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GEMA-Mitgliederversammlung. Foto: Hufner
Kreative Köpfe hören dem GEMA-Vorstandsvorsitzenden Harald Heker zu. Foto: Martin Hufner
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Das große Durchatmen vor den nächsten Klippen

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Die GEMA-Mitgliederversammlung in Berlin verlief unerwartet harmonisch
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So ruhig war es seit langem selten bei einer GEMA-Mitgliederversammlung. Der GEMA-Geschäftsbericht für das letzte Jahr ist positiv und die Aussichten für die Zukunft scheinen weniger ungewiss als früher. Zahlreiche wichtige Tarif-Abschlüsse mit wichtigen Nutzern (Musikveranstalter, Rundfunkanstalten, Bitkom, Streaming-Dienste…) sind in letzter Zeit unter Dach und Fach gebracht worden. Ein Antrag zur Neuregelung der Rundfunk-Verteilungssätze hat im Vorfeld für viel Aufregung gesorgt, ist aber offenbar durch Aufklärung und diplomatisches Geschick ohne jeden Krach von den Mitgliedern mit großer Mehrheit durchgewinkt worden.

Dabei waren die letzten 10 bis 15 Jahre richtig hart. Durch die zunehmende Verbreitung des Internets in Haushalten, mit all den kleinen Erfindungen (Napster, Tauschbörsen) und neuen Geschäftsmodellen (Streaming, Download), brachen zahlreiche angestammte Erlösmodelle für die Verwertungsgesellschaft mangels Nutzung weg. Am stärksten betraf das die Lizenzerlöse auf dem Tonträgermarkt. Es wurden und werden immer weniger CDs oder DVDs verkauft. Das Geschäft wird noch längst nicht durch das Netz kompensiert, aber der Weg dahin zeichnet sich immer deutlicher ab.

Innere Erneuerung

Das Netz sorgte aber auch für neue Öffentlichkeiten und Transparenzen, nicht nur angenehme. Das hat nicht immer zur Qualität der Argumentation auf beiden Seiten beigetragen. Wohlbekannt beispielsweise die Leugnung der Existenz von Open Source des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Reinhold Kreile. Dann kam die Kultur-Enquete-Kommission mit zahlreichen Kritikpunkten, sodann die so genannte GEMA-Petition mit Nebengeschmäckle, dann kriminelle Abrechnungsschiebereien von Mitarbeitern, Schließung von Bezirksdirektionen: lauter Baustellen neben dem operativen Geschäft.

Seit mehreren Jahren brisant ist ebenfalls der Konflikt mit der Video-Plattform „YouTube“, der immer noch nicht beigelegt ist, wohingegen die Lizenzierungsverhandlungen mit der Streaming-Plattform „Google Play Music All-Inclusive“ erfolgreich verliefen. Vor zwei Jahren dann der Streit mit den Musikveranstaltern wegen der Vereinfachung und Linearisierung der Tarife, was zu einer Demonstration aufgebrachter Berliner Clubgänger vor dem GEMA-Mitgliederfest führte. Auch dieses Problem ist beigelegt. Dann waren da noch die internen Querelen wegen der Repräsentanz und Anzahl der außerordentlichen Mitglieder der GEMA. Auch davon kein Ton zu hören. Im Gegenteil, die anwesenden stimmberechtigten Mitglieder haben ihre Arbeit vorbildlich und offensichtlich konsens-
suchend bewältigt.

Erfolge

Oder nehmen wir den gerichtlichen Erfolg der GEMA gegen die sogenannten Sperrtafeln bei YouTube. Der Erfolg gegen diesen Big-Player schenkt offenbar verlorenes Selbstbewusstsein zurück. Die andere offene Wunde ist das sogenannte Vogel-Urteil bei der VG Wort, wonach die Beteiligung an Ausschüttungen zwischen Verlegern und Autoren zur Debatte stand. Vogel hat gegenüber der VG Wort in München in zwei Instanzen Recht bekommen. Ähnliche Verfahren vor Berliner Gerichten in Sachen GEMA scheinen dagegen nicht durchzudringen.

Im Vorfeld hat die Neuordnung der Rundfunkverteilung zu zahlreichen kleineren und größeren Gefechten geführt. Eine Neuregelung war unumgänglich geworden, um überhaupt für das letzte Jahr ausschütten zu können. Das Deutsche Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde hat dies unmissverständlich gefordert. Nun war man sich überraschend schnell einig: Unter den Komponisten ebenso wie in und zwischen den Kurien der Verleger und Textdichter.

Solo, Soli, Solidarität

Kurzum: Die eigenartige Konstruktion der Mitglieder durch Textdichter, Komponisten und Verleger schien in diesem Jahr von großer Solidarität geprägt. Da schießt im Moment niemand quer. Das ist mithin sicher auch ein Verdienst des Aufsichtsratsvorsitzenden Enjott „MC“ Schneider, der einerseits Klartext spricht und dennoch zugleich höchste Diplomatie zwischen allen, teilweise durchaus konkurrierenden Beteiligten walten lässt.

Ebenso wie der Vorstandsvorsitzende Harald Heker, der manchmal noch etwas ungeschmeidig kantig wirkt, aber dem man seine Dienstleistung durchaus abnimmt. Überhaupt: Den größten und langanhaltenden Dankesapplaus machten die Versammelten der GEMA-Verwaltung und den GEMA-Mitarbeitern, sie lieferten, wie es neudeutsch heißt, eine „fabelhafte Performance“.

Die jahrelange zähe Arbeit zahlt sich aus – sicher für den einen mehr, für den anderen weniger. Eine künstlerische Gerechtigkeit gibt es nicht. Aber Vorsicht: Die nächsten Klippen kommen mit Sicherheit, sei es auf EU-Ebene, sei es wieder in den eigenen Reihen. Unmut regt sich zum Beispiel bei einigen Komponisten, die durch das Abrechnungssieb fallen. So zum Beispiel Alexander Strauch, der von „Erfahrungen mit oft leider massiv lückenhaften Abrechnungen“ im Bad Blog Of Musick berichtet und unmissverständlich sagt: „Da liegt der schwarze Peter leider bei der GEMA-Verwaltung.“

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