Überraschend hat die GEMA Verhandlungen über Lizenzgebühren mit dem Videoportal YouTube abgebrochen. Fortschritte seien leider nicht mehr zu erwarten gewesen. Und im gleichen Zug hat die GEMA YouTube aufgefordert, für 500 bis 600 Werke (und entsprechende „Videos“) den Abruf zu verhindern, sie mithin offline zu stellen. Welche dies genau sind, wollte die GEMA nicht bekannt geben, doch seien die Videos einvernehmlich mit den Urhebern ausgewählt worden. Mit diesem Vorgang steht die GEMA allerdings nicht allein da, in Allianz mit weiteren Verwertungsgesellschaften (unter anderem aus den USA) sah man offenbar keinen anderen Ausweg. Vielmehr wolle man sich jetzt in Verhandlungen mit anderen Verbänden der Internetwirtschaft wie BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.), VPRT (Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V.) und VUT (Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.) über mögliche Alternativen auseinandersetzen, um eine Branchenlösung zu erzielen.
Was bedeutet dies konkret, was ist der Hintersinn dieser Aktion? Für die GEMA ist die Rechnung ganz einfach: Sperrte YouTube die von der GEMA ausgewählten Videos tatsächlich, so würde YouTube damit die juristische Verantwortung eingestehen und übernehmen. In diesem Fall würde die GEMA vermutlich einen Tarif nach bestem Wissen und Glauben festsetzen und YouTube eine entsprechende „Rechnung“ stellen. YouTube könnte darauf eingehen oder müsste bei Weigerung den in Deutschland vorgesehenen rechtlichen Weg einschlagen und den Tarif von der dafür vorgesehenen Schiedsstelle des Deutschen Marken- und Patentamtes überprüfen lassen.
Das scheint aber unwahrscheinlich. Zu erwarten ist eher, dass YouTube auf die Forderung der GEMA nicht eingehen wird, sondern entweder gar nicht reagiert oder andernfalls die rechtliche Verantwortung bestreitet und auf seine Nutzer abwälzt. Sind doch sie es, die die Nutzungsbedingungen von YouTube sehr frei auslegen. Bei jedem Video, das man auf YouTube hochlädt, muss schließlich angegeben werden, dass derjenige, der dies tut, auch im Besitz etwaiger Nutzungsrechte ist. Dann wäre die Frage, wem es obliegt, dies gegebenenfalls zu überprüfen. Bislang hat die GEMA immer wieder deutlich zu machen versucht, dass sie nicht gegen die User vorzugehen beabsichtige, sondern gegen die Dienste, die die User nutzen. Und zwar, indem diese entweder ihren Dienst anders gestalten oder eben Lizenzgebühren entrichten. In einigen Fällen ist die GEMA auf diese Weise zu ihrem Recht gekommen – allerdings nicht letztinstanzlich (in den einstweiligen Verfügungen gegen Rapidshare zum Beispiel). Die GEMA hat für den zweiten Fall einer YouTube-Reaktion noch keine Vorgehensweise angedeutet.
Eine zweite Neuausrichtung in der Verhandlung mit YouTube ist mindestens genauso wichtig. Während die bisherigen Verhandlungen an ein Stillschweigeabkommen gebunden waren, will man dies in Zukunft nicht mehr machen. Transparenz in Verhandlungsfragen mit YouTube sei jetzt das oberste Gebot. Das ist gut – schließlich sollten die Rechteinhaber auch sehen dürfen, um welche Summen es konkret geht. Bislang drangen in diesem Punkt nur Gerüchte an die Öffentlichkeit und sorgten somit für Unruhe. Sowohl GEMA wie YouTube haben dann gewöhnlich umgehend dementiert. Mit anderen Videoportalen sei die GEMA übrigens in „guten“ Verhandlungen, verlautete es von Seiten der GEMA.
GEMA-Petition im Bundestag
Gegenwind weht der GEMA eher von Seiten der demokratischen Organe unseres Staates entgegen. In einer rund anderthalbstündigen Beratung des Petitionsausschusses wurden drei Petitionen (wir berichteten letztes Jahr ausführlich), das Thema GEMA betreffend, verhandelt. Die Vorwürfe der Petenten richteten sich gegen Unstimmigkeiten in der Selbstverwaltung der GEMA, die einerseits Veranstalter, aber auch GEMA-Berechtigte betreffen, und sich weitgehende Reformen wünschen. Im Zentrum der Beratungen im Petitionsausschuss stand dabei immer wieder das Abrechnungsverfahren PRO, welches undurchschaubar und bislang auch nicht durch eine Abstimmung auf der Mitgliederversammlung legitimiert sei. Es würde der GEMA-Mitgliederversammlung sicher gut anstehen, wenn man dies nachholte. Sowohl Petenten wie Mitglieder des Ausschusses monierten dies, die Richter des Bundesgerichtshofes finden diesen Umstand „bedenklich“; die zwingende Notwendigkeit der Legitimierung des Verfahrens durch eine Mitgliederversammlung bestreitet allerdings das Bundesministerium der Justiz, das keinen Handlungsbedarf in dieser Frage sieht.
