Das Haus Schönborn im Rheingau verbindet man zunächst mit Weinbau. Der Verwalter des Guts, Paul Graf von Schönborn, hat aber auch musikalische Ambitionen: Der Schirmherr des 1958 von seinem Vater Karl Graf von Schönborn ins Leben gerufene Collegium Musicum vermarktet nicht nur edle Weine, sondern ganz aktuell auch eine musikalische Schatzkiste der besonderen Art: Das Notenarchiv seines Vorfahren Rudolf Franz Erwein, Diplomat und Anfang des 18. Jahrhunderts Schlossherr im unterfränkischen Wiesentheid. In einem feuerfesten Schrank stehen kostbare Handschriften und Drucke mit Werken vieler bedeutender Komponisten der Zeit, darunter Monteverdi, Telemann und Vivaldi. Zum Teil handelt es sich um die einzigen noch erhaltenen Originale.
(dpa/KIZ) Die ungewöhnliche Sammlung ist bislang nur Kennern ein Begriff. Das könnte sich ändern - nach 300 Jahren entdeckt die Klassik-Szene die Notenblätter des fränkischen Grafen. Immer wieder erscheint ihr Logo zurzeit auf Booklets neuer CDs, allein in diesem Jahr erschienen fünf Alben mit Stücken aus Wiesentheid. Einige wurden zum ersten Mal überhaupt eingespielt. „In den letzten fünf Jahren ist barocke Kammermusik mehr in Mode gekommen. Damit ist auch das Interesse an den Noten gestiegen“, sagt Graf von Schönborn.
Auch die argentinische Cellistin Sol Gabetta, die im Sommer mit dem Echo Klassik ausgezeichnet wurde, besuchte für ihr neues Album («Il progetto Vivaldi 3») das Notenarchiv im Schloss. Die CD mit Cello-Konzerten Antonio Vivaldis, aber auch Stücken der weniger bekannten Komponisten Giovanni Benedetto Platti, Andrea Zani und Fortunato Chelleri, landete prompt in den Top Ten der Klassik-Charts.
Die fast 500 Handschriften und knapp 140 Drucke aus dem Nachlass des Grafen geben einen bemerkenswerten Einblick in die höfische Musikkultur des ausgehenden Barock. Der begeisterte Cellospieler Rudolf Franz Erwein von Schönborn nutzte seine diplomatischen Verbindungen, um sich mit Noten bekannter Komponisten einzudecken - einige der Vivaldi-Konzerte besorgte ein Mainzer Gesandter in Venedig quasi nebenbei für den Neffen seines Dienstherrn.
„So eine Vivaldi-Sammlung gibt es in Deutschland kein zweites Mal“, betont Peter Stingel, der das Archiv seit kurzem rechtlich betreut. Weil Musiker zunehmend daran interessiert seien, alte Musik im Originalklang zu spielen, gebe es aber auch einen wachsenden Markt für Neueinspielungen von Werken unbekannter oder vergessener Komponisten.
So wurden auch Stücke von Giovanni Benedetto Platti erstmals aufgenommen. Der Italiener kam 1722 als Oboist ins Hoforchester des Würzburger Fürstbischofs, damals ein Bruder des Grafen von Wiesentheid. Die Amtszeit des Fürstbischofs währte nur kurz, sein Nachfolger strich dessen Kulturausgaben flugs wieder zusammen, doch Platti blieb in Würzburg. Im Auftrag des begeisterten Cellospielers Rudolf Franz Erwein schrieb er zahlreiche Konzerte und Sonaten für dieses damals noch junge Instrument.