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Neuheiten beleben das Geschäft: Klaus Heymann. Foto: Naxos
Neuheiten beleben das Geschäft: Klaus Heymann. Foto: Naxos
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Ein Blick zurück nach vorn

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Naxos-Gründer Klaus Heymann im Gespräch
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Als Klaus Heymann vor 25 Jahren das Label „Naxos“ gründete, startete er aus dem Nichts heraus. Lange Zeit wurden seine Produktionen belächelt, seine Preis­politik veränderte den Markt jedoch nachhaltig. Heute setzt das weit verzweigte Unternehmen, zu dem auch Vertriebe und ein eigener Notenverlag (Artaria Edi­tions) gehören, mit der „Naxos Music Library“ vor allem auf das Internet. Zeit, sich auf Lorbeeren auszuruhen, hat Heymann aber selbst im Alter von 76 Jahren nicht. Über die Anfänge, das neue Label „Grand Piano“ und seine aktuellen Pläne sprach er mit Michael Kube.

neue musikzeitung: Herr Heymann, wenn Sie die vergangenen 25 Jahre einmal Revue passieren lassen: Was sind für Sie die wichtigsten Stationen?

Klaus Heymann: Die wichtigste Station war natürlich die Geburt des Labels, und die war eigentlich gar nicht geplant. Ich hatte 1982 mit „Marco Polo“ angefangen, das sich auf Welt-Ersteinspielungen konzentrierte, aber das war eher ein Hobby. Eigentlich war ich von allen großen internationalen Pop-Labels – wie Virgin, RCA, Motown, Jive – Lizenznehmer für den asiatischen Raum. Zu Naxos bin ich dann gekommen wie die Jungfrau zum Kinde: Ein koreanischer Geschäftsfreund wollte 30 Klassik-Aufnahmen in einer Box von Tür zu Tür vertreiben. Ihm fehlten aber die Aufnahmen. Ich habe dann herumtelefoniert und wurde bei einem Be­kannten fündig, der damals in Paris lebte. Eine deutsche Firma hatte Einspielun­gen in Bratislava machen lassen, aber vergessen, die Kapazität bei den Presswer­ken zu reservieren. Von ihm habe ich die Produktionen für 500 Dollar pro Titel gekauft. Dann sprang der Mann aus Korea ab, weil er nicht an die Kosten fürs Mas­tering gedacht hatte. Da habe ich die Sache selbst in die Hand genommen. Und weil die Künstler unbe­kannt waren, haben wir das einfach billiger verkauft. So fing Naxos an.

nmz: Wie haben Sie damals den Vertrieb organisiert?

Heymann: Am Anfang haben wir viel mit Außenseitern zusammengear­beitet, weil sich die etablierten Klassik-Distributoren mit Naxos nicht die Finger schmutzig machen wollten. Diese Außenseiter aber verstanden das Geschäft nicht mehr, als der Katalog rasch auf Hunderte von Titeln anwuchs. Da war ich ge­zwungen, auf den meisten großen Märk­ten eigene Vertriebsfirmen zu gründen. Und diese sind die Grundlage des Erfolges der Firma, denn sie führen nicht nur das physische Geschäft durch, sondern sind auch für den Vertrieb all der digitalen Produkte verantwortlich, die wir haben.

nmz: Im Internet waren Sie von Anfang an dabei…

Heymann: Bereits 1996 stellten wir unseren ganzen Katalog ins Internet. Damit waren wir weltweit führend, das hatte noch keiner gemacht. Dann kam 2002 die Naxos Music Library, ein Jahr später iTunes – und auch da waren wir die ersten, die iTunes den ganzen Katalog zur Verfügung stellen konnten, denn wir hatten ja alles schon auf unseren eigenen Plattformen. Die größten Einnahme­quellen spru­deln dort, nicht beim eher langweiligen Verkauf von Tonträgern.

nmz: Inwieweit ist es dann überhaupt noch attraktiv, Neueinspielungen zu produ­zieren?

