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Feldzug gegen das Gerümpel des Alltags

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Selbstmanagement für Musiker Teil vier: Ordnung und Logistik im Büro
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Tim Renner sitzt hinter seinem Schreibtisch und qualmt lächelnd eine Zigarette. Der Schreibtisch vor ihm sieht aus wie ein Schlachtfeld. Wahre Papierberge mit vielen Gipfeln und ineinander verwobenen Schichten stoßen an Miniaturwolkenkratzer aus gestapelten CDs. Zwischen Papier und Tonträgern findet der aufmerksame Betrachter dieser Zeitungsfotografie Terminkalender, Taschenrechner, Telefonanlage, Kaffeetasse und – ganz zentral hinter der Computertastatur – den vollen Aschenbecher. Als Schmuckstück ziert den Tisch ein Reichsapfel, der schräg hinter dem Monitor eine Randexistenz führt. Im Bildhintergrund gleichen alle Ablagen dem gleichen Schema. Warum lässt sich der heutige Universal-Chef in solcher Pose für die breite Öffentlichkeit ablichten? „Die Unordnung ergibt sich automatisch, wenn der Fokus im Schaffen liegt“, verteidigt sich Renner offensiv. Dass der Kult um so genanntes Chaos jedoch ein folgenschweres Missverständnis ist und was sich umgekehrt durch ausgeklügelte Bürologistik an positiven Effekten erreichen lässt, das ist Inhalt des vierten Teils unserer Selbstmanagement-Serie.

Betrachten Sie Ihren Schreibtisch. Wie schaut das Verhältnis von Freifläche zu bedeckter Fläche aus?

Mit weniger als einem Din-A4-Blatt Freifläche schneidet der durchschnittliche Schreibtisch bei diesem Test nicht besser ab als der von Plattenboss Renner. „Das Genie beherrscht das Chaos“, so heißt es lässig in der Umgangsprache. Der griechische Begriff Chaos allerdings bezeichnet den Urstoff, aus dem die Welt hervorgegangen ist. In dieser Beziehung ist Tim Renner also ehrlicher. Er nennt den Zustand in seinem Büro Unordnung, denn Unordnung ist gleichbedeutend mit wirrer Masse. Diese Verwirrung, daraus macht Renner keinen Hehl, wurde von ihm selbst geschaffen und mit allen Negativkonsequenzen von ihm verantwortet. Negativkonsequenzen von Unordnung sind vielfältig. Unordnung kostet Zeit und Geld, vor allem aber beeinflusst Sie Unordnung negativ in Ihrem kreativen Handeln. Gerade dann, wenn der „Fokus im Schaffen liegt“, sollten Sie einen freien Blick auf ihre Umwelt haben, der nicht durch unerledigte Aufgaben und nutzlosen Krempel abgelenkt und blockiert wird. Ordnung verschafft Freiräume für:

  • geistige und materielle Transparenz,
  • Kostenminimierung bei Materialverbrauch, Lagerbestand und Immobiliengröße,
  • Geldzuwachs durch den Verkauf unnötigen Besitzes,
  • Zeitgewinn durch direkten Zugriff und Vermeidung von Doppelarbeiten,
  • weniger Putzaufwand und mehr Gesundheit,
  • Abbau von Schuldgefühlen (verursacht durch unerledigte Aufgaben) und Energie für neue Projekte.

Zeichnen Sie einen Grundriss Ihres Büros. Gehen Sie im Geiste alle Problemzonen durch und tragen Sie diese aus der Erinnerung in Ihre Skizze ein. Bewerten Sie die Problembereiche in Abhängigkeit von der jeweiligen Brisanz farblich in Ihrer Skizze.
Fast jedes Büro enthält Gerümpel. Gerümpel sind Dinge, die wir nicht brauchen oder die wir nicht lieben, die unordentlich und schlecht organisiert sind, die auf zu kleinem Raum untergebracht werden oder die unerledigt sind. So wie eine weggeworfene Zigarettenschachtel am Wegesrand zu einem Müllhaufen anwächst, so zieht auch Gerümpel in Ihrem Büro neues Gerümpel an. Krempel ist nichts anderes als stagnierende, klebrige Energie, die zu mehr und mehr Energiestau führt.

Unsere äußere Umgebung spiegelt unser inneres Wesen wieder. Umgekehrt kann uns äußere Ordnung neue Möglichkeiten eröffnen: Disharmonie unter Mitarbeitern verwandelt sich in Elan; Scham und Isolation von Repräsentanten wandeln sich in Empfangsbereitschaft und Offenheit. Der erste Schritt zu einem Umdenken in Richtung Bürologistik fordert ein tieferes Verständnis der einfachen Gleichung „Wer Zeit hat Krempel anzusammeln, hat bestimmt auch genug Zeit ihn aufzuräumen“ (Kingston). Gerade dann, wenn Sie sich im Stress fühlen, ist Aufräumen die beste Therapie. Aufräumen ist nichts anderes als Loslassen. Schaffen Sie zunächst all jenes weg, was Sie nur „für den Fall“ aufheben. Im Zweifelsfall benutzen Sie den von Kingston entwickelten „Krempeltest“.

