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Ein Intendant der neuen Zeit

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Der Bau des neuen Konzerthauses in Essen
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In Essen wird 2004 ein neues Konzerthaus eröffnet: ein spannendes Unterfangen, das die unterschiedlichsten musikwirtschaftlichen und kulturpolitischen Aspekte berührt. Die neue musikzeitung wird den Um- und Ausbau sowie die Gesamtplanung des Hauses als Medienpartner begleiten und dabei über Themen berichten, die für unsere Leser interessant sind. Zum Start sprach Barbara Haack in Köln mit dem Intendanten, Michael Kaufmann. In den kommenden Ausgaben werden wir das Entstehen des neuen Hauses weiter begleiten.

In Essen wird 2004 ein neues Konzerthaus eröffnet: ein spannendes Unterfangen, das die unterschiedlichsten musikwirtschaftlichen und kulturpolitischen Aspekte berührt. Die neue musikzeitung wird den Um- und Ausbau sowie die Gesamtplanung des Hauses als Medienpartner begleiten und dabei über Themen berichten, die für unsere Leser interessant sind. Zum Start sprach Barbara Haack in Köln mit dem Intendanten, Michael Kaufmann. In den kommenden Ausgaben werden wir das Entstehen des neuen Hauses weiter begleiten. Kaum hat das neue Dormunder Konzerthaus seine Tore geöffnet, schon scharrt der Ruhrgebiets-Nachbar mit den Hufen. Auch die Stadt Essen lässt sich nicht lumpen und will im Juni 2004 ihr eigenes Konzerthaus eröffnen. Im Gegensatz zu Dortmund wird es hier aber keinen Neubau geben. Vielmehr wurde in Essen – nach intensiver öffentlicher Diskussion – die Entscheidung getroffen, den existierenden, schon 100 Jahre alten Saalbau in einen modernen Konzertbau zu verwandeln.

Muss denn die Stadt Essen – zwischen Düsseldorf und Dormund, zwischen Köln und Bochum liegend – nun auch noch ihren eigenen Konzertsaal haben? 90.000 Essener Bürger, die, um die Entscheidung zu beschleunigen, sich in einer Bürgerbewegung zusammenschlossen und Unterschriften sammelten, waren der Meinung: Sie muss. Und auch Vertreter der Essener Industrie standen hinter dem Projekt, nicht zuletzt vielleicht deshalb, weil sie mit ihren Geschäftspartnern und Gästen aus aller Welt eben nicht immer in die umliegenden Metropolen fahren wollten, um ihnen „große“ Kultur zu bieten. Natürlich wurde die Frage: „Konzerthaus ja oder nein?“ schnell auch zum Politikum. Engagierte sich die 1998 regierende SPD für einen kompletten Neubau, so machte die oppositionelle CDU den Umbau zum Wahlkampfversprechen. Ausschlaggebend war schließlich ein Geldgeber: Die Thyssen-Krupp-Stiftung versprach, sich mit 13 Millionen Euro zu engagieren – unter der Bedingung, dass der alte Saalbau um- und ausgebaut werde. Damit war die Entscheidung gefallen.

Einen musikalischen Namen hat sich die Stadt Essen bisher vor allem durch die Qualität ihres Musiktheaters und dessen Generalmusikdirektor Stefan Soltesz gemacht. Der gute Ruf des Hauses geht weit über die Stadtgrenzen hinaus. Soltesz hat nun mit dem Intendanten des Saalbaus, Michael Kaufmann, einen neuen Kollegen bekommen. Beide gehören zur Theater & Philharmonie Essen GmbH (kurz: TuP), deren Kopf ein kaufmännischer Geschäftsführer ist.
Michael Kaufmann ist so etwas wie ein „Intendant der neuen Zeit“. Programmatische und inhaltliche Entscheidungen für das neue Haus haben für ihn hohe Priorität. Gleichbedeutend aber sind Aufgaben des modernen Managements, allen voran die Frage, wie denn das – sorgfältig ausgewählte – Programm langfristig ein möglichst großes Publikum anlockt. „Es geht darum, dass Menschen, die sich ein Programm ausdenken, auch Lust daran haben, es zu verkaufen“, sagt Kaufmann. Marketing gewinnt einen hohen Stellenwert in der Planung zukünftiger Konzertprogramme.

