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Erst Startschuss dann Fehlstart?

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Die Initiative Musik stellt Förderbedingungen vor und offenbart Konflikte
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Am 9. Juni war es endlich soweit. Die Verantwortlichen der Initiative Musik stellten in Berlin ihre Richtlinien für die Förderung von populärer Musik vor. 2008 sollen 60 bis 80 Projekte in den Sparten Rock, Pop und Jazz mit zwei Millionen Euro gefördert werden. „Besser spät als nie“, bemerkte ein Teilnehmer der Pressekonferenz, war doch bereits 2006 die erste Million vom Deutschen Bundestag für die Initiative bewilligt worden. Der zwölfköpfige Aufsichtsrat hatte sich zunächst über ein Jahr nicht auf eine konkrete Ausgestaltung der Initiative einigen können. Nun liegen nicht nur die Förderrichtlinien vor, sondern es stehen auch je eine Million Euro für dieses und letztes Jahr zur Verfügung. Nach der langen Zeit der Stille, soll nun alles ganz schnell gehen. Antragsteller bekommen nur drei Wochen Zeit, Ihre Projekte für die erste Auswahlsitzung einzureichen.

Kurz nach Veröffentlichung der Förderrichtlinien standen diese bereits in der Kritik. Monika Griefahn, kulturpolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, bemängelte, dass die Zugangshürden für den Nachwuchs zu hoch seien. Tatsächlich können nur Projekte zu 40 Prozent gefördert werden, die ein Mindestbudget von 25.000 Euro erreichen. Das kritisieren auch die Jazz&WorldPartners, ein Wirtschaftsverband, in dem zahlreiche Firmen von Universal und Warner bis hin zu Edel und Act organisiert sind. In ihrer Pressemitteilung stellen sie fest: „Große Labels und internationale Musikfirmen können und werden sich wie bisher auch in Zukunft nicht in der nationalen Nachwuchsförderung engagieren. Diese Aufbauarbeit wird in der Regel durch kleine und kleinste Unternehmen geleistet.“ Für diese seien die Förderbedingungen jedoch kaum erreichbar, da insbesondere der Eigenanteil von 60 Prozent „in der Regel nicht zu leisten“ sei.

Die Politikerin Monika Griefahn sieht außerdem kritisch, dass die Initiative Musik in mehreren Punkten nicht den Erwartungen des Bundestages entspreche. Bereits 2007 forderten Union und SPD in einem Antrag unter anderem einen Spielstättenprogrammpreis und die besondere Beachtung des Jazzbereichs. In diesem Genre gäbe es eine spezielle Situation und damit „spezifische Auswirkungen, die besondere Beachtung finden müssen“. Ansonsten würde improvisierte Musik wie bei anderen Förderprogrammen schnell hinten herunterfallen. Gerade weil mit diesem Antrag in der Jazzszene so viele Erwartungen geweckt worden waren, sind von dieser Seite nun die offensten Stimmen zu hören.

Unter den Kritikern ist auch der Jazzbeirat des Deutschen Musikrates. In einer Stellungnahme beanstandet er insbesondere, dass der Spielstättenprogrammpreis für improvisierte Musik durch die Richtlinien nun sogar ausgeschlossen bleibt. „Es macht kaum Sinn, hochprofessionelle Musikerinnen und Musiker auszubilden, wenn ihnen nach ihrer Ausbildung keine professionellen Spielmöglichkeiten zur Verfügung stehen“, so Werner Lohmann, Vorsitzender des Jazzbeirates. Warum sich die Kritik erst auf diese Weise offenbart, obwohl der Musikrat selbst Gesellschafter der Initiative ist, bleibt offen. Griefahn hatte schon früh vergeblich gefordert, dass der Aufsichtsrat Experten für Rock, Pop und Jazz hinzuzieht.

