Lindenfels - Wer auf den Ledersack drückt, kann Töne erzeugen - und die können mitunter ziemlich laut ausfallen. Dudelsäcke sind eine Wissenschaft für sich. Ein Mann aus dem Odenwald hat sich ihr verschieben. Er baut die historischen Instrumente seit Jahrzehnten.
Vor 32 Jahren hängte Jürgen Ross seinen sicheren Verwaltungsjob beim Landratsamt des Kreises Bergstraße an den Nagel, um seiner Passion nachzugehen. Er wählte statt des sicheren Einkommens ein freies Berufsleben - mit dem Dudelsack. «Der Klang hat mich fasziniert», sagt der 64-Jährige über den Beginn seiner Leidenschaft. «Der Dudelsack ist nichts anderes, als das in den Griffkriegen von schwingender Luft in Hohlräumen.»
In vier Werkstätten baut Ross seine Dudelsäcke. Daneben sammelt er alles zur Geschichte der historischen Instrumente, tauscht sich mit Experten in aller Herren Länder aus und räumt gleich mit einer weit verbreiteten Meinung auf: «Der Dudelsack stammt nicht aus Schottland, sondern aus dem heutigen Indien.» Die Musikwissenschaft schätze die Anfänge auf Tausende Jahre vor der Zeitenwende.
Ross gilt nach eigener Aussage nicht als Instrumentenbauer, sondern als Künstler. «Wir haben bei der Herstellung eine eigene Philosophie entwickelt», sagt er. So würden heute schon Hölzer bearbeitet, die erst in zehn Jahren gebraucht würden. Diese müssten mit Öl behandelt und dann die Luft aus dem Holz gesaugt werden. Zusammengesetzt und in alle Welt verkauft werden die Instrumente in seinem Elternhaus.
Für einen Nachfolger hat der 64-Jährige, der die kleine Firma mit seiner Lebensgefährtin führt, übrigens schon gesorgt. Ans Aufhören denkt er dennoch nicht. «Mit 80 anzufangen, jemanden einzuarbeiten, ist zu spät.» Es gebe derzeit immer noch physikalische Dinge, die ihm noch nicht so klar seien bei dem Instrument. «Ich habe mit dem Dudelsack noch eine Rechnung offen.»