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Geplante GEMA-Alternative sucht noch Mitglieder. Foto: Martin Hufner
Geplante GEMA-Alternative sucht noch Mitglieder. Foto: Martin Hufner
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Die GEMA bekommt Konkurrenz, vielleicht

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Neue Verwertungsgesellschaft „C3S“ sammelt Kapital für den Start
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Vor etwa einem Jahr berichteten wir über den Fortschritt bei der Entwicklung einer zweiten Verwertungsgesellschaft für Musik. Unter dem etwas sperrigen Namen „C3S“ (cultural commons collecting society) entwickelt eine kleine Gruppe von Enthusiasten seit etwa drei Jahren eine musikalische Verwertungsgesellschaft, die auch Verwertungsmodelle anbieten will, wie es sie bei der GEMA nicht gibt. Neben ganz gewöhnlichen Lizenzmodellen sollten dabei auch die sogenannten „Creative-Commons-Lizenzen“ als Verwertungsmodelle möglich sein. Diese sind dazu geeignet, feinstufiger auf Nutzerwünsche einzugehen – bis hin zur freien Nutzung und/oder Bearbeitung von Werken. Ebenso sollte bei der neuen Verwertungsgesellschaft das Mitspracherecht der Mitglieder nicht in einer Form gestaffelt sein, wie es bei der GEMA mit ordentlichen, außerordentlichen und angeschlossenen Mitgliedern der Fall ist: Jedes Mitglied hat das gleiche Stimmrecht.

Vor einem Jahr wirkte das Vorhaben noch etwas sektiererisch. Doch die Professionalisierung ist vorangeschritten. Seit ein paar Wochen sammelt man Kapital auf der Basis eines Crowdfundings. Die erste Hürde, 50.000 Euro, wurde bereits genommen (Stand 20. August: 71.944 Euro). 200.000 Euro müssen eingeworben werden, um eine tatsächlich funktionierende Infrastruktur für diese Gesellschaft, die sich nach dem Prinzip einer europäischen Genossenschaft (und nicht als Verein) konstituieren will, in Gang zu setzen. Sollte diese Summe  bis zum 30. September erreicht werden, sattelt das Land Nordrhein-Westfalen weitere 200.000 Euro (aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung) drauf – ganz sicher ist das noch nicht, es steht unter dem Vorbehalt einer technisch-formellen Prüfung. Das wäre ein Anfang! Ein erster Anfang, denn man muss davon ausgehen, dass für einen professionellen Ausbau (Personal und Technik) um die zwei Millionen Euro benötigt werden. Und man benötigt Mitglieder, aktive oder stille, denn die Anerkennung als musikalische Verwertungsgesellschaft muss vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) genehmigt werden. Das ist nicht so einfach, da, bevor man als Verwertungsgesellschaft zu arbeiten beginnt, nachgewiesen werden muss, dass man die Rechte der Mitglieder gesichert vertreten kann.

In der Netzwelt wird die Entwicklung der „C3S“ mit Wohlwollen verfolgt. Die GEMA selbst hat den Konkurrenten bislang nicht ganz ernst genommen, wie es scheint. Muss sie auch nicht, denn sie kann aus einer sicheren Position heraus agieren: Sie ist anerkannt, wenn auch nicht überall beliebt. Großes Manko der neuen Verwertungsgesellschaft: Sie muss klein anfangen, kann noch nicht vom Start weg alles für jeden in den gewünschten Formen lizenzieren. Die Initiatoren nennen drei Schritte: „Kurzfristiges Ziel ist die Verwaltung von Online- und Live-Lizenzen, in einem zweiten Schritt sind Lizenzrechte für den B2B-Bereich und die mechanische Vervielfältigung vorgesehen. Vermutlich erst langfristig kann die Lizenzierung im Rundfunk berücksichtigt werden.“ Diese Schrittfolge liegt nahe. Man kümmert sich zunächst um die Defizite, die die existierende Verwertungsgesellschaft aufweist und geht dann auf den „ganz großen Kuchen“. Damit ist „C3S“ für gut verwaltete GEMA-Mitglieder keine Alternative, wollen sie nicht auf ihr Geschäft verzichten. Für die kleinen und frustrierten GEMA-Mitglieder ist ein Übergang relativ gefahrlos. Nicht so für die „C3S“, die sich unter Umständen einem Heer neuer Mitglieder gegenübersieht, das nichts in die Kasse spült, aber voll stimmberechtigt ist. Genauso wie in der GEMA wird es Mitglieder geben, die das System für sich und nicht zum Nutzen der allgemeinen Mitglieder entdecken.

Am Ende könnte die GEMA dem Entwicklungsprozess noch einen Strich durch die Rechnung machen, in dem sie sich auch für die Einbindung von „Creative-Commons-Lizenzen“ öffnet und damit dem wesentlichen, aber nicht einzigen Lizenzmodell der „C3S“ in die Parade fahren würde. Andeutungen in diese Richtung gibt es vom Justiziar Tobias Holzmüller, der gegenüber dem Branchendienst „mediabiz“ erklärte: „Wir halten die Idee von CC-Lizenzen grundsätzlich für unterstützenswert.“

Für die Entwicklung solcher Modelle hat die GEMA aber noch reichlich Zeit, denn die „C3S“ will den Antrag auf Anerkennung beim DPMA erst in zwei Jahren stellen. Sollte sich die GEMA in dieser Richtung öffnen, dürfte es für die „C3S“ eng werden. Warum sollten dann noch GEMA-Mitglieder einen Wechsel in Betracht ziehen?

Die andere Frage ist: Belebt Konkurrenz das Geschäft? Und vor allem für wen? Gehen die Urheber gestärkt und sicherer mit diesem Konzept in die digitale Zukunft oder werden mit der neuen Gesellschaft Lohndrückermethoden seitens der Nutzer noch größer als sie sowieso schon sind. Ganz sicher wird die sogenannte GEMA-Vermutung ab Zulassung der „C3S“ als Verwertungsgesellschaft Geschichte sein. Abwarten! Den letzten Schritt macht man ja gewöhnlich nicht vor dem nächsten und sollte sich die GEMA langsam doch bewegen, wofür es durchaus Anzeichen gibt, wird die Sache nicht einfacher.

Eines ist sicher: Der Name der Organisation „C3S“ lässt sich nicht so leicht verballhornen wie der der GEMA. Sicher ist: Auch bei der „C3S“ geht es um das Geld der Urheber, um Lizenzen und ums Recht. Da hört, wie bekanntlich jeder weiß, jeglicher Spaß auf. Das Spiel (GEMA=Böse und „C3S“=Gut) wird sich dann, dazu muss man keine seherischen Fähigkeiten entwickeln müssen, ganz sicher in heiße Luft auflösen.
 

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