlin (dpa) - Marius Müller-Westernhagen will nach den Antisemitismus-Schlagzeilen um den Musikpreis Echo alle seine Trophäen zurückgeben. Das kündigte der Musiker am Dienstag auf Facebook an. «Die Verherrlichung von Erfolg und Popularität um jeden Preis demotiviert die Kreativen und nimmt dem künstlerischen Anspruch die Luft zum Atmen. Eine neue Stufe der Verrohung ist erreicht», erklärte er. Zuvor hatte «Bild.de» berichtet. «Ich bin nicht der Meinung, dass die mit dem ECHO ausgezeichneten Rapper Antisemiten sind. Sie sind einfach erschreckend ignorant», schrieb Müller-Westernhagen.

[update, 19:40]:

Grütters: Innehalten und ethische Maßstäbe schärfen

Berlin (dpa) - Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach vom «Versagen» des Ethikrates. «Die Freiheit der Kunst ist in Deutschland garantiert, aber sie hat ihre Grenzen da überschritten, wo Holocaust-Opfer verhöhnt werden», sagte Grütters. «Wie dehnbar der Begriff der Kunst ist, sieht man, wenn er wie hier gelten soll für eine Ansammlung stumpfer Plattheiten, antisemitischer Ausfälle und frauenfeindlicher Beleidigungen.»

Dass Songs mit Texten, die menschenverachtende und herabwürdigende Passagen enthielte, von der Musikindustrie ausgezeichnet würden, offenbare die Fragwürdigkeit eines Preises, der nur auf Erfolg an der Kasse setzt. Ganz offensichtlich brauche es ein Innehalten, um den eigenen künstlerischen Anspruch und ethische Maßstäbe zu schärfen.

Pianist Igor Levit gibt Echo-Preis zurück

Berlin (dpa) - Aus Protest gegen die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang hat auch der Pianist Igor Levit seinen Echo-Klassik zurückgegeben. Die Vergabe an die beiden Rapper sei für ihn «ein vollkommen verantwortungsloser, unfassbarer Fehltritt der Echo-Jury und gleichzeitig auch Ausdruck für den derzeitigen Zustand unsere Gesellschaft», schrieb Levit auf Twitter. «Antisemitischen Parolen eine solche Plattform und Auszeichnungen zu geben, ist unerträglich.» Levit hatte 2014 einen Echo-Klassik erhalten.

Zuvor hatte bereits der Musiker und Grafiker Klaus Voormann den erst vor wenigen Tagen überreichten Echo für sein Lebenswerk zurückgegeben. Auch das Notos Quartett aus Berlin hat erklärt, seinen Echo Klassik vom vergangenen Herbst zurückzugeben. Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwortlichen zum Rücktritt auf. Auch andere Musiker und Kulturschaffende machten ihrem Unmut Luft. Der Bundesverband Musikindustrie kündigte angesichts der Proteste an, das Konzept des Preises zu überarbeiten.

Statement des Ensemble L’ART POUR L’ART

Das Ensemble L’ART POUR L’ART: Echopreisträger im Jahr 2012. Es geht uns nicht um die pathetische Rückgabe des Preises, eher möchte wir unser Erschrecken darüber (mit)teilen, dass durch die diesjährige Vergabe eines Echos an Kollegah und Farid Bang einmal wieder Tabubrüche um jeden Preis als Geschäftsmodell geadelt werden. Dieses furchtbare Geschäftsmodell sichert hohe Einschaltquoten, sichert klingende Kassen, sichert viele Wählerstimmen und ist durch die gesetzlich verbriefte Freiheit der Kunst reingewaschen. Nein, wir möchten dieses Gesetz nicht in Frage stellen. Kunst agiert aber nicht im luftleeren Raum, sondern hat nach unserer Auffassung eine gesellschaftliche Verantwortung.

Natürlich sind Zahlen eine klare Maßeinheit, viel klarer als jede menschliche, zivilisatorische Qualität, die auch von der Kunst in die Welt gesetzt werden kann, aber nur in zähen Prozessen wirksam wird und daher schwer als preiswürdig zu erkennen ist. Von daher ist ein Echo nach Verkaufszahlen natürlich leicht zu rechtfertigen. Wenn wir die politische und gesellschaftliche Situation unseres Deutschlands im Jahr 2018 ansehen, haben wir ein kristallines Bild davon, wohin das Diktat der Einschaltquoten und klingenden Kassen geführt haben.