Nun bleibt abzuwarten, ob von Seiten der Politik Änderungen eingefordert werden. Immerhin werden die Abgeordneten auch in Haushaltsverhandlungen im Herbst erneut über die Weiterführung der Initiative entscheiden müssen. Doch wodurch konnten solche Unstimmigkeiten entstehen? Eine Frage, die alle Beteiligten gemeinsam beantworten müssten. Der Haushaltsausschuss legte den Grundstein für die Konfusion, indem er mit der Initiative ein Programm verabschiedete, das er, abgesehen von den drei abstrakten Säulen Nachwuchs, Integration und Export, inhaltlich komplett offen ließ. Der Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann, dessen Interesse für den Film das für Musik deutlich übersteigt, versäumte es über Monate, eigene Ideen zur Initiative Musik zu entwickeln. Die Kulturpolitiker des Bundestages formulierten zwar inhaltliche Kriterien in einem Antrag, sorgten jedoch nicht für seine Umsetzung im Aufsichtsrat der Initiative. Diesem gehören nun keine Kulturpolitiker, sondern zwei Abgeordnete des Haushaltsausschusses an, die zwar Geld aber keine Inhalte geliefert hatten. Und zu guter Letzt schätzten die Akteure aus der Musikindustrie die Lage falsch ein. Sie erhofften sich den Beginn einer Wirtschaftsförderung für ihren seit Jahren kriselnden Geschäftszweig. In Ihrer Euphorie schienen sie zu übersehen, dass eine für diese Zwecke sehr übersichtliche Summe von einer Million Euro, die noch dazu im Kulturhaushalt und nicht beim Wirtschaftsminister festgeschrieben ist, kaum ihre Wünsche erfüllen kann und auch gar nicht darauf angelegt war.

Selbst wenn der Aufsichtsrat noch auf einzelne Forderungen aus dem Bundestagsantrag eingehen sollte, der ganz grundlegende Dissens ist weit schwerer zu bereinigen. Die Abgeordneten sehen die öffentliche Förderung der populären Musik als kulturellen Bereich, der sich laut Antrag „nicht vordergründig einer ökonomischen Logik unterwerfen“ lasse. Nicht so Aufsichtsratsvorsitzender Gorny, der auf der Internetseite der Initiative formuliert: „Musik hat einen unschätzbaren Wert für unser Land, leistet einen enormen Beitrag zum Bruttosozialprodukt und ist damit wirtschaftlich für unser Land wichtig.“ Mit dieser kulturwirtschaftlichen Sichtweise bleibt auch für die Säule Integration kein Platz mehr. Den Pressevertretern deutete Gorny an, dass er die Begriffe Migration und Integration mit dem des multinationalen Marktes gleichsetzen würde und löst sich damit kurzerhand von dem unerwünschten kulturpolitischen Ballast. Folgerichtig sucht man spezifische Ansätze für Migration und Integration in den Förderrichtlinien vergeblich.

Gerade ob die Initiative Musik die Antwort auf die Probleme der Musikwirtschaft sein kann, bleibt mehr als fraglich. Selbst die Branche scheint nicht daran zu glauben. So ist es bei ähnlichen Bundestagsinitiativen wie dem gerade beschlossenen Computerspielepreis gängig, dass sich die Wirtschaft finanziell gleichberechtigt beteiligt. Für die Initiative Musik stellt die Branche jedoch nur 150.000 Euro zur Verfügung. Skepsis ist angebracht. Zu deutlich hat sich gezeigt, dass die bisherigen Erlösmodelle der Musikwirtschaft von der CD bis zum Musikfernsehen gerade in Zeiten des Internets immer weniger tragfähig sind. Stattdessen haben sich abseits der großen Plattenkonzerne kleine innovative Unternehmen gefunden, die erfolgreich neue Wege gehen. Ob in der derzeitigen Konzeption für diese neuen Wege Platz bleibt, wird wohl erst mit den ersten Förderentscheidungen sichtbar werden. Die Förderbedingungen sprechen eher nicht dafür und es bleibt fraglich, ob sich die Politik als Auftraggeber damit zufrieden gibt. Der Startschuss für die Initiative Musik ist gegeben, doch ihr Ausgang bleibt offen.

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