Im sächsischen Musikwinkel wurde an neuen Ideen geforscht - fünf Jahre, mit sieben Millionen Euro. Erste Ergebnisse liegen vor, die Zeit drängt: Das jahrhundertealte Handwerk steht vor einem Umbruch.
Sie hat Knöpfe, Schallröhren und besteht aus rund 180 Elementen: Um eine Schalmei herzustellen, brauchen die Instrumentenbauer der Werkstatt Jürgen Voigt GmbH normalerweise viele Stunden. Kleinste Teile müssen für das Blechblasinstrument, das auch als Martinstrompete bekannt ist, geschnitten, gefeilt oder geschliffen werden. Künftig könnte ein 3D-Drucker einige Arbeitsschritte abnehmen. «Damit haben wir einen Weg gefunden, einige Metallteile gleich im Ganzen herzustellen», sagt Kerstin Voigt, Geschäftsführerin der Meisterwerkstatt in Markneukirchen im Vogtland.
In einem Forschungsprojekt mit Wissenschaftlern der TU Bergakademie Freiberg gelang das Experiment. Für den Blechblasinstrumenten-Hersteller aus dem sächsischen Musikwinkel mit 40 Mitarbeitern allein wäre das nicht zu stemmen gewesen, betont Voigt. Die Anschaffung des 3D-Druckers würde fast eine halbe Million Euro kosten. «Die Technologie ist beim Drucken von Edelstahl oder Titan weit fortgeschritten. Aber bei den Buntmetallen, wie wir sie im Instrumentenbau verwenden, steckt sie in den Kinderschuhen.» Gelungen ist der 3D-Druck von Kleinstteilen, die das Innenleben einer Schalmei ausmachen und die aus Messing sind - sogenannte Luftverteiler. «Wir sind weltweit der einzige Hersteller dafür und die Arbeit war bisher aufwendig.»
Nächstes Jahr soll die erste Instrumentenserie mit den 3D-Druckformen in der Firma hergestellt werden. Sollte sie die Kunden überzeugen, könnten weitere Schalmei-Teile aus dem Drucker kommen. «Wir können nicht alles ersetzen. Noch müssen wir viel per Hand herstellen», erklärt Geschäftsführerin Voigt.
Zukunftsideen für den Instrumentenbau
Hintergrund der Forschungen ist das Bündnis «I-Ma-Tech», das sich vor fünf Jahren gegründet hat, bis 2025 läuft und seitdem mit sieben Millionen Euro vom Bund gefördert wurde. Das Hauptziel sei gewesen, die rund 350 Jahre alte Instrumentenbau-Tradition in der Region für die Zukunft fit zu machen, erläutert Holger Schiema, Geschäftsführer des Instituts für Musikinstrumentenbau in Klingenthal. Rund 50 Partner hätten sich zu 24 Forschungsprojekten zusammengefunden, darunter Instrumentenbauer, universitäre Einrichtungen und Handwerkskammern.
«Erste interessante Ergebnisse kommen zutage», erklärt Schiema. Die ländliche Region Südwestsachsens, die stark vom Musikinstrumentenbau geprägt ist, kämpfe mit Problemen wie Fachkräftemangel, fehlender Digitalisierung und vielerlei Beschränkungen. «Die Verwendung vieler traditioneller Materialien, darunter Hölzer und Metalle, gilt mittlerweile als schädlich für Umwelt oder Gesundheit. Sie bleibt nur durch Ausnahmegenehmigungen möglich.» Zum verwendeten Blei oder den Tropenhölzern im Instrumentenbau gebe es zunehmend EU-Richtlinien und Einschränkungen - und das mache die Suche nach Alternativen drängend. All diese Themen habe «I-Ma-Tech» aufgegriffen.
So wurden in einer neu erstellten Datenbank des Klingenthaler Instituts 800 traditionell verwendete und alternative Materialien des Instrumentenbaus analysiert und erfasst, ergänzt Mitarbeiter und «I-Ma-Tech»-Koordinator Erik Lenk. Beispielsweise wurde gepresstes, gehärtetes Papier als Holzersatz untersucht. «Viele bisher am Markt verfügbaren Alternativmaterialien, die thermisch, physikalisch oder chemisch verändert wurden, stellen noch keinen geeigneten Ersatz für die seit Jahrhunderten eingesetzten Materialien dar. Deshalb wird daran geforscht.»
Der bisher wenig erforschte 3D-Druck im Blechblasinstrumentenbau sei hingegen ein Erfolg, erklärt Kerstin Voigt. «Die neue Technologie hilft auch beim Fachkräftemangel.» Bis zu zwölf Einzelteile könnten gleichzeitig gedruckt werden. «Das entlastet unser Personal, das ich dann etwa für Sonderanfertigungen einsetzen kann.» Wichtige Forschungsgelder habe «I-Ma-Tech» in den letzten Jahren in den Musikwinkel gebracht, wovon viele der 130 Werkstätten mit den rund 1400 Beschäftigen profitieren könnten, erläutert Voigt, eine Mitbegründerin der Initiative.
Materialproblem geklärt
«Die Forschung kommt der Branche international zugute, das zeigt unser zweites Projekt», ergänzt die Blechblasinstrumentenbaumeisterin. Dabei wurde in den vergangenen Monaten eine Lösung für den sogenannten Zinkfraß gesucht. Dieses Problem trat seit den 1990er Jahren bei Blechblasinstrumenten auf: Das Blech färbt sich an einigen Stellen punktförmig rot, schließlich entsteht ein Loch. «Dann muss aufwendig und teuer repariert werden. Instrumentenbauer weltweit waren machtlos. Es kursierten abenteuerlichste Geschichten.» Etwa wurde angenommen, dass Europäer durch den Konsum von Milchprodukten ein zu saures Milieu erzeugen und dadurch den Instrumenten schaden.
Zusammen mit Freiberger Wissenschaftlern konnte nachgewiesen werden, dass sich die Zusammensetzung von Metallverbindungen, sogenannte Legierungen, im Blechblasinstrumentenbau in den vergangenen Jahren geändert hat. «Verunreinigungen oder Spurenelemente darin sind zunehmend verschwunden. Aber dadurch wurde das Metall anfälliger für den Zinkfraß», so Voigt. Eine neu entwickelte Legierung, ein sogenannter Austauschstoff, könnte das nun verhindern. «Jetzt hoffen wir, dass sich mehrere Instrumentenhersteller zusammenfinden. Dann könnten wir die neue Mischung als größere Menge bei den Rohstofflieferanten in Auftrag geben.»