Wir zitieren an dieser Stelle (mit einem in Klammern gedruckten Zusatz versehen) aus Wolfgang Borcherts 1947 geschriebenen Text „Dann gibt es nur eins“.

"Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie (die Geldgeber) dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!"

Wir wären verlogen, wenn wir nicht darauf hinweisen würden, dass der Echo auch anders kann. Unser mit einem Echo dekoriertes Projekt „haltbar gemacht“, eine CD mit Musik aus der Kompositionsklasse des Ensembles L’ART POUR L’ART, war kommerziell ein Flop, wurde aber als hoffnungsvoller Beitrag zu einem zivilen Leben angesehen. Ensemble L’ART POUR L’ART 17. April 2018

Stellungnahme vom BVMI zu Rückgaben des Musikpreises Echo

Berlin (dpa) - Der Bundesverband Musikindustrie will nun das Konzept des Preises überarbeiten. Auf der Facebook-Seite des Preises hieß es von den Veranstaltern am Montagabend: «Wenn im Zuge der aktuellen Diskussion Künstler entscheiden, ihren Echo zurückzugeben, bedauern wir das zutiefst, müssen diese Entscheidung aber natürlich respektieren. Wir hoffen, dass die Künstler trotzdem die Debatte mit uns weiter führen, in der es um mehr als um diesen Musikpreis geht.»

[update, 19:40]:

Echo-Veranstalter räumt Fehler ein und entschuldigt sich

Berlin (dpa) - Der Veranstalter des Musikpreises Echo hat die Trophäe für das als antisemitisch kritisierte Rap-Album von Kollegah und Farid Bang als «Fehler» bezeichnet. Das schrieb der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke, am Dienstag in einem Brief an die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. «Wir entschuldigen uns ausdrücklich dafür - bei Ihnen und allen anderen Menschen, deren Gefühle wir verletzt haben.»

Knobloch hatte die Auszeichnung als «verheerendes Zeichen» bezeichnet. Gerade erst entstehe in Deutschland die «ersehnte Sensibilität für den erstarkten Antisemitismus in unserer Gesellschaft, insbesondere an Schulen».

Knobloch habe mit ihrer Kritik vollkommen Recht, so Drücke. «Wir als Vorstand haben das falsch bewertet und wollten uns an der falschen Stelle für die künstlerische Freiheit einsetzen.» Das Geschehene sei nicht mehr rückgängig zu machen. «Wir können allerdings vermeiden, dass solche Fehler in Zukunft wieder geschehen.»

Meinungen von SPD-Bundespolitiker Martin Rabanus, Grünen-Bundespolitiker Erhard Grundl, Echo-Mitentwickler Thomas M. Stein

Berlin (dpa) - Der SPD-Bundespolitiker Martin Rabanus sagte laut «t-online.de», die Veranstalter des Echos hätten versagt. «Der Echo muss insgesamt neu aufgesetzt werden. Offensichtlich sind die Kriterien dieser Preisverleihung nicht geeignet, um antisemitische, fremdenfeindliche und menschenverachtende Werke auszuschließen.» In der Jugendkultur sei offensichtlich rechtsextremes Gedankengut salonfähig geworden.

Der Grünen-Bundespolitiker Erhard Grundl sagte laut «t-online.de», dass sich die Politik bei der Regulierung von Musik «zurückhalten» solle. «Antisemitismus wie bei Kollegah muss man nicht noch durch einen Preis unterstützen - ganz klar», so Grundl. «Aber ich rate zur Zurückhaltung. Es ist ein sensibles Spannungsfeld zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz.» Der Echo sei eine Selbstbeweihräucherung der Musikindustrie und ein Kommerzpreis. «Das Selbstverständnis der Musikbranche ist, dass das gut ist, was sich gut verkauft. Das muss sich ändern.»

Echo-Mitentwickler Thomas M. Stein sagte dem Portal, beim Rap dürfe man nicht alles auf die Goldwaage legen. «Ich bin nicht der Meinung, dass Farid Bang und Kollegah prädestinierte Antisemiten sind. Ich glaube, dass hier jetzt viel hineininterpretiert wird, was vorher gar nicht geplant war. Aber jetzt haben sie es nun einmal gesungen, jetzt wird es so interpretiert und jetzt müssen sie damit fertig werden.»

 

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