Kein Walzer und Discofox ohne Musik. Nun gibt es eine Änderung bei den Gebühren für den Sound. Tanzschulen sind sich uneins, ob die neue Tarifstruktur gut oder schlecht ist.
Die Tanzschule Bootz-Ohlmann gibt es seit 116 Jahren in Saarbrücken. Und Ramon Gechnizdjani, der sie in der vierten Generation betreibt, weiß, dass sie viele Höhen und Tiefen erlebt hat. Darunter die «goldenen» 1980- und 1990er Jahre, als die Tanzkurse boomten, ebenso, wie Einbrüche durch ein Tanzkursverbot in der Corona-Krise. Konstant blieb seit vielen Jahren, dass die Verwertungsgesellschaft Gema Gebühren erhob für die Nutzung von Musik. Doch da gibt es seit Jahresbeginn eine grundlegende Änderung: Statt nach Quadratmeterzahl werden die Tanzschulen bei der Berechnung jetzt nach Umsatzgrößen eingeteilt. «Ich persönlich fühle mich da nun gerechter behandelt», sagt Gechnizdjani. «Ich habe zwar riesige Räume, das heißt aber nicht, dass dort auch viele Kurse stattfinden.» Denn seine Einrichtung - mit fünf Sälen und 1.000 Quadratmetern Fläche - werde auch als Event-Location genutzt.
Wenig Fläche heißt nicht wenig Umsatz
«Die Pauschal-Vermutung, dass wer viel Tanzfläche auch viele Tanzschüler und damit einen höheren Umsatz hat, stimmt nicht», so der Inhaber. «Es gibt auch kleine Tanzschulen mit nur einem oder zwei Sälen. Wenn die da einen Kurs nach dem anderen reinknallen, haben die einen höheren Umsatz als wir.» Mit der neuen Regelung, die sein Verband WDTU (Wirtschaftsverband Deutscher Tanzschulunternehmen e.V.) mit der Gema nach langen Verhandlungen abgeschlossen habe, sei er daher zufrieden. Dort werde man jetzt in unterschiedliche Umsatzgrößen-Kategorien eingeteilt und zahle einen entsprechenden Pauschal-Betrag. Alternativ könne man individuell mit der Gema selbst abrechnen. «Das würde bedeuten, dass ich von jedem Kursus eine Titelliste führen müsste. Dieser Aufwand würde sich absolut nicht lohnen!», meint Ramon Gechnizdjani.
Zumindest in diesem Punkt ist er mit Timo Bertram-Breuer von der «Tanzmanufaktur» in Neustadt an der Weinstraße einig. «Wenn ich eine Umsatzabrechnung monatlich melden müsste, dann bräuchte ich eine Vollzeitkraft, die nur damit beschäftigt wäre, der Gema die Zahlen zu reporten - das würde 20- bis 30.000 Euro im Jahr bedeuten», sagt er. Doch auch die pauschale Abrechnung nach Umsatz würde ihn und seine Frau Jessica, mit der er vor sechs Jahren die Tanzschule gründete, vor Probleme stellen: «Bislang zahlen wir einen mittleren vierstelligen Betrag. Künftig könnten wir von den Gema-Gebühren einen gut ausgestatteten Golf kaufen.» Seinen Berechnungen zufolge würden sich die Beträge verfünffachen. Zwar sei er kein «Kopf-in-den-Sand-Stecker», aber die Kosten würden auf jeden Fall steigen. «Im Moment arbeiten wir profitabel und können gut davon leben. Künftig wären wir dann wieder da, wo wir waren, als wir damals die Tanzschule neu eröffnet haben.»
Verein klagt gegen Gema-Tarifstruktur
Wie er künftig die Gebühren bei der Gema abrechnen wird, ist noch völlig offen. Denn der Verein, dem Bertram-Breuer angehört, ist die DTIV, die Deutsche Tanzschulinhaber Vereinigung. Anders als der Konkurrenz-Verband WDTU hat diese noch keine Einigung mit der Gema erzielt. Sie klagt seit Jahren, weil sie wieder eine Pauschal-Abrechnung umsetzen möchte, wie sie vor der Berechnung nach Quadratmeterzahl galt. Ein Urteil vom OLG München, wonach die frühere Praxis der Pauschalverträge rechtmäßig war und 2023 und 2024 fortgesetzt werden müsse, sei noch nicht rechtskräftig und werde noch durch den Bundesgerichtshof überprüft. Außerdem habe man eine Petition über eine Reform der Tarifgestaltung an den Bundestag eingereicht, die von mehr als 57.000 Unterzeichnern unterstützt wurde.
«Ich gehe davon aus, dass wir eine Lösung finden und auch vor Gericht Recht bekommen werden», sagte der DTIV-Vorsitzende Dietmar Buermann. Ansonsten befürchte er Existenzprobleme für viele Mitglieder: «Sollten sie nach Umsatz abrechnen müssen, könnte auf die ein oder andere Tanzschule eine hohe Nachzahlung zukommen - das könnte einigen schon das Genick brechen.»
«Gema nutzt ihr Monopol aus»
Nach Angaben eines Betreibers aus einer Tanzschule in Freiburg sollen mittlere bis große Betriebe künftig zwischen 25.000 und 140.000 Euro pro Jahr zahlen. «Das ist unfassbar! Die Gema nutzt hierbei ihr Monopol aus und diktiert ihre Preise, die teilweise das Hundertfache der üblichen Lizenzgebühren in der EU betragen. Sie blutet die Tanzschulen aus», kritisiert er.
Gema-Sprecherin Christina Zander wies die Vorwürfe zurück. Grundsätzlich könne es viele verschiedene Gründe geben, warum es zu anderen Beträgen komme: «Zum Beispiel vorherige Falsch- oder Nichtmeldungen, Veränderung in den Umsatzzahlen oder bei sonstigen Tarifparametern.» Eine Tanzschule habe zudem viele verschiedene Kostenfaktoren, die sie berücksichtigen müsse - «sicher nicht nur die Gema, sondern auch Personal, Einkauf von Getränken, Energie in den Räumlichkeiten etc.» Eine solche Kalkulation müsse jeder Unternehmer und jede Unternehmerin vornehmen. «Preiserhöhungen für Kurse allein auf die Gema zu schieben, wäre daher völlig verkürzt», so Zander gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. «Musikschaffenden und Kreativen allein deswegen ihren Anteil zu verwehren oder geringer zu halten, wäre nicht fair.»
KI-generierte Musik ist keine Lösung
Timo Bertram-Breuer stellt die Praxis, Künstler und Produzenten für die Verwendung ihrer Musikwerke zu bezahlen, überhaupt nicht infrage. «Wir produzieren auch eigene Musik, und natürlich sollen alle für ihre Leistung auch ihr Geld bekommen», sagte er. «Wenn ein Tanzkurs jedoch maximal ein Drittel der Zeit Musik verwendet, dann ist diese Preisstruktur einfach nicht gerechtfertigt und steht in keiner Relation, wenn man das hochrechnet.»
Dass Tanzschulen Kosten sparen könnten, indem sie künftig nur KI-generierte Musik verwenden, für die es keine Urheberrechte gibt und daher keine Gebühren anfallen, ist nur auf den ersten Blick eine Lösung. «Ich kann mir nicht vorstellen», sagt Ramon Gechnizdjani, «dass unsere Tanzkunden damit glücklich würden.»