Baden-Baden - Die Sommerhauptstadt des europäischen Adels ist Baden-Baden zwar längst nicht mehr. Als Treffpunkt internationaler Künstler und Liebhaber klassischer Musik hat sich die Schwarzwaldstadt aber etabliert. Das Festspielhaus feiert 20. Geburtstag.
Die Berliner Philharmoniker unter Leitung von Sir Simon Rattle waren gerade bei den Osterfestspielen zu Gast, als nächste kommen Bob Dylan und das Leipziger Gewandhausorchester. Das Festspielhaus Baden-Baden zieht Top-Musiker und ein internationales Publikum an. Am 18. April feiert das mit 2500 Plätzen größte deutsche Opernhaus seinen 20. Geburtstag.
Intendant Andreas Mölich-Zebhauser hat gerade voller Stolz das Programm der Spielzeit 2018/2019 vorgestellt, der letzten unter seiner Leitung. «Das Haus ist in sehr guter Verfassung», sagt er. «Meine Mission habe ich erfüllt.» Dabei lenkt Mölich-Zebhauser automatisch den Blick auf den Anfang seiner langen Arbeit.
Denn das ambitionierte Projekt eines privat finanzierten Festspielhauses war 1998 erstmal ein großes Debakel. Schon nach wenigen Aufführungen mit geringem Publikumsinteresse und mit hohen Schulden drohte die Pleite. Bei seinem Amtsantritt als Retter habe er weiche Knie gehabt, gibt Mölich-Zebhauser heute zu. Den Durchbruch habe die Umwandlung in eine private Stiftung gebracht - und die Treue einiger bedeutender Künstler, darunter Waleri Gergijew. Seit Sommer 1998 habe sich eine gute Freundschaft zu ihm entwickelt. «Den gemeinsam produzierte «Ring» und Anna Netrebkos Rollendebüt als Iolanthe werde ich nie vergessen.»
Das Haus, die Arbeit und die Zeit hätten ihn natürlich verändert, sagt Mölich-Zebhauser. «Ich bin demütiger geworden und dankbar für das, was ich machen durfte.» Früher habe er sich in jedes Feuer reingeworfen. «Heute mache ich das mit mehr Überlegung.»
Der 65-Jährige hat dem Festspielhaus künstlerisch eine eher konservative Linie gegeben. Beim Publikum kommt das gut an, die Ränge sind trotz vergleichsweise hoher Eintrittspreise voll. Mölich-Zebhauser setzt sich gegen eine übertriebene Aktualisierung der klassischen Stücke ein. Eine drastische Überzeichnung bedeute letztlich eine Banalisierung der Werke, ist er überzeugt.
«Wir wurden international ernst genommen, als wir zunächst mit Regisseur Nikolaus Lehnhoff und dann mit Dirigent Christian Thielemann bedeutende Wagner- und Strauss-Produktionen herausbrachten.» Der «Rosenkavalier» mit René Fleming, Diana Damrau, Sophie Koch und Jonas Kaufmann aus dem Jahr 2009 gehöre sicher zu den besten Produktionen dieser Oper überhaupt, sagt der Intendant.
Rattle nannte seine Zeit in Baden-Baden kürzlich wundervoll. Er hat sich mit den Osterfestspielen vorläufig aus Baden-Baden verabschiedet. Im nächsten Jahr kommen die Berliner Philharmoniker unter der neuen Leitung von Kirill Petrenko. Rattle hat bereits die Leitung am London Symphony Orchestra übernommen.
Auch Mölich-Zebhausers Nachfolger steht schon fest. Zur Spielzeit 2019/2020 kommt der Direktor des Konzerthauses Dortmund, Benedikt Stampa, nach Baden-Baden.
Für die traditionsreiche Bäder- und Kurstadt hat sich das gewaltige Opernhaus in zwei Jahrzehnten zu einem Segen entwickelt. «Das Festspielhaus ist längst eine Erfolgsgeschichte, ein Aushängeschild für Baden-Baden», sagt Oberbürgermeisterin Margret Mergen (CDU). Trotz anfänglicher Schwierigkeiten habe es sich stetig nach oben entwickelt. «Ich bin allen dankbar, die dies möglich machten.»
Sie freue sich über die Verlängerung der Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern für die Osterfestspiele bis 2022. «Unser Ziel ist, dass wir das jetzt schon auf international hohem Niveau spielende Festspielhaus Jahr für Jahr immer noch ein klein wenig weiter nach vorne entwickeln können», sagt Mergen.
2020 übernimmt die Stadt das Gebäude für mehr als 18 Millionen Euro in ihr Eigentum. Bereits heute bringt sie mehr als drei Millionen Euro jährlich für den baulichen Unterhalt des Festspielhauses auf, das als Kombination von historischem Bahnhofsgebäude und modernem Aufführungshaus auch städtebaulich ein Aushängeschild der Stadt ist. Angesichts von Zehntausenden Besuchern und deren Kaufkraft in Millionenhöhe, von neu gebauten oder renovierten Hotels und der internationalen Werbewirkung dürfte die Stadt das Festspielhaus wohl auch unter finanziellen Gesichtspunkten als Gewinn werten.