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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Foto: Deutscher Bundestag/Lichtblick-Achim Melde
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Die Bundesjustizministerin fordert in ihrer Berliner Rede faire Wettbewerbsbedingungen
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Als Berliner Rede zum Urheberrecht wurde die Rede von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger am 14. Juni 2010 zur Eröffnung des Dialogs zum 3. Korb der Reform des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft angekündigt. „Berliner Rede“ – damit wurde die Latte sehr hoch gelegt. Und gleich in ihren einleitenden Worten stellte Leutheusser-Schnarrenberger eine Verbindung zum „Erfinder“ der Berliner Rede, Altbundespräsident Herzog, her, indem sie ihn mit folgenden Worten zitierte: „Erbärmlich ein Eigentumsbegriff, der sich nur auf Sachgüter, Produktionsmittel und Wertpapiere bezieht und die Leistungen des menschlichen Geistes ausklammert! Erbärmlich eine Gesellschaft, die sich einen solchen Eigentumsbegriff leisten wollte!“

Mit diesem Zitat wurde sogleich der Grundton vorgegeben, der sich durch die gesamte Rede ziehen sollte: im Mittelpunkt des Urheberrechts steht der Urheber. Sein Werk soll geschützt werden. Es soll geschützt werden, damit er einen ökonomischen Nutzen aus der Verwertung seiner Werke ziehen kann und damit er selbst entscheiden kann, wann, wie und in welcher Weise sein Werk veröffentlicht wird. Das Urheberrecht sichert eben mehr als Vergütungsansprüche, es beinhaltet zugleich das Urheberpersönlichkeitsrecht.

Leutheusser-Schnarrenberger stellte unmissverständlich fest, dass der Schutz des geistigen Eigentums eine Voraussetzung für kulturelle Vielfalt, Kreativität und wissenschaftliche Leistungen sei. Apodiktisch formulierte sie: „Bei allen Überlegungen muss der Kreative, muss der Werkschöpfer im Mittelpunkt stehen. Niemand sonst gehört in den Mittelpunkt, kein Dritter, weder der Verwerter, der mit der Vermarktung des Werkes Geld verdient, noch der User, der mit der Gratis-Nutzung Geld sparen will. Es geht nicht um sie, es geht beim Urheberrecht in erster Linie um den Kreativen. Ihn dürfen wir nicht abspalten von seinem Werk, sein Werk dürfen wir nicht anonymisieren und auch nicht kollektivieren. All dies wäre ein fataler Irrweg.“

Diese eindeutige Autorzentrierung ist eine Abkehr von der Urheberrechtspolitik in der vorletzten Legislaturperiode, speziell, was die Regelung zur Pauschalvergütung in Korb 2 betrifft. War es damals die Zusage von Kanzler Schröder gegenüber den Geräteherstellern und -importeuren, dass sie nicht zusätzlich belastet werden sollen, die die gesamte Diskussion um die Pauschalvergütung überschattete, wird hier der Autor in den Mittelpunkt gerückt. Das ist wohltuend und wird sich hoffentlich in der konkreten Gesetzgebung wiederspiegeln.

Ihr Fett weg bekamen sowohl die Verwerter künstlerischer Leistungen als auch die so genannte Netzcommunity. Mehr oder weniger unmissverständlich wurde den Verwertern gesagt, dass sie sich nicht hinter dem Urheberrecht verstecken sollen, wenn ihre Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Als Besitzstandswahrer tituliert wurde ihnen vorgeworfen, zu spät neue Geschäftsmodelle entwickelt zu haben. Ganz liberal wurden sie auf den Markt verwiesen. Im Wettbewerb soll sich erweisen, welches Geschäftsmodell auf Dauer tragfähig sein wird. Unmissverständlich wird formuliert: „Wir wollen keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist. Aber das Urheberrecht muss seinen Beitrag zu fairen Wettbewerbsbedingungen leisten.“

Der Netzcommunity wurde in der Rede immer wieder ins Stammbuch geschrieben, dass das Recht des Urhebers zu respektieren sei, und zwar sowohl sein Recht auf Vergütung als auch sein Persönlichkeitsrecht. Unmissverständlich wird deutlich gemacht, dass aus den bestehenden Problemen bei der Durchsetzung des Urheberrechts nicht geschlossen werden darf, dass das Recht als solches obsolet ist.

