Hauptrubrik
Banner Full-Size

Freie Musikszene – frei wie ein Vogel

Untertitel
Zur aktuellen Situation der Kölner Gesellschaft für Neue Musik (KGNM)
Publikationsdatum
Body

Kölns Oberbürgermeister Schramma hat unlängst eine Sparliste vorgelegt. In Zukunft sollen die Kölner mit 240 Millionen Euro weniger auskommen. Allein das Kulturdezernat hat sieben Millionen einzusparen. Ein Horror-Katalog, der selbst bei „sparsamen” Lokalpolitikern aus allen Fraktionen auf Unverständnis stößt.

Schließlich muss eine verantwortungsvoll geführte Kommune vor allem diejenigen Strukturen erhalten, die außerhalb des Mainstreams liegen und das Erscheinungsbild einer Stadt so maßgeblich prägen wie die Arbeit der freien Kulturschaffenden. Köln hat seinen internationalen Ruf als „Musikstadt” vor allem den freien Szenen der Improvisierten, Alten und Neuen Musik zu verdanken. Angesichts der Schließung von Spielstätten, der Abwanderung von Musikern, der Streichung von Mitteln für Konzertreihen und Ensembles ist dieser Ruf ernsthaft gefährdet. Alle Bereiche haben mit Kürzungen zu rechnen. Gegenüber den großen städtischen Institutionen droht jedoch die vertraglich ungebundene freie Musikszene überproportional belastet zu werden. Da sie ohnehin kaum Förderung erfährt, tragen diese Kürzungen kaum zur Sanierung des städtischen Haushalts bei. Die Bewerbung Kölns für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 wird angesichts dieses Kahlschlags zur Farce.

Auch die „Kölner Gesellschaft für neue Musik” (KGNM) ist betroffen. Der 1981 gegründete gemeinnützige Verein bietet allen Interessierten die Möglichkeit, sich über neue Musikentwicklungen zu informieren und im Rahmen von Veranstaltungen unmittelbar daran teilzuhaben. Die Aktivitäten der KGNM umfassen seit über zwanzig Jahren Konzerte, Musikfeste, Werkstätten, Podiumsdiskussionen und Buchveröffentlichungen sowie den künstlerischen Austausch mit na- tionalen und internationalen Part-nern. Darunter finden sich Konzerte von und/oder mit Michael von Biel, John Cage, Franco Evangelisti, Morton Feldman, Sofia Gubaidulina, Klaus Huber, Gerhard Rühm, David Tudor, Stefan Wolpe und vielen anderen.

Mit der Herausgabe des Veranstaltungs-Kalenders „neue musik termine” in einer Auflage von 2.500 Exemplaren informiert die KGNM neben ihren über 150 Mitgliedern regelmäßig eine breite Öffentlichkeit über Konzerte in Köln und Umgebung. Hier kann jeder Veranstalter seine Termine mit zeitgenössischer Musik kostenlos ankündigen, auch in den Grenzbereichen Improvisation, Jazz und Installation. Den Auftrag und die finanzielle Unterstützung hierzu erhielt die Gesellschaft auf Betreiben der vormaligen Musikreferentin vom städtischen Kulturamt. Die aktuelle Ausgabe des Kalenders enthält jedoch erstmals keine Termine. Stattdessen teilt die KGNM mit, dass sie wegen der städtischen Sparmaßnahmen ihre Informations- und Veranstalteraufgaben zur Zeit nicht mehr wahrnehmen kann und alle Musikinteressierten zu Spenden und zur Mitgliedschaft aufgerufen sind.

Die Verabschiedung des städtischen Haushaltes für 2003/04 wurde auf Ende Juli verschoben. Außerdem setzten Kulturamt und Musikreferat eine Priorität zugunsten des Alte-Musik-Festivals „Feste Musicali”. Daher wurden laufende Förderanträge der KG-NM nicht genehmigt und wiederholt zugesagte Abschlagszahlungen nicht geleistet. Seit Ende 2002 hat die KGNM keinerlei öffentliche Förderung erhalten. Die Sparmaßnahmen widersprechen eindeutig den Vereinbarungen der im Februar/März 2003 neu gebildeten Schwarz-Grünen-Koalition. Diese hat zum ersten Mal ausdrücklich Erhalt und Erhöhung der Fördermittel für die freischaffende Kultur- und Musikszene vertraglich festgeschrieben, was bei allen Beteiligten als großer politischer Erfolg angesehen wurde. Dieser darf jetzt nicht unterlaufen werden. Eine wesentliche Rolle kommt der KGNM im Rahmen des „Initiativkreises Freie Musik” (IFM) zu. Ursprünglich als kulturpolitische Arbeitsgruppe der Gesellschaft gegründet, entwickelte sich diese Initiative schnell zu einem alle Musiksparten vereinigenden Zusammenschluss, dem heute über hundert Einzelmitglieder, Ensembles, Orchester, Vereinigungen und Spielstätten angehören. In enger Zusammenarbeit mit dem IFM erstellte das Kulturdezernat ein Musikförderkonzept, das endlich eine umfassende Sicherung der ortsansässigen freischaffenden Musikszene vorsieht. Seit einem Jahr liegt das fertige Konzept jedoch wegen Sparmaßnahmen auf Eis. Immerhin stellte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen kürzlich den Antrag, das Musikförderkonzept in die Ratsdebatte einzubringen. Auch wenn der erforderliche politische Wille zur Umsetzung des Konzepts bisher nur auf dem Papier steht, bleibt dieser Vorstoß ein ermutigendes Zeichen. Neben der Weiterentwicklung neuer Selbsthilfemodelle brauchen die KGNM und die gesamte Kölner freie Musikszene das Förderkonzept nötiger denn je.

Der Vorstand der KGNM (Pi-Chao Chen, Deborah Richards, Silvio Foreti“, Rainer Nonnenmann, Albrecht Zummach)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!