Verglichen mit der Gulaschkanone GEMA ist die im Entstehungsprozess befindliche „echte Alternative“ C3S (Cultural Commons Collecting Society) noch eine Erbse. Sie hat um die 900 Mitglieder, davon 416 so genannte „nutzende“, Werke schaffende Mitglieder. Sie hat die Rechtsform einer „europäischen Genossenschaft“ und ist kein wirtschaftlicher Verein wie die GEMA. Und vor allem ist sie zurzeit noch eines: nicht anerkannt als Verwertungsgesellschaft. Der Antrag soll noch dieses Jahr beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) gestellt werden.
Man kann sich leicht ausmalen, wie schwierig es sein muss, sich als Verwertungsgesellschaft zu verstehen und zu organisieren, solange man noch keine ist. Da fehlt es an allen Ecken und Enden: an Mitgliedern, an Arbeitskraft, an Infrastruktur und an Geld. Denn die Einnahmen, die man generieren und verteilen möchte, fließen ja solange noch nicht, wie man nicht anerkannt ist. Anders als bei der GEMA hat hier aber jedes Mitglied eine Stimme, kann jedes Mitglied am Prozess der Gestaltung dieser Verwertungsgesellschaft mitarbeiten; mithin: sie von Grund auf mitgestalten.
Zu diesem Zweck fand auch am 13. Juni in Potsdam die Generalversammlung statt. Es galt, ausscheidende Mitglieder des Verwaltungsrates neu zu besetzen, Satzungsänderungen zu beschließen, Ergebnisse aus Arbeitsgruppen zu diskutieren und zu bewerten und eine Beitragsordnung festzulegen. Dafür hätten mindestens 50 Prozent der Stimmen von Genossen vor Ort sein müssen, so sieht es die Satzung vor. Anwesend waren keine 10 Prozent (oder in exakten Zahlen: 31 nutzende und 10 investierende Mitglieder). Damit war die Generalversammlung nicht beschlussfähig. So ging es letztlich bei der Veranstaltung um die Erstellung von Meinungsbildern zu den Themen, später wird eine außerordentliche Mitgliederversammlung nötige Schritte beschließen.
Zu den nötigen Schritten gehören vor allem die Satzungsänderungen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um kleinere Änderungen, die sich aus Gesprächen der C3S mit dem DPMA ergeben haben.
Hürden auf dem Weg
Dort vorgebrachte Änderungen sind die Voraussetzung zur Zulassung als Verwertungsgesellschaft. Es handle sich um ein „Update“ der Satzung, hieß es. Ob die Änderungen reichen oder ob nicht auch noch andere Dinge zu gewährleisten sind, ist damit nicht zwingend sicher. Im Raum geistert zudem eine Zahl herum, dass auch eine Mindestanzahl an Mitgliedern nötig sei, um als Verwertungsgesellschaft anerkannt zu werden. Doch das ist nicht allein eine Frage der Anzahl der schöpferischen Mitglieder, sondern es geht darum, dass die künftig zu erwartenden Einnahmen der Verwertungsgesellschaft hoch genug sind, um den wirtschaftlichen Betrieb zu gewährleisten; also, dass sie in angemessenem Rahmen die Erträge auch ausschütten kann. Das ist dann etwa zu erwarten, wenn die Verwaltungskosten nicht mehr als 10 bis 20 Prozent der Erträge verschlingen. Eine Rechnung mit vielen Unbekannten.
Die C3S sollte also tatsächlich und potenziell wachsen. Je mehr Mitglieder, desto mehr Kapital fließt in die Genossenschaft (mit 50 Euro kann man einen Genossenschaftsanteil zeichnen). Aber sie muss auch sehen, dass sie jene Mitglieder wirbt, die mit der GEMA aus verschiedenen Gründen unzufrieden sind. Da gibt es gerade im Bereich der musikalischen Subszenen zahlreiche komponierende Urheber, die nicht Mitglied der GEMA sind und die beispielsweise auf großen Gothic-Music-Festivals unterwegs sind, wo angeblich nur etwa 50 Prozent GEMA-Repertoire aufgeführt wird. Ferner denkt man auch an die vielen Kleinstkomponisten, die zwar GEMA-berechtigte sind, die aber finanziell kaum etwas davon haben. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wie soll man Mitglieder als Verwertungsgesellschaft anlocken, solange man noch keine ist.
Die Pionierarbeit der C3S ist also vor allem nach wie vor getragen vom hohen Engagement der im Moment aktiven Mitglieder. Später wird man sich ins gemachte Nest setzen können. Aber dazu muss der Stein über den Berg der Anerkennung als Verwertungsgesellschaft gerollt werden, der nach oben hin immer steiler zu werden scheint.
Obwohl man mit verschiedenen Techniken aus dem Umfeld von Crowd-funding und Wirtschaftsförderung einiges auf die Beine gestellt hat, bleibt die aktuelle Finanzierung der C3S schwierig. Deshalb war der Tagesordnungspunkt „Beitragsordnung“ dringend nötig und zugleich umstritten. Soll man künftig jährliche Beitragszahlungen verlangen? Oder führt das im Zweifel zu einem Exodus der Genossen? Zur Abstimmung bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung wird eine sozial abgefederte Beitragsordnung kommen, die auch den Wünschen der investierenden Mitgliedern Rechnung tragen soll.
Creative-Commons-Lizenzen
Das ist nicht das einzige Problem. Die C3S ist ja zunächst mit dem Ziel angetreten, vor allem im Bereich der Creative-Commons-Lizenzen (CC) Partner für Urheber zu sein. Bislang hat die GEMA kategorisch verneint, diese Lizenzmöglichkeiten für ihre Berechtigten anzubieten – bis vor Kurzem: In einem Pilotprojekt sollen CC-Lizenzen doch eingebunden werden können. CC-Lizenzen sind demnach zwar möglich, jedoch allein in der nichtkommerziellen Variante. Darüber schüttelt man beim C3S den Kopf: CC-Lizenzen schließen nämlich Gebühren für die Lizenznehmer, je nach Art, keineswegs aus. Die GEMA betreibt hier offensichtlich Augenwischerei.
Wer als Komponist jedoch mit CC-Lizenzen arbeiten will, der wird daher um die C3S nicht herumkommen – oder er kümmert sich eben um all das selbst. Für künftige Lizenznehmer wird die C3S zum Beispiel in der Tarifstruktur mit hoher Transparenz gegenüber dem Tarifdschungel der GEMA aufwarten. Die auf der Generalversammlung vorgestellte Tarifformel kommt mit vier Variablen aus und will damit jede Nutzungsform berücksichtigen. Softwareprojekte zur präzisen und gerechten Abrechnung von digitalen Nutzungsformen stehen kurz vor der Fertigstellung, ein Label für digitale Veröffentlichungen (CD) von plattenfirmenfreien Künstlern ist auf den Weg gebracht worden. Nun gilt es, das operative Geschäft endlich auch eröffnen zu können, Werke zu registrieren und auf dem Markt die Rolle eines ernstzunehmenden Teilnehmers zu spielen. Angesichts der aktuellen finanziellen Lage bleibt dafür nicht mehr sehr viel Zeit.