Im Übrigen ist Michael Kaufmann zurzeit insbesondere mit allen Fragen der Bauplanung und Einrichtung des Hauses beschäftigt. Ein vielseitiger Job also, zu dem ihn sein beruflich vielseitiger Werdegang befähigt. Schon sein Studium der Germanistik, Rhetorik und Ethnologie war begleitet von einer intensiven Beschäftigung bei den Ludwigsburger Festspielen, wo er zunächst für die technische und logistische Organisation, später auch für Fragen der künstlerischen Planung verantwortlich war. Hier, so Kaufmann, habe er alles Grundlegende gelernt. Schon allein deshalb, weil ein kleiner Betrieb wie die Festspiele ein Denken in einzelnen Ressorts verhindere: Jeder Mitarbeiter musste darauf vorbereitet sein, auch mal den Kollegen aus anderen Bereichen zu vertreten. Eine Rundum-Ausbildung zum Musikmanager also! Später war Kaufmann beim Deutschlandfunk für den zentralen Veranstaltungsdienst zuständig. 1991 suchte das Kölner Gürzenich-Orchester einen neuen Orchesterdirektor.

Kaufmann griff zu und stieg, als Franz Xaver Ohnesorg die Musik-Triennale ins Leben rief, auch hier ein, später ganz darauf um, wurde schließlich Betriebsdirektor der Köln Musik GmbH. Ohnesorgs Weggang brachte für Kaufmann, der als Nachfolger im Gespräch war, auch einen beruflichen Wechsel mit sich. Als für den Veranstaltungsbereich zuständiger Geschäftsführer der Kölnarena lernte er nun auch den Konzertbetrieb außerhalb der Klassik kennen. Nach dem Holzmann-Crash – die Kölnarena ist eine hundertprozentige Holzmann-Tochter – machte sich Kaufmann als Berater selbstständig. Jetzt ist er Intendant des Essener Konzerthauses und kann hier seine vielfältigen Erfahrungen umsetzen.

In der Bauphase gilt es, die unterschiedlichsten Fragen zu entscheiden, diverse Probleme zu lösen. Angefangen bei der Saal-Akustik, für die Kaufmann Karl-Heinz Müller, einen bekannten Akustiker aus München, gewinnen konnte bis hin zum Catering, der Ausstattung der Künstlerräume oder des Bodenbelags für das Foyer. Bis auf die tragenden Wände des alten Saalbaus wird tatsächlich alles neu gemacht. Die Planung sieht einen Umbau des bisherigen Saals mit 1.100 Plätzen in einen Konzertsaal mit knapp 2.000 Plätzen vor. Der bisherige „klassische“ Kammermusiksaal fällt weg, dafür gibt es den „RWE-Pavillon“ mit 400 Plätzen, der vielseitig verwendbar sein soll: Kammermusik, Experimentelle Musik, Kinderkonzerte, Mischformen aus Literatur und Musik oder Kunst und Musik sind hier denkbar. Geplant sind – für beide Säle – insgesamt zirka 170 Veranstaltungen im Jahr. Davon werden etwa die Hälfte vom Intendanten verantwortete Eigenveranstaltungen sein.

Und die „Konkurrenz“? Das Konzerthaus Dortmund – in unmittelbarer Nachbarschaft – hat den Essenern zwei Jahre voraus, um sich zu profilieren. Gibt es überhaupt genügend Publikum, um ein so gedrängtes Kulturprogramm wie das des Ruhrgebiets an den Mann zu bringen? Grundsätzlich, so Kaufmann, gehe es erst einmal darum, sich in der eigenen Stadt einen Namen zu machen. Die Konzerthäuser Köln und Düsseldorf sind ein gutes Beispiel für nicht konkurrierende Nachbarschaft. Die 6 Millionen Menschen, die im Ruhrgebiet wohnen, sind mehr als genug, um beide Häuser zu füllen. Nun geht es darum, das potenzielle Publikum anzulocken, es davon zu überzeugen, dass sie in den Kulturhäusern gut aufgehoben sind. Und natürlich sind auch Kooperationen zwischen Essen und Dortmund denkbar. Zumindest Michael Kaufmann könnte sich das gut vorstellen.

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