Eines wurde schnell klar beim Symposium „Wie man sich Freunde schafft …“, zu dem der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI eingeladen hatte: Der Begriff „Freund“ im Zusammenhang mit Freundeskreisen kultureller Institutionen ist nicht als Floskel, sondern ernst gemeint.
Tatsächlich sollte eine gute Beziehung die Kooperation zwischen Freundeskreis und Kulturbetrieb begleiten: eine inhaltliche Beziehung zwischen dem „Freund“ und den Aktivitäten der Institution, eine persönliche zwischen den agierenden Menschen. Sonst kann die Luft sehr schnell dünn werden, wie Peter Raue in seinem Vortrag über mögliche Spannungen zwischen „Freunden“ und kulturell Aktiven andeutete: Wenn ein Theater zum Beispiel einen Intendantenwechsel vornimmt, einhergehend mit der Auswechslung zumindest eines Teils des künstlerischen Personals, dann kann sehr schnell die „Freundschaft“ abkühlen. Ein Freundeskreis aber, der sich als solcher nicht (mehr) fühlt, sollte über sein weiteres Engagement gut nachdenken. „Friendraising geht vor Fundraising“ – so drückte das Eberhard von Koerber vom Stiftungsrat der Berliner Philharmoniker bereits im Eingangsreferat aus.
Erst muss die persönliche Beziehung, möglichst bereits ein Netzwerk von persönlichen Beziehungen existieren, dann kann man über Förderung und über Geld sprechen. Im Übrigen verstehen sich Freundeskreise nicht in erster Linie als Geber, eher als Sammler von Geld. Darüber hinaus helfen sie aber auch durch Bereitstellung von Know-how, zum Beispiel bei juristischen oder wirtschaftlichen Fragen.
Paradebeispiel für das funktionierende „Networking“ ist der Freundeskreis europäischer Jugendorchester in Berlin, der vor acht Jahren das überaus erfolgreiche Festival „Young Euro Classic“ ins Leben rief. Das ist nicht der übliche Weg: Normalerweise bildet sich ein Freundeskreis zur Unterstützung einer Institution, wie zum Beispiel der Verein der Freunde der Berliner Nationalgalerie oder der Freundeskreis der Berliner Staatsoper. Der YEC-Freundeskreis nun nutzte die bereits existierenden Netzwerk-Kontakte für etwas Eigenes; das Netzwerk wird inzwischen ständig größer, und heute gibt es, wie die Festivalleiterin Gabriele Minz in einer Diskussionsrunde erläuterte, bereits ein weiteres Gremium: die „Freunde des Festivals“, einen Freundeskreis eher im klassischen Sinne.
Die Frage nach Art und Qualität der Freundschaftsbeziehung ließ Diskutanten und Zuhörer nicht los. „Suchen Sie sich Ihre Freunde aus?“ lautete eine Frage aus dem Publikum, und: „Was tun, wenn ein unsympathischer Mensch eine aktive Rolle im Freundeskreis übernimmt?“ Die Akteure auf den Podien sparten die Antworten größtenteils aus. Im Kaffeepausengespräch mit Vertretern beider Seiten blieb das Thema jedoch präsent. Wer wagt es schon, einen „Freund“ oder gar ganzen Freundeskreis fallen zu lassen, mit dem man zwar nicht auf einer Wellenlänge ist, der aber doch das eine oder andere Projekt finanziert? Den Mut zur Trennung muss man sich erst einmal leisten können.
So lange es Mäzene, Sponsoren, Freundeskreise gibt, steht die Frage im Raum, ob und inwieweit sich diese in künstlerische Belange einmischen (dürfen). Einiges wurde hier – manchmal nur am Rande – ausgesprochen, das zwar nicht salonfähig, aber realitätsnah ist. „Wie wär’s denn mal mit einer Traviata?“ – Die durchaus denkbare Frage eines privaten Geldgebers wurde von Peter Raue beispielhaft in den Raum gestellt. Freundeskreise seien durchaus nicht an die Vorgabe gebunden, jedwede Unabhängigkeit zu garantieren, und engagierte Freunde reden gerne mit. Der Dialog über Inhalte kann in vielen Fällen sinnvoll sein. Er muss aber Grenzen haben.
Natürlich können Private häufig ganz anders agieren als öffentliche Geldgeber, deren Entscheidungen in der Regel lange und schwierige Instanzenwege durchlaufen. Das Erfolgsprojekt „MoMa“ in Berlin verfügte über zirka eine Million Euro fürs Marketing – eine Ausgabe, so Raue, die bei öffentlicher Förderung sofort in den Streichtopf gewandert wäre, die aber für die Akzeptanz und Begeisterung des Publikums ausschlaggebend war. Auch hier aber kann es zu Spannungen kommen: Wer trifft denn eigentlich die Entscheidungen über die Ausgabe von Spenden? Wer verwaltet das von den „Freunden“ eingeworbene Geld? Fragen, die mit jenen nach der künstlerischen Unabhängigkeit eng einhergehen. „Wer zahlt, schafft an“, heißt es. Der Grad zwischen dem fruchtbaren Dialog und der Verletzung der künstlerischen Freiheit ist gar nicht so breit.
Dies sind heikle Fragen, so dass sie kaum auf offener Bühne vor viel Publikum intensiv diskutiert werden können. Verdienstvoll ist es allemal, dass der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft solche Themen publik macht. Im Übrigen ist eine solche Veranstaltung ein ideales Forum, um Fragen zum Beispiel juristischer oder finanzpolitischer Art zu stellen und zu beantworten. Ganz abgesehen davon, dass diverse Pausen bereits Gelegenheit zu neuem „Networking“ geben. Immerhin bildeten durchaus nicht nur Vertreter kultureller Institutionen das Publikum. Offenbar sind auch die „Freunde“ daran interessiert, sich weiterzubilden und zu diskutieren. Sie kamen in großer Zahl.
Ein kurzer Blick auf das Abschlusspanel der Veranstaltung: Mit seiner Äußerung „Die Öffentlichkeit fördert Kultur, weil es nicht genug private Förderung gibt“, zeigte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin Flagge. Der in der Regel herrschende Konsens darüber, dass private Förderer die Öffentlichkeit keinesfalls aus ihrer kulturellen Verantwortung befreien dürfen, wurde hier ins Gegenteil verkehrt. Die wahren Freunde der Kultur sollten sich davon nicht abschrecken lassen.