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High-Tech und Handarbeit: Beim Klavierbau ist beides nötig. Foto: Schimmel
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Drei Marken unter einem Firmendach

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Neue Produktpalette und Marketingstrategie beim Braunschweiger Klavierhersteller Schimmel
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Noch immer befindet sich die deutsche Klavierbranche in einer Absatzkrise. Bedroht durch das schwierige allgemeine wirtschaftliche Umfeld, die immer schneller immer mehr produzierende fernöstliche Konkurrenz. Bedroht nicht zuletzt durch ein schwindendes Kulturbewusstsein in der deutschen Bevölkerung. Geld ist da, aber lieber gibt man es für Mode oder Computer aus, als für ein Musikinstrument. Doch die deutschen Klavierhersteller schlafen nicht: Vielerorts werden neue Wege gesucht, um in einem sich anbahnenden Verdrängungswettbewerb standhalten zu können. Die neue musikzeitung besuchte den größten deutschen Hersteller, die Firma Schimmel in Braunschweig.

Das Gründungsjahr von Schimmel 1885 fiel in eine Boomzeit. Das Klavier war damals zentraler Bestandteil des Lebens, auch im Leben der „einfachen“ Leute. Schimmel war zu Beginn nur eine unter hunderten Marken in Deutschland und auch nur eine von vielen am Gründungsstandort Leipzig.

In einem Katalog aus der Jahrhundertwende stand zu lesen: „Schimmel Pianos – Qualitätsinstrumente für einen mittleren Preis“ . Eine für die Marke entscheidenden Schritt stellte 1935 die Konzentration auf das rastenlose Kleinklavier dar. Diese von Schimmel patentierte Bauweise ermöglichte die Herstellung von kleinen, leichten und günstig zu produzierenden Klavieren. Der „Käfer“ unter den Klavieren war geboren. Aus dieser Zeit stammt das Image „Schimmel gleich Produzent von Massenware“.

Heute liegt der Anteil der Braunschweiger Firma an der deutschen Produktion über 30 Prozent – Schimmel ist der Marktführer. Was das heißt wird klar, wenn man weiß, dass weltweit pro Jahr etwa 450.000 Instrumente (Klaviere und Flügel) verkauft werden. Davon 9.000 in Deutschland. 30 Prozent des Exports machen Klaviere aus, 70 Prozent Flügel. In Zahlen sind das etwa 1.700 Klaviere und 400 Flügel. Dazu kommen 200 Flügel der neuen Linie Vogel by Schimmel. Geht man davon aus, dass etwa 50.000 Flügel jährlich weltweit gekauft werden, dann hat Schimmel hier einen Marktanteil von etwa 1,3 Prozent.

Und den will man mit einer völlig neuen, auf der Musikmesse 2004 vorgestellten neuen Produktpalette inklusive Marketingstrategie ausbauen. „Qualität statt Quantität“ heißt das neue Motto.

Während einer Führung durch das Unternehmen erklärt Geschäftsführer Hannes Schimmel-Vogel die Innovationen: „Zur Zeit gibt es im Markt zwei Tendenzen zu beobachten: 1. Das Premiumsegment wächst konstant. 2. Geiz ist geil: billige Produkte gehen gut.“ Schimmel-Vogel zieht daraus die Konsequenz: „Nimmt man den Markt als Pyramide, dann muss eine Marke in allen Bereichen präsent sein – am Fuße, in der Mitte und in der Spitze.“
Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat Schimmel ein komplett neues Flügelprogramm erarbeitet. Erklärtes Ziel ist es, zum Premiummarktsegment, das von Steinway, Yamaha, Bösendorfer, Fazioli und Kawai beherrscht wird, aufzuschließen. Der Anfang sei gemacht, lässt das Unternehmen verlautbaren, seit 1999 habe man im Markt der Premiuminstrumente stark zugelegt und komme auf etwa 25 Prozent Marktanteil in diesem Segment.
Ein wesentlicher Schritt auf diesem Weg ist mit der Teilung der Marke Schimmel in drei Linien erfolgt: Schimmel Konzert, Schimmel Classic und Vogel by Schimmel. Unter dem Signet Schimmel Konzert sind alle Instrumente zusammengefasst, die zur konzertanten Anwendung entwickelt wurden. Neben den Flügeln sind dies auch neue Konzertklaviere. Schimmel Classic Pianos sind die meistgekauften Klaviere deutscher Herkunft. Sie stehen für zeitgenössisches Klavierbaukunsthandwerk und den Einsatz im privaten und institutionellen Bereich, wie etwa in Schulen und Musikschulen. Vogel by Schimmel rundet das Produktangebot des Braunschweiger Klavierbauers ab: Das Signet steht für ein hochwertiges Instrument aus deutschen Komponenten, die in einem Schimmel eigenen Werk in Polen kostengünstig zu einem wettbewerbsfähigen Instrument zusammengefügt werden.