Was sind neben den programmatischen die konkreten politischen Aussagen? Wie nicht anders zu erwarten, wird der Kulturflatrate eine Absage erteilt. Ebenso klar grenzt sich Leutheusser-Schnarrenberger vom französischen Modell ab, nach dem nach drei Verwarnungen der Internetzugang gekappt werden kann.

Das Warnhinweismodell wird mit dem Fragezeichen versehen, ob es sich tatsächlich ohne Inhaltskontrolle und Datenerfassung realisieren lässt. Klar ist, dass die Providerhaftung fortentwickelt und hier der Urheber in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Hier schimmert durch, dass ein Ansatz für die bessere Durchsetzung des Urheberrechts gesehen wird. Weiter soll im europäischen Kontext an einer Harmonisierung der Rahmenbedingungen für Verwertungsgesellschaften gearbeitet werden. Genauere Hinweise, an welche Regelungen gedacht wird, blieb die Ministerin schuldig. Ebenso offen blieb, ob vor allem an Regelungen für Musikverwertungsgesellschaften gedacht oder ob alle Verwertungsgesellschaften in den Blick genommen werden sollten.

Nachdem in den letzten Jahren vor allem die Probleme des Musikbereiches im Mittelpunkt der Urheberrechtsdebatten standen, scheinen jetzt andere künstlerische Sparten in den Vordergrund zu rücken. Nach dieser Berliner Rede zum Urheberrecht folgen in den kommenden Monaten vier Anhörungen zu spezifischen Aspekten des Urheberrechts. Da geht es um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, um Open Access, die Kabelweitersendung und das so genannte Kneipenrecht, um Fragen der kollektiven Rechtewahrnehmung und schließlich um die Nutzung von verwaisten Werken. Die Anhörungen sollen dazu dienen, dass die verschiedenen Interessengruppen ihre spezifischen Anliegen zu Gehör bringen. Auf dieser Grundlage soll dann, so die Ankündigung, Korb 3 geflochten werden. Es wäre allerdings schade, wenn das Bundesjustizministerium hier stehen bliebe. Wenn die Berliner Rede zum Urheberrecht tatsächlich nur ein etwas zu groß gewählter Begriff für eine Auftaktrede zur aktuellen Urheberrechtsreform bliebe.

Der Konsultationsprozess zum Grünbuch der EU-Kommission „Erschließung des Potenzials der Kultur- und Kreativindustrien“ wäre ein sehr guter Anlass, um unter Beweis zu stellen, dass hinter der Berliner Rede zum Urheberrecht eine politische Grundüberzeugung steht, die in die verschiedenen politischen Entscheidungsprozesse eingespeist wird. In dem erwähnten Grünbuch wird gerade nicht auf den Urheber abgehoben, noch nicht einmal auf die Verwerter künstlerischer Werke und kultureller Dienstleistungen, sondern es geht nur darum, wie die Informations- und Telekommunikationsbranche ihre Netze mit Inhalten füllen kann, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Urheber und Verwerter werden dabei lediglich zu Rohstofflieferanten degradiert. Hier ist die Justizministerin gefragt, gegenüber ihrem Partei- und Kabinettskollegen Rainer Brüderle klar aufzutreten und deutlich für die Urheber einzutreten. Ähnliches wird mit Blick auf die Digitale Agenda der EU-Kommission erforderlich sein.

„Berliner Rede zum Urheberrecht“, den hohen Erwartungen an einen so programmatischen Titel wird Leutheusser-Schnarrenberger erst gerecht, wenn der postulierte Anspruch, den Urheber in den Mittelpunkt des Urheberrechts zu rücken, bei der anstehenden Novelle eingelöst wird und wenn dieses Postulat in andere politische Entscheidungsprozesse eingebracht wird. Hier gibt es viel zu tun.

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