Genauso wenig Handlungsbedarf sieht man bei der Aufstockung der Anzahl der Delegierten, die die nichtordentlichen Mitglieder der GEMA auf Mitgliederversammlungen vertreten sollen. Eine Erhöhung von 34 auf 45 sei genügend, das ergebe sich aus entsprechenden Normen des Urheberwahrnehmungsgesetzes, meint das Bundesjustizministerium. Zur Begründung erklärte man, dass schließlich auch nicht alle ordentlichen Mitglieder ihr Stimmrecht wahrnehmen würden, dass also eine Regelung, die sich am Gesamtaufkommen der nichtordentlichen Mitgliedern orientierte, zu einer Verzerrung bei Entscheidungen führen würde. Ein Gedanke, den man, wenn man ihn ernst nähme, wenigstens bis zum Ende denken sollte, so krumm er ohnehin ist –demnach wäre es konsequent, die Delegiertenzahl der Nichtordentlichen Mitglieder für jede Mitgliederversammlung danach zu bemessen, wie viele ordentliche stimmberechtigte Mitglieder jeweils anwesend sind.
Nach wie vor ist es augenscheinlich so, dass die Kontrolle der GEMA durch sich selbst nicht gut funktioniert. Sei es, dass Abrechnungen nicht nachvollziehbar sind, dass Veranstalter sich durch ein Dickicht von Tarifen wühlen müssen und gegebenenfalls Härtefallregelungen greifen, die allerdings vom Goodwill abhängig sind. Unklar scheint auch, wo die selbsternannte Solidargemeinschaft GEMA anfängt und wo sie aufhört. Zum Beispiel, als die Abgeordnete Gitta Connemann anfragte, wie es angehe, dass an der GEMA-eigenen Sozialkasse nur die ordentlichen Mitglieder partizipieren können, obwohl sämtliche Mitglieder sich durch Abschläge auf ihre Tantiemen an ihr beteiligten. Ein schönes Beispiel übrigens dafür, wie sich die Katze in den Schwanz beißt. Denn die Mehrheit für Änderungen in der Satzung der GEMA haben die ordentlichen Mitglieder. Direkt verbessert hat man allerdings den Zustand des Aufsichtsgremiums der GEMA, des Deutschen Patent- und Markenamtes, durch personelle Aufstockung. Dies nur als kleiner bunter Fragenstrauß, der in der Sitzung behandelt wurde. Zu einem Eklat kam es, als der Ausschuss bemerkte, dass der Vorstandsvorsitzende der GEMA, Harald Heker, direkt am Tisch des für die Fragen zuständigen Ministeriums der Justiz saß und somit den Eindruck erwecken konnte, er tue dies als Vertreter der Regierung. Soweit man wisse, sei Heker kein Mitglied der Regierung. Nach einer kurzen Beratungspause wurde dann Heker des Platzes verwiesen. Die etwas fadenscheinigen Erklärungen des das Justizministerium vertretenden Staatssekretärs Max Stadler (FDP), er sei dabei, weil die Probleme sehr kompliziert seien und manche Fragen sich eventuell direkt an die GEMA richteten, konnte nicht den Verdacht entkräften, dass die Stellungnahme des Justizministeriums sehr stark den Einflüsterungen der GEMA zu verdanken ist; das freilich wäre ein sehr merkwürdiger Vorgang, der den Vorwurf des politischen Lobbyismus nahelegt. Einen Gefallen hat sich die GEMA mit diesem politisch-taktischen Fauxpas auf keinen Fall getan.
Zum weiteren Vorgang: Die Petenten und das Justizministerium werden die im Ausschuss gestellten Fragen schriftlich beantworten. Danach wird der Petitionsausschuss beraten und eine Empfehlung aussprechen. Zu erwarten ist, das schlug Ausschussmitglied Volker Kauder vor, die Angelegenheit im Bundestag zu verhandeln und dem Rechtsausschuss zur Bearbeitung zuzuleiten.