Machen Sie eine Liste von allen Büchern, Zeitschriften, Akten, Dekor, Möbeln, Hilfsmaterialien und so weiter, die in Ihrem Büro nicht täglich Verwendung finden. Stellen Sie sich bezüglich jedes verwendungsunsicheren Stücks drei Fragen (Krempeltest nach Kingston):

a) Steigert es meine Energie, wenn ich es ansehe oder daran denke?
b) Liebe ich es aus vollem Herzen?
c) Ist es wirklich nützlich?

Wenn Sie sich ans Ausmisten machen, beschränken Sie Ihre Aktion bitte unbedingt auf den eigenen Arbeitsbereich. Analog zur Annahme, dass Ihre Umgebung ein Spiegel der eigenen inneren Welt ist, bedeutet ein Aufräumen des Arbeitsplatzes Ihres Kollegen oder Ihres Lebenspartners unter Umständen einen schweren Eingriff in dessen innerliche Konflikte.

Stellen Sie im Büro fünf große Kisten auf: 1.) Müllkippe, 2.) Reparatur, 3.) Wiederverwertung durch Verkauf, Schenkung oder Umtausch, 4.) Umräumen an einen anderen Ort und 5.) Krempeltest (die Unentschiedenheitskiste).

Ist Ihr Büro erst krempelfrei, so können Sie eine neue Systematik entwerfen. Stellen Sie die Dinge dort in Griffweite, wo sie ständig verwendet werden. Bewahren Sie Dinge stets am gleichen Platz auf. Beschriften Sie Ordner und Schachteln. Bringen Sie unregelmäßig verwendete Dinge ins Lager. Stellen Sie Mülleimer so auf, dass sie zur Leerung einladen. In der neuen Ordnung bietet sich nun eine Grundreinigung an.

In Ihrem entrümpelten, systematisierten und von Grund auf gesäuberten Büro wenden Sie sich nun Ihrem PC zu. Entwerfen Sie zunächst auf dem Papier ein Ordnersystem für Ihre Dateien. Übergeordnete Ordner (zum Beispiel Finanzen, Projekte, Datenbanken, Marketing, Dokumentation, Internet, Familie und Gesundheit) erhalten untergeordnete Kategorien (Steuer 2002, Steuer 2003 et cetera). Je präziser Sie die Ordner benennen, um so einfacher ist die Benutzung, insbesondere durch Partner und Kollegen (Einheitlichkeit). Durchforsten Sie jetzt auch Ihr Ablagesystem für E-Mails. Oft sammeln sich Tausende von unbearbeiteten oder gelöschten Emails in immer träger arbeitenden Programmen an.

Schalten Sie Ihren PC ab (!) und rekapitulieren Sie geistig die alltägliche Arbeit mit dem Gerät. Welche technischen Probleme tauchen immer wieder auf? Welche Probleme bereitet Ihnen die Nutzung Ihrer Software? Welche Zusatzgeräte fehlen Ihnen bei der Arbeit?
Ein Musiker, der Werbung machen will, aber dessen Druckertreiber spinnt, ist wie ein Gärtner mit einer klemmenden Heckenschere. Vielleicht haben Sie auch einen tollen Scanner, dessen Funktionsweise Sie nicht verstehen. Möglicherweise verschicken Sie Ihre Newsletter im Einzelverfahren, wo Ihnen eine professionelle Mailsoftware volle Arbeitstage ersparen würde. In diesen und noch viel mehr Fällen ist eine sofortige Problemlösung geboten und möglich:

  • behandeln Sie Programmkonflikte auf Ihrem Rechner, gegebenenfalls durch einen Gang zum Computerladen (einige Spezialisten bieten Sofortreparatur in Ihrem Beisein an),
  • updaten Sie veralterte Software,
  • schaffen Sie weitere Software an, wenn Sie diese mehrmals im Monat gebrauchen und eine wesentliche Zeiteinsparung nachweisbar ist,
  • deinstallieren Sie Programme, die nicht in Betrieb sind (auch Autostart-Funktionen),
  • belegen Sie Kurse zum Lernen oft benötigter Software (Word, Newsletter, Acrobat, Photoshop et cetera) an Abendschulen, Unis und so weiter, lernen Sie deren professionelle Anwendung

In einem letzten Schritt verschönern Sie Ihr sauberes und aufgeräumtes Büro. Runde Möbel regen den Energiefluss an, Ecken „lassen anecken“. Pflanzen mit großen runden Blättern wirken aktivierend, Bilder an den Wänden sollten auf ihre anregende Aussage, ihre Farben hin überprüft werden. Stellen Sie Bürostühle und Schreibtische für ein sicheres Arbeitsgefühl mit dem Rücken zur Wand, unterbrechen Sie weite freie Wege („Autobahnen“) durch Raumteiler oder große Pflanzen. Zum guten Schluss: Vergessen Sie nicht, Ihr Büro an den Außentüren (glänzend) auszuweisen. Erfolg zieht Erfolg an…

http://www.selbstmanagement-fuer-musiker.de


• „Braucht Politik den Pop oder Pop die Politik, Herr Renner?“, Interview mit Tim Renner, in: Frankfurter Rundschau, 9.9.1998.
• „Logistik im Büro. Unordnung kostet Geld“, Edith Stork, Beltz Verlag.
• „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“, Karen Kingston, Rowohlt Verlag.
• „Das Kultur Bureau“, Para-SOL/Verein für angewandte Kultur e.V., Eigenverlag.

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