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Das Black Series Modularsystem von Erica Synths. Foto: Sebastian Berweck
Das Black Series Modularsystem von Erica Synths. Foto: Sebastian Berweck
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Elektronische Musikerzeugung zum Anfassen

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Zu groß für die Nische: ein Messebericht von der Superbooth in Berlin
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Es ist genau 20 Jahre her, seit sich die erste Superbooth am Stand C16, Halle 6.0 der Musikmesse Frankfurt zusammenfand. Damals mieteten einige kleinere Hersteller der hohen Kosten wegen gemeinsam eine Booth, wie so ein Stand auf englisch heißt, und gestalteten ihn zu einer Art Abenteuerspielplatz der elektronischen Musik. 2016 erfolgte dann die Abspaltung von der Musikmesse Frankfurt und die Etablierung als eigene Veranstaltung im Funkhaus Nalepastraße in Berlin. 2022 ist die Musikmesse Frankfurt Geschichte und die Superbooth hat sich erweitert: mit der Supergrail gibt es einen neuen Fokus auf E-Gitarren, der ab 2023 in einer eigenständige Messe präsentiert werden soll.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die dreitägige Superbooth ein völlig anderes Messeformat ist als die Musikmesse Frankfurt. Auch wenn große Namen wie Yamaha, Korg, Ableton oder Akai natürlich anwesend sind, so besteht doch der größte Teil der Messe aus Ständen kleiner und Kleinsthersteller, die dank moderner Produktionsmethoden (aka Globalisierung) ihre Ideen schnell und kostengünstig in anfassbare Produkte gießen können. Denn ums Anfassen geht es auf der Superbooth. Hier geht es weniger ums Anschauen oder zeigen von Produkten, sondern um das selber Handanlegen und Ausprobieren. Und was in früheren Ausgaben der Superbooth zu einer riesigen und auch sehr lauten Kakophonie geführt hat, wurde dieses Jahr brilliant gelöst: Zusätzlich zu den Messeständen im Veranstaltungsort FEZ wurde im vorgelagerten Wäldchen eine Zeltstadt aufgebaut, in der je vier Aussteller einen Stand aufbauen konnten. So wurden auf spielerische Weise akustische Trennwände eingeführt, die der ganzen Messe auch noch den Anstrich einer Art Entdeckungsparcour gab. Der Geist der Superbooth lebt im zwanzigsten und mithin schon längst hochprofessionellen Jahr also weiter. Abgerundet wurde das Gelände mit einigen Foodtrucks und Bierständen, die dann vor allem auch im Laufe der Abendveranstaltungen rege in Anspruch genommen wurden.

Zu sehen gab es alle Bereiche der elektronischen Musikerzeugung: elektronische Musikinstrumente in Hard- und Software, Mischpulte, Interfaces, Controller, Lautsprecher, Mischpulte, Stände von Printmagazinen und von der Zulieferindustrie, die zum Beispiel Gehäusetechnik anbietet. Dazu gab es Konzerte, Vorträge, Präsentationen und Workshops, bei denen man zum Beispiel in Löttechnik für DIYler eingeführt werden konnte. Alles in allem gab es über 150 Stände und 20 weitere Veranstaltungen pro Tag zu bestaunen. Bei der letzten Superbooth 2019 waren es allerdings noch 250 Aussteller und über 100 Veranstaltungen bei 7.500 Besuchern, wobei sich der Anteil der Besucherinnen leider immer noch in Grenzen hält.

Und ins Staunen kommt man schon ob der enormen Kreativität der Szene und der vorgestellten Produkte. Dabei stellt sich schon lange nicht mehr die Frage nach digital oder analog, in der elektronischen Musikproduktion ist das post-digitale Zeitalter schon längst erreicht. Die vielen Kleinsthersteller boten wieder ein Sammelsurium an neuen Klangmodulen, die zumeist für das 1996 von Dieter Doepfer etablierte Eurorack Format anknüpften. Ganz im gemeinschaftlichen Geis­te der Superbooth ist es dabei ganz natürlich, dass die einzelnen Hersteller auch Produkte der Konkurrenz auf ihren Ständen benutzen und in ihre Aufbauten integrieren.

Nun kann man zu recht behaupten, dass das ja nur ein Nischenmarkt ist, aber skaliert sind es eben dann doch eine ganze Masse an Herstellern und Besuchern. So erreichte die Superbooth 2019 mit ihrem ganz eigenen Fokus fast ein Drittel der Besucherzahlen der Musikmesse Frankfurt, und das mit einem doch deutlich ansprechenderen Konzept.

Ein immer noch anhaltender Trend ist die Wiederbelebung traditioneller Firmen mit großen Namen. Gerade wurde nach 35 Jahren die Firma Oberheim von Tom Oberheim wieder- erweckt, wie es ähnlich vor einigen Jahren Bob Moog, Dave Rossum oder Dave Smith taten. Diese großartigen Instrumentenbauer hätten es alle eigentlich nicht mehr nötig, sich auf den Musikmessen der Welt die Beine in den Bauch zu stehen, aber offensichtlich ist es das, was sie dann doch am liebsten tun: Instrumente zu entwickeln und mit den Liebhabern ihrer Instrumente ins Gespräch zu kommen.

Der neue OB-X8 von Oberheim ist dabei mit einem Preis von 5.700 Euro eines der teuersten Instrumente in der elektronischen Musik, bei der man schon für unter 1.000 Euro sehr gute Instrumente bekommt. Das Preissegment von 3.000 – 5.000 Euro ist dann schon die gehobene Klasse. Wo gute akustische Instrumente überhaupt erst anfangen, ist bei den Elektrophonen also schon fast Schluss, und dabei reden wir nicht von billigen Keyboards, sondern von echten Instrumenten. Angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der professionellen Musikproduktion von elektronischen Musikinstrumenten bewältigt wird, kann man sich die Frage stellen, wieso diese Instrumente immer noch als „nichts Richtiges“ angesehen werden und zum Beispiel in der Musikpädagogik so gut wie keine Rolle spielen.

Man darf gespannt sein, wie sich die Superbooth in den nächsten Jahren entwickelt. Im nächsten Jahr wird es mit der Superbooth und der Supergrail zwei eigenständige Messen geben, die auch sukzessive und nicht gleichzeitig stattfinden sollen. Das Hands-on-Konzept soll auf jeden Fall erhalten bleiben, eine Ausweitung auf akustische Instrumente ist aber nicht angedacht. Verlässliche Vorhersagen kann es aufgrund der aktuellen Lage nicht geben und man kann gespannt sein, ob die Superbooth 2023 wieder die Ausstellerzahlen von 2019 erreicht.

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