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Very important musician. Foto: Hufner
Very Important Musician. Foto: Hufner
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Geigenkontrolle

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Welche Folgen hat der Artenschutz für den Deutschen Musikinstrumentenfonds?
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New York, John F. Kennedy International Airport. Geiger Andreas M. ist unterwegs zu einer Konzerttournee. Am Zoll wird er aufgehalten; er soll seinen Geigenkasten öffnen, seine Papiere zeigen. „Können Sie nachweisen, dass Ihr Instrument nicht dem Washingtoner Artenschutzabkommen unterliegt?” Das kann Andreas M. nicht. Die Geige bleibt beim Zoll.

Worst-Case-Szenario für den Deutschen Musikinstrumentenfonds der Deutschen Stiftung Musikleben. Schließlich hat die Stiftung 190 Instrumente in ihrer Sammlung, wertvolle Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabässe von Treugebern aus ganz Deutschland. Der Fall Andreas M. ist hier zwar nur fiktiv, denn bisher wurde noch kein Ins­trument des Fonds beim Zoll beschlagnahmt. Doch seit April 2014 setzt die US-Regierung das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) von 1973 auch für Musiker buchstabengetreu um. Die Münchner Philharmoniker oder das Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bekamen dies bei ihren USA-Tourneen bereits zu spüren (die nmz berichtete). Und auch der Deutsche Musikinstrumentenfonds ist seitdem in Alarmbereitschaft.

„Nach allem, was man hört, kontrollieren auch Australien und Japan inzwischen strenger. Aber im Prinzip könnte auch die Schweiz jederzeit ein CITES-Dokument verlangen, es sind ja internationale Gesetze“, erklärt die Leiterin der Geschäftsstelle Saskia Egger. „Für unsere Stipendiaten sind Auslandstourneen wichtig und wir möchten sie bestmöglich ausgestattet auf Reisen schicken. Außerdem haben wir auch den Treugebern gegenüber die Verpflichtung, sicherzustellen, dass den Instrumenten nichts passiert.“ Deshalb hat der Deutsche Musikinstrumentenfonds vor einigen Monaten seine Instrumentenverträge um zwei Paragraphen erweitert. Jeder Stipendiat, der eine Reise ins EU-Ausland plant – und sei es zwecks Unterricht an einer Schweizer Musikhochschule – muss nun die Stiftung spätestens vier Wochen vorher darüber informieren. So lange dauert die Erstellung einer CITES-Genehmigung. Erster Schritt: Ein Geigenbaumeister begutachtet alle Materialien des Ins­truments. Ist das Griffbrett eventuell aus Madagaskar-Ebenholz, sind die Wirbel aus geschütztem Rio Palisander gefertigt? Gibt es Einlegearbeiten aus Walbarten oder einen Saitenhalterknopf aus Elfenbein?

„Bei zwei Geigen konnte uns der Geigenbaumeister nicht mit Brief und Spiegel sagen, dass die verwendeten Palisanderwirbel schon vor dem CITES-Übereinkommen verbaut worden waren. Die Unterlagen waren überhaupt nicht mehr da. Also mussten wir für die Geigen neue Wirbelsätze kaufen.“

Noch kritischer, so Saskia Egger, seien die Materialien bei Bögen. Hier werden häufig Elfenbeinfrösche und Perlmuttverzierungen verwendet. „Zum Glück haben wir nur Instrumente in unserer Sammlung, keine Bögen, dieser Kelch ist also Gott sei Dank an uns vorübergegangen.“

Nachdem alle Materialien geklärt sind, schreibt der Geigenbaumeister eine „Declaration of Material“ auf Englisch. Zweiter Schritt: Die Stiftung muss das Dokument beim Bundesamt für Naturschutz vorlegen. „Mittlerweile funktioniert das reibungslos, die Beamten dort kennen uns schon und sind sehr kooperativ.“ Ist alles in Ordnung, stellt das Amt die CITES-Genehmigung aus. Erst dann darf der Stipendiat sein Instrument mit auf Reisen nehmen.

Einen Haken hat die Sache allerdings: Die Bescheinigung ist an den jeweiligen Stipendiaten gebunden. Vergibt die Stiftung ein Instrument neu, muss also auch die „Declaration of Material“ neu erstellt werden. Saskia Egger hofft, dass sich die Dokumente irgendwann übertragen lassen, wie etwa bei einem Fahrzeugschein. Bis dahin lebt die Stiftung mit dem hohen Verwaltungsaufwand. „Artenschutz ist schließlich wichtig und sinnvoll. Aber welche Konsequenzen das Abkommen für Musiker hat, hat sich niemand so vorgestellt.“

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