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Immer schön legal bleiben: Napster auf der Midem 2005. Foto: Midem/CA/Rougier
Immer schön legal bleiben: Napster auf der Midem 2005. Foto: Midem/CA/Rougier
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Der Bedarf der Menschen an Musik steigt

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Stimmungsbild von der Midem Cannes, Januar 2005
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So viel Trägheit kann erschüttern. Seit ein paar Jahren verändert sich das Verhalten von Musikhörern signifikant, doch die Branchenriesen scheint das nicht aus ihrem Verdauungsschlaf nach dem Milliarden-Mahl der Compact-Disc-Ära zu wecken. Jedenfalls hatte man bei den Diskussionen, die während des 39. International Music Market in Cannes (Midem) auf Panels und an den Ständen im Palais des Festivals geführt wurden, den Eindruck, dass den Vertretern der bislang den Markt dominierenden Major Companies der Ernst des Strukturwandels noch nicht bewusst ist.

Vielmehr verkündete der neue Chairman und CEO des internationalen PhonoverbandesIFPI (UK) John Kennedy voller Stolz, dass man bereits 45 Millionen Abmahnungen per E-Mails an die bösen Benutzer der so genannten P2P-Networks verschickt und einige davon auch vor Gericht gezerrt habe. Natürlich gehe es in erster Linie um Erziehung, konnte man außerdem vernehmen, was allerdings ein wenig seltsam anmutete angesichts der Tatsache, dass die Branche potentielle Kunden verklagt, anstatt ihnen etwas zu verkaufen, und angesichts der Nervosität, mit der zum Beispiel der Grokster-Prozess am US Supreme Court erwartet wurde, der Ende März 2005 darüber urteilt, ob Tauschbörsennutzer für Urheberrechtsverletzungen wirklich verantwortlich gemacht werden können. Im Hintergrund der angeheizten Diskussion steht nämlich der pure Überlebenskampf der herkömmlichen Plattenindustrie, die sich durch Vernachlässigung ihrer Businesspflichten aus dem Umsatzkuchen des Musikgeschäfts zu katapultieren droht. Anstatt sich auf die klassischen Aufgaben der Entdeckung und des Aufbaus von Künstlern und der Bündelung von Produktions-, Verteilungs- und Marketingkompetenzen zu konzentrieren, wurde jahrelang auf das schnelle Geld der Quartalszahlen geschielt, das sich kurzfristig auch mit Einwegsternchen und Soapklonen machen ließ. Wenigstens, solange der Katalog sich anstandslos auf traditionellem Weg verkaufte.

Schiefes Feindbild P2P

Dabei wird immer deutlicher, dass das von der IFPI kommunizierte Feinbild P2P nur das Symptom, nicht die Ursache der Krise trifft. Denn hinter dem Aufstieg der Tauschbörsen standen handfeste Interessen von Konkurrenten, die ganz andere Vorstellungen an die Musik herantragen als das bisherige Funktionsgeflecht aus Labels, Verlagen, Verwertungsgesellschaften, Ver-trieben und Offline-Handel. Da sind erstens die Internet Service Provider. Sie wollen Anschlüsse, Serviceleistungen, Onlinezeiten und Downloadmengen verkaufen. Da ist zweitens die Geräteindustrie. Sie will Hardware an die Kunden bringen, die um so attraktiver ist, je mehr sie kann. Beide Geschäftszweige haben ein unmittelbares Interesse daran, dass Musikfiles als Datensätze im Internet hin- und hergeschoben werden. Songs werden damit schon mal zu Vehikeln kaum kaschierter Promotion für andere Produkte wie im Fall des Download-Portals iTunes Music Store. Seit seiner Einrichtung im Herbst 2003 durch die Computerfirma Apple (nicht durch ein Musikkonzert, wohl gemerkt!) wurden allein über diese Adresse mehr als 250 Millionen Songs verkauft. Der unmittelbare Gewinn daraus ist gering, dafür gehen die dazu passenden Abspielgeräte weg wie warme Semmeln. Drittens sind da auch noch die Musikhörer. Sie sind es leid, mit verwechselbarem Repertoire zu saftigen, nicht nachvollziehbaren Preisen abgespeist zu werden (eine Zahl am Rande: Von einer CD, die im Laden für 17 Euro verkauft wird, bekommt der Künstler etwa einen Euro. Der Rest bleibt an der Wertschöpfungskette hängen) und haben den Prozess der Verteilung demokratisiert. Die Resultate dieser heimlich harmonierenden Interessen sind an der Krise der Plattenfirmen während der vergangenen drei Jahre deutlich abzulesen.

Kulturelle Flatrate

Sieht man auf der Midem also genau hin, so erkennt man die Zeichen der Zeit. Der Musikmarkt verändert sich grundlegend. Jeder bessere Rechner kann heute in ein kleines Studio verwandelt werden. Die Verteilung von Songs besorgen Internet-Plattformen. Für Marketing und Promotion sorgen Fan- und Community-Seiten. Die Bezahlung kann über so genannte Footprints – Algorithmen, die automatisch von Datenbankprogrammen erkannt und an Portale weitergeleitet werden, egal ob der Song illegal oder legal downgeloaded wird – oder über eine kulturelle Flatrate abgewickelt werden, wie sie vom inzwischen rehabilitierten P2P-Erfinder und diesjährigen Midem-Sponsor napster und dessen Mitstreitern im Laufe dieses Jahres über so genannte Subscription-Modelle an den deutschen Markt herangetragen werden. Da kann man sich dann für einen geringen monatlichen Pauschalbetrag in eine große und ständig wachsende Online-Jukebox einklicken, die Millionen von Musikstücken immer und überall auch auf mobilen Geräten zum Anhören verfügbar macht. Geht man davon aus, dass in wenigen Jahren die westliche Welt und der Boom-Markt China selbstverständlich ständig online sind, dann wird das Brennen ebenso überflüssig wie das Downloaden, denn jede mögliche Plattensammlung liegt bereits bequem im Netz. Außer in den enzyklopädisch und nostalgisch veranlagten Nischen wie Klassik oder Jazz werden physische Tonträger daher verschwinden und der CD-Käufer entwickelt sich wie der Vinyl-Freak zum Randphänomen, das zwar nicht ausstirbt, aber an Bedeutung für das große Geschäft verliert. Für die Independents ist das eine Chance, sowohl die Community-Bindung als auch die Identifikation mit ihren Produkten (= Kaufbereitschaft der Kunden) zu stärken und damit die eigene Existenz vorläufig zu sichern. Die Saurier des Geschäfts aber könnten ohne alternative, kundenfreundliche und realistische Businessmodelle demnächst im kulturgeschichtlichen Museum landen, weil sie ihre relevanten Geschäftsfelder schleichend an Technologie- und Kommunikationskonzerne übertragen haben. Der Bedarf der Menschen an Musik jedenfalls steigt weltweit ständig. Wer ihn adäquat zu bedienen weiß, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

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