Vogel-Schimmel bestätigt: „Der Handel drängt nach wie vor auf Menge. Heute werden nicht weniger Klaviere verkauft als früher. Allerdings ist man im deutschen Markt mit den höchsten Qualitätsansprüchen konfrontiert.“

Nach den bekannten Designer-Flügeln von Otmar Alt, Luigi Colani oder dem Glasflügel von Schimmel gefragt, bestätigt Vogel-Schimmel auch hier befriedigende Absätze. Allein aufs Design als Innovation setzt man schon lange nicht mehr: Dazu Gabriela Schimmel, seit 1994 im Management des Familienunternehmens: „Die Design-Nische ist eine gefährliche Schiene. Man kann schnell aus der Mode kommen und wird qualitativ nicht ernst genommen.“ Beim typischen Klavier-Kunden sei Innovation im Übrigen wenig gefragt. Instrumente aus alternativen Materialien wie Glas oder Kunststoff bleiben immer kleinen Serien vorbehalten.

Bei den elektronischen Innovationen hat die deutsche Klavierindustrie bereits den Zug verpasst, als vor 40 Jahren die ersten elektronischen Instrumente auf den Markt kamen. Schimmel hat zwar in den 60er-Jahren Heimorgeln gebaut, „wir hatten jedoch keine Chance, mit dem Stand der Technik Schritt zu halten”, gibt Hannes Schimmel-Vogel unumwunden zu. Der Marktführer Yamaha – „der Steinway der Elektronik“ – ist mit 24,9 Prozent Gesellschafter beim Familienunternehmen Schimmel.

Schimmel gehört zu den industriellen Musikinstrumentenherstellern. Dass Klavierbau aber nach wie vor Handwerk, sogar Kunsthandwerk ist, wird auch dem Laien beim Rundgang durch die Fertigungshallen klar. Das Kapital des Unternehmens ist der hochqualifizierte Mitarbeiter, der mit Liebe und Kreativität am Produkt arbeitet.

Zu den 220 Mitarbeitern, von denen ein hoher Prozentsatz ausgebildete Klavierbauer, Holztechniker oder Schreiner sind, zählen 20 Lehrlinge. Es ist kein Zufall, dass man mit motivierten und qualifizierten Mitarbeitern wie hier in Braunschweig auf „Nebennischen mit Zukunft“, so Vogel-Schimmel, schneller reagieren kann. So stellen die Klavierbauer „nebenher“ auch noch Möbel für den Edel-Versand Manufaktum her.

40 Prozent der gesamten deutschen Klavierproduktion kommen aus Braunschweig. Das ist nicht nur Schimmel mit 30 Prozent, sondern auch das bereits 1835 gegründete Unternehmen Grotrian-Steinweg. Obwohl Mitbewerber in einem hart umkämpften Markt, hoben die beiden Firmen 2003 gemeinsam ein originelles und von insgesamt 10.000 Besuchern frequentiertes Klavierfestival „Tastentaumel“ aus der Taufe (siehe auch nmz 11/2003

In einer Zeit, in der Massenmedien und Freizeitindustrie das Zeitkontingent der Menschen mehr und mehr für sich in Anspruch nehmen, sicher eine Idee, die sich langfristig für beide Unternehmen auszahlt: Das Thema Klavier, überhaupt das Thema Musik und Selber-Musizieren wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

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