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Geplante und gebaute Stille

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Akustikingenieur Karlheinz Müller zur Bauakustik des Essener Saalbaus
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Stille, das heißt Geräuschfreiheit und akustische Ruhe, ist in einem Konzert-saal und Kongresssaal wie die Philharmonie im Saalbau Essen von größter Bedeutung. Die Stille ist die Basis für die Entwicklung einer guten raumakustischen Qualität. Einer, der sich darauf spezialisiert hat, Stille zu produzieren ist der Akustikingenieur Karlheinz Müller. Die neue musikzeitung fragte ihn nach seinen Konzepten.

Herr Müller, Sie sind ein renommierter und erfahrener Akustiker. Was machen Sie beziehungsweise Müller-BBM im Einzelnen? Entwickeln Sie akustische Maßnahmen nur für Konzertsäle oder auch für andere Räume?

Karlheinz Müller: Das Ingenieurbüro Müller-BBM befasst sich mit der Baua-kustik und Raumakustik unterschiedlichster Räume. Nicht nur Konzert- säle und Theaterräume sind Gegenstand unserer Untersuchungen, sondern auch Büro- und Verwaltungs- bauten, Wohnhäuser, Kirchen, Mehrzweckhallen, Hörsäle, Seminarräume, Kinos, Studioräume, Messehallen, Einkaufszentren et cetera. Auch elektroakustische Anlagen sowie Durchsage- und Inspektionsanlagen werden von uns umfassend geplant.

Darüber hinaus befasst sich Müller-BBM mit Schallschutzfragen für Verkehr und Umwelt, mit Schwingung- und Erschütterungsschutz sowie mit aktiven Schall- und Schwingungskompensationen. Im Bereich der Fahrzeugakustik sind wir auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugtechnik, der Schiffsakustik und der schienengebundenen Fahrzeuge tätig.

Diese kurze Übersicht macht deutlich, dass wir alle Sparten der Akustik abdecken. So können wir bei Konzertsälen und Theaterbauten für alle bau- und raumakustischen Probleme funktionsfähige Lösungen erarbeiten. Bei-spielsweise waren beim Konzerthaus Wien schwierige Renovierungsaufgaben zu lösen. Bei den neuen Konzertsälen in Rom, dem „Auditorium di Roma“, wurden innovative Wege der Bauteiltrennungen und der raumakustischen Konfigurationen sehr erfolgreich gegangen. Im gleichen Zeitraum haben wir die Akustik bestehender, großer Industriehallen für die Ruhrtriennale so umgewandelt, dass erfolgreiche Aufführungen möglich sind.

: Gibt es einen Favoriten unter ihren bisherigen Projekten? Wenn ja, warum?

Müller: Nein. Alle unsere Projekte sind meistens sehr interessant und erfordern oft das gesamte Wissen des Müller-BBM Teams. Wir sind auf dem Gebiet der Akustik ein sehr großes Büro, das sich jedoch auch mit vielen kleinen Problemen und Fragestellungen auseinandersetzt und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Dazu noch eine rein persönliche Meinung: Akustische Planung ist eine interdisziplinäre Ingenieurarbeit, die zwischen unterschiedlichen Gewerken und unter-schiedlichen subjektiven Auffassungen angesiedelt ist. Dies heißt nichts anderes, als dass man in ein vielschichtiges Planungs- und Nutzerteam eingebunden ist. Das Wissen zur Lösung akustischer Probleme ist in unserem Haus vorhanden. Die erfolgreichen Projekte spiegeln die gute Zusammenarbeit des Planungsteams und die richtige Abstimmung mit den Auftraggebern und den Nutzern wieder.

: In unserem heutigen Interview geht es vor allem um die Begriffe Bauakustik und Raumakustik. Bitte erklären Sie diese unseren Lesern am Beispiel Saalbau Essen, der derzeit zur Philharmonie Essen umgebaut wird.

Müller: Die Begriffe Bauakustik und Raumakustik sind relativ einfach zu unterscheiden.
Bei der Bauakustik schütze ich mich oder einen Raum vor fremden Geräuschen. Der Akustikplaner muss komplexe Isolationsmaßnahmen gegen Luft- und Körperschalleinwirkung entwickeln. Hier wird der Schall und die Schallausbreitung als etwas angesehen, das uns oder den späteren Nutzer stören wird. Für einen Konzert-saal wie dem Saalbau Essen bedeutet dies, dass Ruhe und Stille trotz vieler umliegender lauter Störquellen entstehen muss.

Bei der Raumakustik ist es umgekehrt. Hier hat der akustische Planer die Wirkungsweise einer Schallquelle, sei es ein Sprecher, ein Sänger, ein Instrumentalmusiker oder ein ganzes Orchester zu unterstützen. Die Schall-ausbreitung sollte möglichst gleichmäßig, klang- und lautstärketreu über eine große Zuhörerschaft erfolgen können. Die akustische Qualität des Saales muss so ausgestattet werden, dass die Künstler oder die Musiker das Gefühl haben vom Raum akustisch „getragen“ zu werden. Bei den Zuhörern muss der Eindruck entstehen, in den Musikvortrag „eingebunden“ zu sein. Die Sprechakustik, sei es mit oder ohne elektroakustische Anlage, muss eine entsprechend gute Satz- und Silbenverständlichkeit garantieren, ohne dass Klangfärbungen und Echos hörbar sind. Die Raumakustik unterstützt also die Schallausbreitung und sieht den Schall hier als wünschenswertes Ereignis an.

: Der Saalbau der Philharmonie Essen ist ein Bauen im Bestand: Welche besonderen Anforderungen entstehen hier für die Akustiker?

Müller: Das Bauen in einem bestehenden eventuell sogar historischen oder denkmalgeschützten Gebäude erfordert ein noch intensiveres Planen und noch bessere Abstimmungen zwischen Bauherrschaft, Architekten und den anderen Planungspartnern als bei einem Neubau. Es müssen oft Lösungen gefunden werden, die außerhalb des üblichen technischen Rahmens liegen. Außerdem können bei solchen Bauten nicht alle Normen aber auch Wünsche des Nutzers eingehalten werden, da der Schutz des historischen Bestands Priorität hat. Beim Saalbau Essen konnten jedoch bisher Lösungen gefunden werden, die den großen Konzertsaal in die bestehende historische Hülle des Saalbaus einbindet, ohne dass Beschädigungen des Bestands und akustische Kompromisse, die die Nutzung beeinträchtigen, eingegangen werden mussten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch bei Neubauten häufig Kompromisse ein-gegangen werden müssen, die entweder aus einem engen finanziellen Rahmen oder von der Größe des Grundstücks herrühren.

Welche verschiedenen Lösungen zur Klärung der Fragen der Bauakustik und der Raumakustik beim Saalbau Essen aufgegriffen wurden, wird in den folgenden Ausgaben beschrieben.

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