Zwischen Weihnachten und Neujahr ist das Engadin lebendig wie nie – die ganze Welt läuft Ski, rodelt, schießt Eisstöcke und geht shoppen. Nur kulturell ist das Engadin in der Zeit zwischen den Jahren fast eine Wüste. Ein Zustand, den die Tessiner Privatkundenbank BSI, ehemalige Banca della Svizzera Italiana, definitiv beenden will. Vor drei Jahren gründete man das BSI Winter Festival unter der künstlerischen Leitung von Renaud Capuçon.
In der architektonisch und akustisch einmaligen französischen Kirche Église au Bois in St. Moritz, die schon Herbert von Karajan für seine Kammermusikkonzerte entdeckt hatte, boten Renaud und Gautier Capuçon sowie ihre Freunde Michel Dalberto, Paul Meyer, Aki Saulière und Béatrice Muthelet an drei Abenden ein ambitioniertes Kammermusikprogramm. Darunter etwa Antonin Dvoráks Streichquartett „Zypresse“, Felix Mendelssohn Bartholdys „Quartett a-Moll, op. 13“, Alban Bergs „Vier Stücke für Klarinette und Klavier, op.5“, Claude Debussys „Sonate Nr. 3 für Geige und Klavier in g-Moll“, Klaviermusik von Schubert und Brahms sowie Repertoire-Raritäten wie César-Auguste Francks „Klavierquintett in f-Moll“. Drei Abende für Kenner und Liebhaber.
Nun existieren in der Schweiz Dutzende von Festivals und noch mehr Banken. Warum also ein neues Festival gründen und finanzieren? Für Alfredo Gysi, Vorstandsvorsitzender der Tessiner Privatkundenbank, liegt das auf der Hand. Das Sponsoring bei BSI soll sich grundsätzlich von dem anderer Bankinstitute unterscheiden. Man will kein Sponsor im herkömmlichen Sinn sein, sondern ein Promoter. Man will eigene Events schaffen. Für Gysi geht es nicht darum, „den Brand millionenfach bekannt machen, es geht darum, mit den Kunden eine gemeinsame Kommunikationsebene zu schaffen, außerhalb der Finanzwelt“. Neben der bildenden Kunst hat die BSI klassische Musik als Hauptfeld ihrer Sponsoringaktivitäten erkoren. So erwarb die Bank vor nicht allzu langer Zeit die legendäre „Panetta“, eine Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1737, die ehemals im Besitz von Isaac Stern war. Seit vergangenem Jahr steht sie Renaud Capuçon zur Verfügung, der über sein neues Instrument sagt: „Wenn mir früher bei meinem alten Instrument bereits sehr viele Klangfarben zur Verfügung standen, dann sind es jetzt Millionen von Klangfarben.“ Sein Bruder Gautier Capuçon spielt ein Contreras-Cello von 1746, das ebenfalls im Besitz von BSI ist. Die Motive der BSI für dieses Engagement sind nicht rein mäzenatisch, sondern marktbezogen: „In der ganzen Art zu kommunizieren, gehören wir mehr der lateinischen als der nördlichen Kultur an“, erklärt Gysi. „Eine Geige ist das schönste Symbol für das, was diese Kultur in höchster Qualität generiert hat. Die Guarneri, die Violine im allgemeinen, ist ein Symbol unserer Bank. Es gibt kaum ein anderes Symbol, das so auf Anhieb verstanden wird. Insbesondere auch in den Entwicklungsmärkten in Asien und Lateinamerika.“
Im Gegensatz zum Progetto Martha Argerich in Lugano, bereits 2002 von der BSI aus der Taufe gehoben, verdient die dreitägige Kammermusikserie in St. Moritz den Namen Festival kaum. Doch die Planungen für 2008 haben schon begonnen. Zur instrumentalen Kammermusik wird das Lied hinzukommen. Auch eine neue Konzertreihe mit jungen Künstlern ist geplant. Die Bank unterhält auch ein Projekt „BSI Talent Programme“, das Stipendien für junge Künstler zwischen 16 und 21 Jahren vergibt. Diesen Musikern wird in Zukunft auf dem BSI-Festival in St. Moritz eine Plattform geboten.
Die BSI will als Veranstalter des Festivals kein Geld verdienen. Die Einnahmen diesen Winters gingen an die Musikschule Oberengadin St. Moritz, die 2008 ihr vierzigjähriges Jubiläum begeht. Doch auch im elitären Wintersportort St. Moritz hat die Musikerziehung mit monetären Problemen zu kämpfen. Seit längerer Zeit bemüht sich die Musikschule Oberengadin – eine Schule mit insgesamt 600 Schülern – erfolglos um eine geregelte Finanzierung durch die Gemeinden des Tals. So mussten die Unterrichtsgebühren entsprechend erhöht und die Lehrerlöhne eingefroren werden. Für die Jubiläumsaktivitäten ist die Musikschule erst recht auf Sponsoren angewiesen. Die Tessiner BSI schafft mit ihrer vielfältigen Musikförderung einen interessanten Sponsoring-Spagat zwischen Hoch- und Breitenkultur. Nachahmenswert.