Heilbronn - Die fristlose Kündigung einer schwangeren Geigerin und des mit ihr verheirateten Cellisten hat heftigen Streit im Württembergischen Kammerorchester Heilbronn ausgelöst. Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) sieht gar Parallelen zum Fall der Kassiererin «Emmely». Das Management des Orchesters hatte vor wenigen Tagen den Orchestermitgliedern fristlos gekündigt, weil sie mit ihrem Kammermusik-Trio in der Freizeit ohne Genehmigung für Nebentätigkeiten aufgetreten waren.
Die Kündigung der Kassierin «Emmely» wegen eines Bagatelldelikts nach 31 Dienstjahren hatte bundesweit Aufsehen erregt und zu einem Rechtsstreit über mehrere Instanzen geführt. Sie hatte zwei Leergutbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst, die jemand in ihrer «Kaiser's»-Filiale liegengelassen hatte. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt erklärte die Kündigung für unwirksam.
Auch die Kündigung der Musiker werde vor Gericht keinen Bestand haben, erklärte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens. Er nannte die Entscheidung des Orchestermanagements eine Überreaktion und unverhältnismäßig. Öffentliche Solidaritätserklärungen des gesamten Orchesters seien bisher ungehört geblieben. Der Vorstand und die Geschäftsführung des Orchesters sagten zur Begründung ihrer Entscheidung, die Musiker hätten trotz einer zur Erholung gedachten bezahlten Freistellung selbstständig ein Konzert gegeben und die Geschäftsführung «getäuscht».
Die Musiker hätten für das Beethoven-Festival wegen Überbelastung eine bezahlte Freistellung gefordert. Der Vorstand hatte deshalb allen fest angestellten Musiker von einem Konzert sowie allen dazugehörigen Proben zur Erholung frei gegeben. Die Kosten hätten sich auf etwa 1200 Euro pro Musiker belaufen. Die Musiker hätten jedoch während der bezahlten Freistellung ein Konzert mit ihrem eigenen Trio gegeben. Am Freitag (25. Juni) werde es deshalb einen ersten gerichtlichen Gütetermin in der Frage geben.
«Wir haben volles Verständnis dafür, dass die arbeitsrechtlichen Verfahren gegen zwei Musiker innerhalb des Orchesters für große Aufregung gesorgt haben», hieß es. Aufgrund der Schwere der Vorwürfe an die Musiker seien die arbeitsrechtlichen Maßnahmen jedoch begründet.
Der Vorwurf, dass diese Maßnahmen nun Höhepunkt einer seit drei Jahren von Orchesterleitung und Vereinsvorstand betrieben Einschüchterungs- und Bestrafungspolitik darstelle, entbehre jedoch jeder Grundlage, betonte Geschäftsführer Frank Druschel.
DOV-Geschäftsführer Mertens entgegnete, nach Auffassung der DOV hätte die im fünften Monat schwangere Geigerin unter besonderem Kündigungsschutz stehen müssen. Der Fall sei «ein Skandal» und ein «besonders dreister Versuch, künstlerisch erfolgreiche und für ihren Betrieb engagierte Orchestermusiker mundtot zu machen», sagte Mertens. Es sei völlig legitim, dass Orchestermitglieder neben ihrem Dienst auch Kammermusik machten. Allein die Berliner Philharmoniker hätten mehr als 30 Kammermusikvereinigungen in ihren eigenen Reihen.
Selbstverständlich seien derartige Nebentätigkeiten anzuzeigen, was die beiden betroffenen Musiker in der Vergangenheit auch stets getan hätten, sagte Mertens weiter. «Dass ein Arbeitgeber auf eine jetzt angeblich nicht vorliegende Nebentätigkeitsanzeige mit fristlosen Kündigungen reagiert und dann noch gegenüber einer schwangeren Betriebsrätin und ihrem Mann, die als Stimmführer des Orchesters dessen Leistungsträger sind, ist völlig unverhältnismäßig und rechtswidrig.»