Heymann: Das „lohnende“ Repertoire hat für mich schon lange aufgehört. Und wir haben das Problem, dass wir die Naxos-Titel zum Niedrigpreis verkau­fen. Wo wir langsam die Preise erhöht haben, war es immer noch nicht genug, um die gleiche Kalkulation zu haben wie eine Firma, die im Hochpreis-Segment ver­kauft – obwohl wir inzwischen sehr oft das gleiche oder ähnliches Repertoire auf­nehmen, teilweise gar mit denselben Orchestern und Produzenten arbeiten. Wir könnten es also auch teurer anbieten. Irgendwie sind wir aber aufgrund unserer Vergangenheit nicht in der Lage, den Sprung vom Niedrigpreis- ins Midprice- oder Hochpreis-Segment zu schaffen. Bei einer Orches­ter-CD müssten wir 15.000 Stück verkaufen, um den Break-even-Point zu erreichen. Das aber schaffen wir heute nicht mehr. Die einzigen Titel, die im vergangenen Jahr über die 10.000-Stück-Grenze hinausgegangen sind, waren die Einspielungen von Schostako­witsch-Sinfonien mit dem Royal Li­verpool Philharmonic unter Vasily Pe­trenko. Aber wir machen trotzdem weiter, weil Neuheiten das Geschäft beleben. Und weil wir eben enorme Einnahmen aus unseren Internet-Aktivitäten beziehen, weil wir diesen riesigen Katalog haben. 

nmz: Und mit „Grand Piano“ haben Sie jetzt ein neues Raritäten-Label aufgelegt.

Heymann: Nein, das kam so: Wir sind ja mittlerweile der Branchengrößte, was die Zahl der Veröffentlichungen angeht, die Breite und Tiefe des Repertoires. Also kommen immer mehr Künstler zu uns mit Projekten. Ich bin ja sehr leicht verführbar, was das Repertoire angeht. Was aber tun mit all diesen riesigen Pro­jekten, etwa Saint-Saëns’ Klaviermusik, oder Manuel Ponce komplett auf acht CDs? Da sagte ich mir: Machen wir also ein Speziallabel, und wenn wir das im Hoch­preis ansiedeln, können wir den Break-even schon bei 3.000 Stück schaffen. Das Label ist sehr gut akzeptiert worden, und bisher ist kein Titel dabei, der sich unter 2.000 Stück verkauft hat.

nmz: Die Verschiebung hin zum Internet hat aber auch Auswirkungen auf die Firmenstruktur.

Heymann: Schon. Für Naxos beschäftigen wir 10 Mitarbeiter, für das ganze digitale Umfeld haben wir inzwischen 74. Es gibt ja auch noch naxos.com, die Naxos Video Library, und wir machen den Digitalvertrieb von vielen anderen Labels. 

nmz: Gibt es Pläne für einen weiteren Ausbau oder haben Sie schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft?

Heymann: Zunächst einmal haben wir in der Naxos Music Library noch nicht alles. Es fehlen uns noch zwei der Großen, Sony und Universal, und es fehlen noch ein paar der größeren Independents, die sich immer noch sträuben – aber wir haben als Ziel, in den nächsten zwei Jahren die Daten aller Labels in einem Standardformat in unserer Datenbank zu haben. Das wird ein neues Geschäft. Denn unsere eigenen Daten sind viel detaillierter als das, was Sie bei iTunes, emusic et cetera finden, oft sogar viel detaillierter als die Daten von den Labels selbst. Das langfris­tige Ziel ist eine weltweite komplette Datenbank klassischer Musik. Parallel dazu haben wir angefangen, Werkinformationen zu sammeln. Wenn Sie die Library besuchen, finden Sie viele Informationen über Kompositio­nen unter Work Details. Wir arbeiten gerade aber auch an einer Datenbank, in der wir alle verfügbaren Werke der klassischen Musik speichern; mittlerweile sind es etwa 25.000 Werke. Ein Team von vier Musikwissenschaftlern auf den Philippi­nen arbeitet etwa nur an den Werkdaten, die Suchmaschine ist quasi fertig. Wenn es so weit ist, können Sie von 30.000 bis 40.000 Werken die Instrumentation abfragen, den Verleger, das Jahr der Komposition und so weiter. Wir haben außerdem eine interaktive digitale „Enzyklopädie der klassischen Musik“ in Arbeit, so ähnlich wie Grove oder MGG, nur dass Sie sich alles auch anhören können. Wenn Sie ein Stück aufrufen, können Sie dazu Texte lesen und Informationen anklicken. Aber das wird sicher noch zwei Jahre dauern, bis es marktreif ist.

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