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Irene Lawford-Hinrichsen (li.) mit Cousin Henry (2.v.li.) und Cousine Martha Hinrichsen (re.) sowie Stiftungsmitgliedern und Geschäftsführern in den Verlagsräumen in der Leipziger Talstraße. Foto: Peters/A. Döring
Irene Lawford-Hinrichsen (li.) mit Cousin Henry (2.v.li.) und Cousine Martha Hinrichsen (re.) sowie Stiftungsmitgliedern und Geschäftsführern in den Verlagsräumen in der Leipziger Talstraße. Foto: Peters/A. Döring
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Eine Entschuldigung und viele Emotionen

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Feierstunde in Leipzig: Edition Peters ist in ihr Stammhaus in der Talstraße zurückgekehrt
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Ein ungewöhnliches Bild: An einem gewöhnlichen Wochentag schließt die Stadtbibliothek abends nicht wie üblich ihre Tore, sondern bleibt hell erleuchtet. Taxis fahren vor. Besucher in Abendgarderobe strömen ins Haus, versammeln sich im Lichtsaal im dritten Stock, um an einem denkwürdigen Festakt teilzunehmen: Die Edition Peters ist definitiv von Frankfurt nach Leipzig zurückgekehrt. Vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte des Traditionsverlags – Arisierung im Dritten Reich, Aufteilung auf vier Firmen in beiden deutschen Staaten sowie Großbritannien und den USA, dann Abwicklung des Leipziger Hauses nach der Wende, schließlich noch ein jahrelanger Rechtsstreit um die Peters Bibliothek in Leipzig, der erst im Februar 2013 beigelegt werden konnte – ist diese Feier beinahe ein historischer Moment.

Dies brachten sowohl Michael Faber, Leipzigs Kulturbürgermeister, dazu ebenfalls Mitglied einer Verlegerfamilie, sowie Peters Deutschland-Chef Hermann Eckel in ihren Ansprachen zum Ausdruck. Die deutlichsten Worte fand Nicholas Riddle, CEO der Edition Peters Group in London, in seinem Grußwort, aus dem die nmz hier einige Passagen zitiert:

„Immer wieder haben wir selbst und andere von der „Rückkehr“ der Edition Peters nach Leipzig gesprochen. Genaugenommen haben wir Leipzig jedoch nie verlassen: Zwar waren seit 1993 über lange Zeiträume oft nur ein oder zwei Mitarbeiter in unserer Gründungsstadt beschäftigt, aber in der einen oder anderen Form ist Peters seit 1800 ohne Unterbrechung hier vor Ort. Dabei sollten wir jedoch nicht verschweigen, was nach der Wiedervereinigung in Leipzig geschah. Zu DDR-Zeiten war der VEB, der aus der ursprünglichen Peters-Firma hervorging, ein hervorragender Verlag mit hohem wissenschaftlichem Anspruch, und seine Publikationen lieferten einen wertvollen Beitrag zum Peters-Katalog. Die vielen Leipziger Ausgaben, die nach wie vor zum Kern unseres Verlagsprogramms gehören, beweisen eindrücklich, welch ausgezeichnete Arbeit hier in Leipzig während der über 40-jährigen Teilung Deutschlands und Europas geleistet wurde. (…) Die Peters-Firmen in Westeuropa bekleckerten sich dagegen nicht gerade mit Ruhm und verwendeten viel Zeit, Geld und Kraft darauf, sich gegenseitig zu behindern.

Eine Ausnahme bildete die Firma in New York, die sich aus den Streitigkeiten weitgehend heraushielt und der Philosophie ihres Gründers Walter Hinrichsen treu blieb, indem sie ein bedeutendes Repertoire an Werken von zeitgenössischen amerikanischen Komponisten aufbaute. Nach der Wiedervereinigung hätte für Peters die Möglichkeit bestanden, sich auf seine historischen Wurzeln zu besinnen und sich rasch wieder eng an Leipzig zu binden.

Meine ganz persönliche Ansicht, die ich jedoch niemandem aufzwingen möchte, ist, dass mit der schlagartigen und fast vollständigen Schließung der hiesigen Firma ein gewaltiger Fehler begangen wurde. Natürlich hätte die richtige Entscheidung Visionskraft, Mut und eine ganze Menge Geld erfordert, aber es hätte sich sicher gelohnt. Stattdessen scheint es mir, als sei man davon ausgegangen, dass dem westdeutschen Standort des geteilten Unternehmens nach der Wende automatisch die Führungsrolle gebührte. Die lange Verlagstradition, die hier in Leipzig bewahrt worden war, fiel dieser Ansicht auf tragische Weise zum Opfer.

Es tut mir leid, dass dieser Schritt vollzogen wurde; mein Mitgefühl gilt all jenen Beschäftigten, die sich damals von einem Tag auf den anderen in ihrer Existenz bedroht sahen, und ich bedauere zutiefst, dass Peters der Leipziger Verlagstradition so brutal den Rücken kehrte. Leider lässt sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, und die Fehler der Vergangenheit lassen sich nicht nachträglich wiedergutmachen.“

Viel Beifall für diese klaren Worte von den Leipzigern. Riddle schlug in seiner bewegenden Ansprache einen großen Bogen von den Anfängen des Verlages, der 1800 als Bureau de Musique gegründet wurde und aus dem später der Peters Verlag hervorgehen sollte. Seit 1874 hat er seinen Sitz in der Talstraße 10, dessen Räumlichkeiten die Edition nun wieder bezogen hat. Wenn schon Geschichte, das muss an dieser Stelle doch noch angemerkt werden, dann mit etwas mehr Geschichtsbewusstsein: Die Rolle von Johannes Petschull, der den Verlag „arisiert“ hatte und nach dem Ende des Naziregimes Geschäftsführer in Frankfurt wurde, erwähnte Riddle mit keinem Wort. Er und seine Tochter waren die eigentlichen Verhinderer der Rückkehr nach Leipzig. Auch die Rolle von VEB Peters-Direktor Norbert Molkenbur in der Zeit der Abwicklung war kein Thema für Riddle. Ganz klar, man wollte in die Zukunft schauen und nicht alte Wunden wieder aufreißen.

Dass C.F. Peters heute in Leipzig, New York und London ansässig ist, ist eine Folge des Holocaust. Eigentümer Henri Hinrichsen musste 1939 zwangsverkaufen und wurde in Auschwitz ermordet. Seine Söhne Max und Walter flohen nach London und New York und gründeten eigene Verlage. Enkelin Martha Hinrich erinnerte in ihrer Rede auch daran, dass man sich seiner Herkunft immer bewusst geblieben war:

„Viele Jahre war es unser oberster Wunsch, einen vereinigten Peters Verlag in Leipzig wiederzugründen. Heute feiern wir mit großem Stolz und großer Freude die Rückkehr von C.F. Peters in sein Zuhause in der Talstraße 10. Dies ist nicht nur eine Rückkehr zu den Wurzeln, sondern auch eine Revitalisierung des Erbes von Max Abraham, Henri Hinrichsen und ihrer Vorgänger.“ 

Wer mehr über die Vorgänge im Peters Verlag nach der Wende wissen will, dem sei die Lektüre des dreiseitigen Dossiers über dessen jüngere Geschichte in der Ausgabe Dezember 1990/Januar 1991 der nmz empfohlen.

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